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Drei Szenarien: Folgen der Klimaveränderung für Schleswig-Holstein

Drei Szenarien: Folgen der Klimaveränderung für Schleswig-Holstein

Folgen der Klimaveränderung für Schleswig-Holstein

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Schleswig-Holstein
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<p>Der Anstieg von Nord- und Ostsee scheint unausweichlich.</p> Foto: Imago / Blickwinkel

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Auch im hohen Norden muss man sich in Zukunft auf Hitze und Schwüle einstellen. Der Westküste droht besonders viel Starkregen. Mit Kommentar.

In Schleswig-Holstein kann es in diesem Jahrhundert immer wärmer werden: Das hat Auswirkungen auf ältere Menschen, die Küstenregionen und die Landwirtschaft. Forscher des Climate Service Center Germany (GERICS) am Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht sind der Frage nachgegangen, wie sich die Erderwärmung auf regionaler Ebene auswirken wird. Die Ergebnisse sind teilweise schockierend.

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Deutlich mehr Wetterextreme

Die einzelnen Kreise im Norden werden sich ebenfalls auf deutliche Veränderungen einstellen müssen. „Die Wahrscheinlichkeit für Starkregen-Ereignisse steigt. Auch in Schleswig-Holstein. Generell werden wir deutlich mehr Extreme zu spüren bekommen: Von großer Hitze bis hin zu starken Regenfällen“, sagt Sebastian Bathiany vom Hereon.

 

Insgesamt drei Szenarien haben die Forscher ausgewertet. Eines geht von einer weiterhin hohen Verbrennung fossiler Energieträger bis zum Jahr 2100 aus, eines sieht einen leichten Anstieg der Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts und einen darauf folgenden Abfall und das dritte geht vom Erreichen der globalen Erwärmung auf maximal zwei Grad aus.

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Die wichtigsten Folgen für Schleswig-Holstein

Der Anstieg von Nord- und Ostsee scheint unausweichlich. Je nach Begrenzung der Erderwärmung steigen die Pegel um mindestens einen halben Meter, maximal aber um einen Meter bis 2100. Die Lufttemperaturen steigen um mindestens 2,1 Grad, maximal gar um 4,8 Grad. Die Zahl der „heißen Tage“ steigt von einem auf sieben, die Zahl der Tropennächte von derzeit null auf sechs im Jahr.

Allgemeine Erkenntnisse

Egal, welches Modell zugrunde gelegt wird, auch im Norden wird es wärmer werden. Auch Nächte, in denen es nicht kühler als 20 Grad wird, sogenannte Tropennächte, werden zunehmen. Zudem werden Hitzeperioden länger und es wird mehr schwüle Tage geben. Ein „Heißer Tag“ ist ein Tag, an dem das Maximum der Lufttemperatur über 30 Grad beträgt. All das hat Auswirkungen auf die Gesundheit und die Landwirtschaft .

Gesundheit

„Es ist sicher, dass Hitze und Schwüle Auswirkungen auf die Gesundheit, gerade von Älteren, haben werden“, so der Forscher. Drückende Schwüle belastet den Kreislauf. Hitze in der Nacht verhindert zudem einen erholsamen Schlaf. „Besonders in den Städten werden die Nächte wärmer, was sich auf den Schlaf auswirken wird“, ist sich Bathiany sicher.

Landwirtschaft

„Wir beobachten schon jetzt, dass Pflanzen im Frühjahr einige Tage früher aus dem Boden kommen“, so der Forscher. Das werde sich in Zukunft verstetigen mit großen Auswirkungen auf die Landwirtschaft. „Das Problem ist auch, dass wir davon ausgehen, dass Wetterextreme zunehmen“, sagt er. Das bedeutet: Lange Trockenperioden und schlagartiger, starker Regenfall, der vom Boden nicht aufgenommen werden kann.

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„Die Landwirtschaft steht vor einer Herausforderung“, sagt er. Er geht davon aus, dass sich die Felder im Norden verändern könnten. „Beispielsweise könnte an trockenen Standorten Weizen durch Roggen ersetzt werden. Der kommt mit dem Wetter besser zurecht.“

Nord- und Ostsee

Ein Anstieg der Weltmeere scheint unausweichlich. Selbst wenn man einen Emissionsausstoß von Null erreicht, würde das Meer noch einige Zeit weiter ansteigen. „Wir haben generell das Phänomen, dass der Ostsee-Spiegel in Nordskandinavien sinkt“, so Bathiany. Das seien noch Auswirkungen der letzten Eiszeit. Die Eismassen haben das Land zusammengedrückt, dass sich noch heute hebt. An der deutschen Küste sieht es jedoch anders aus. „Wenn die Emissionen weiter steigen, wird der Meeresspiegel an den deutschen Küsten ungefähr einen Meter ansteigen“, ist er sich sicher. Im besten Fall, also der Erreichung von eine maximalen Erderwärmung von zwei Grad würden Nord- und Ostsee im Jahr 2100 immerhin noch einen halben Meter höher stehen als heute.

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Temperaturanstieg

Die Modelle liefern als Resultat, dass die Temperatur überall steigen wird. Für Schleswig-Holstein ergeben sich folgende Modelle: Bei Erreichen negativer Emissionen ist bis 2100 im besten Fall eine Erwärmung von 0,2 Grad im Vergleich zur Zeit von 1971 bis 2000 zu erreichen. Maximal würde sich die Temperatur um 2,1 Grad erhöhen. Das zumindest besagt das Modell mit der stärksten Erwärmung in diesem Szenario. Bei weiterhin starkem CO2-Ausstoß würde sich eine Erwärmung von mindestens 2,5 bis maximal 4,8 Grad ergeben.

Heiße Tage, tropische Nächte

In beiden Statistiken sieht es in Schleswig-Holstein im Vergleich zum Rest Deutschlands noch am besten aus. „Durch die Lage am Meer werden in Schleswig-Holstein die Temperaturspitzen weggenommen“, erklärt Bathiany. Im Nord-Vergleich wird der Kreis Schleswig-Flensburg wahrscheinlich am wenigsten getroffen. Aktuell gibt es hier einen heißen Tag und kaum tropische Nächte. Die Modelle gehen davon aus, dass sich die Zahl der heißen Tage auf bis zu sieben im Jahr erhöhen kann. Auch bis zu sechs tropische Nächte könnte es geben.

Auf das ganze Land gesehen, schwanken die Angaben für die einzelnen Regionen gravierend. Im besten Fall verändert sich nichts. Im schlimmsten Fall stehen dem Norden im Jahr 2100 bis zu 24 heiße Tage und 28 Tropennächte bevor.

Niederschlag

Es wird in Zukunft mehr Starkregen geben, wenn kein konsequenter Klimaschutz im Sinne des Pariser Abkommens eingehalten wird. Am stärksten betroffen werden in Schleswig-Holstein die Kreise Nordfriesland und Dithmarschen. Bis zu 5,5 Starkregentage im Jahr könnten es werden. Aktuell sind es drei. Gerade für die Landwirtschaft kann das schwere Folgen haben.

Der Jahresniederschlag wird sich wenig ändern, möglicherweise sogar etwas ansteigen. Da die Modelle jedoch mit einigen Unsicherheiten behaftet sind, gibt es große Unterschiede. Im schlimmsten Fall wird es knapp 33 Prozent mehr Regen geben als heute. Im Fall mit viel Klimaschutz würden es knapp elf Prozent weniger Regen werden.

Trockentage

Lange Trockenheit macht vor allem der Landwirtschaft aber auch den Menschen zu schaffen. Am stärksten betroffen in Schleswig-Holstein wäre der Kreis Schleswig-Flensburg. Hier könnten es vier Trockentage mehr im Jahr werden, wenn es keinen Klimaschutz geben würde. In diesem Szenario am besten ist es in Ostholstein mit drei Trockentagen mehr. In einem Szenario mit wirksamen Klimaschutz würde es den Kreis Schleswig-Flensburg am härtesten treffen. Hier würde etwa ein Trockentag mehr kommen.

Schwüle

Egal welches Modell man zugrunde legt: Im Norden wird es schwüler. Die Forscher definieren dies als Tage mit 18,8 Hektopascal Dampfdruck oder mehr. Am stärksten trifft es das Herzogtum Lauenburg. Heute sind es im Schnitt 2,7 Tage. Bis Ende des Jahrhunderts stehen bis zu 20 Tage in dem Modell, wenn es keinen Klimaschutz geben würde. Schon mäßiger Klimaschutz könnte dies auf unter zehn Tage drücken. Auf das ganze Land gesehen wird es bei viel Klimaschutz zehn Tage Schwüle bis zum Jahr 2100 geben. Bei keinem Klimaschutz stünden 48 Tage als absolutes Maximum.

Kernaussagen

Die Ergebnisse der Klimamodelle sind nach Kenngröße, Szenario und Zeithorizont verschieden belastbar. Deshalb kommt es zu großen Schwankungen in den einzelnen Modellen. Was bleibt ist: Es wird wärmer werden. Die Meeresspiegel werden steigen und die Auswirkungen auf Landwirtschaft und Gesundheit können drastisch ausfallen.

Auffällig ist auch, dass kein Modell die Möglichkeit sieht, dass sich das Klima nicht verändert. Was auch daran liegt, dass die Emissionen in keinem der untersuchten Modelle auf Null gesetzt werden. Es scheint so, als stünde die Gesellschaft noch vor der Herausforderung, den schon einsetzenden Klimawandel in Grenzen zu halten.

 

Die Daten für jeden Kreis aufgelistet sind auf der Seite des Helmholtz-Zentrum Hereon zu finden.

Noch ist Föhr nicht Florida

Ein Kommentar von Stefan Hans Kläsener

Wer Kinder hat, der weiß: Gegen Kälte kann man sich mit Kleidung wappnen, bei Hitze hilft so gut wie nichts. Oder anders: Wer in heißen Feriennächten bei offenem Fenster schwitzt und sich von fremden Mücken stechen lässt, der sagt sich juckend bei der Heimfahrt: Für den Urlaub geht’s ja, aber gut, dass es daheim wieder normal ist.

Es wird aber nicht mehr normal sein. Unsere Landwirte werden andere Früchte anbauen, die Viehhaltung wird sich stark verändern, unsere Städte werden andere Gebäude benötigen, und beim Immobilienkauf geht es nicht mehr nur um altersgerechte Niveaugleichheit, sondern um Dämmung, Lüftung, Verschattung, Sturmfestigkeit.

Das Hauptproblem werden Wind und Wasser. Föhr ist nicht Florida, gottlob, aber es geht in diese Richtung. Sylt gäbe es streng genommen gar nicht mehr in der bisherigen Form.

Der Mensch war immer anpassungsschlau. Er muss sich nun aber beeilen.

 

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