Krieg in der Ukraine

Düngemittel und Tierfutter werden knapp – wie trifft es die Bauern in Nordfriesland?

Düngemittel- und Tierfutterknappheit trifft Bauern in Nordfriesland?

Düngemittel- und Tierfutterknappheit trifft Bauern

SHZ
Husum / Eiderstedt
Zuletzt aktualisiert um:
Für die Getreide-Ernte im kommenden Jahr sieht es düster aus. Foto: dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Der Ukraine-Krieg nabelt die Landwirtschaft von der Versorgung mit Dünger und Futter für die Nutztiere ab. Im kommenden Jahr wird das massive Auswirkungen haben – auch für die Bauern in der Region.

Der Kreisbauernverband Husum-Eiderstedt blickt besorgt in die Zukunft – auch in Nordfriesland wird der Krieg in der Ukraine durch die Düngemittel-Knappheit unmittelbare Auswirkungen auf die Ernten haben. „Die Marsch ist die Kornkammer des Nordens“, sagt Thomas Hansen, der Vorsitzende des Kreisverbandes. „Bei weniger Düngemitteln im Getreide haben wir weniger Brotgetreide, die Qualität dafür wird nicht zu halten sein.“

Weiterlesen: Neue Agrarpolitik: So sieht Landwirt Thomas Hansen die Vorhaben der Grünen-Minister

Kurzfristig sei die Versorgung mit Düngemitteln noch gesichert, wenn auch zu exorbitant hohen Preisen, heißt es beim Deutschen Bauernverband (DBV). Derzeit sei jedoch ungewiss, ob 2023 überhaupt noch ausreichend Dünger für eine ertragreiche Ernte vorhanden sein werde. „Halten die Lieferengpässe über 2022 hinaus an, kann es 2023 zu Ertragsrückgängen von 40 Prozent kommen. Damit wäre die Versorgung mit Getreide ernsthaft gefährdet“, warnt DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken.

Ab kommendem Jahr nur noch Futtergetreide

Was dann im kommenden Jahr geerntet werde, könne nur noch als Futtergetreide verkauft werden – mit entsprechenden Preisabschlägen, erläutert Hansen. „Derzeit sind die Getreidepreise exorbitant hoch, aber die Erzeuger profitieren nicht davon, weil im Vorwege verkauft wird.“ Die zu erwartende Ernte werde auf Basis der vorhergehenden Jahre geschätzt und angeboten. „Aber das muss dann auch geliefert werden können.“ Und die Ernte 2022 lasse sich momentan gar nicht verkaufen, die Börse mache nur immer ganz kurz auf.

Weiterlesen: Kein Tierfutter, kein Dünger? Diese Probleme kommen auf die Landwirte zu

Hintergrund der Düngemittel-Knappheit: 80 Prozent der Herstellungskosten von Ammoniak, dem Ausgangsstoff für die Herstellung, entfallen auf Gas. 2021 war Russland größter Exporteur von Stickstoffdünger, bei Kalium- und Phosphor zweitgrößter Produzent. 25 Prozent der in Europa genutzten NPK-Dünger – aus Stickstoff (N), Phosphor (P) und Kalium (K) – kamen bisher aus Russland, 40 Prozent des Kaliums aus Russland und Belarus, listet der DBV auf.

Weltgrößter Dünger-Hersteller drosselt Produktion

Rund ein Drittel der weltweiten Kali-Produktion stammt von den Unternehmen Uralkali und Belaruskali, den Nummern zwei und drei auf dem Weltmarkt. Und der weltgrößte Mineraldünger-Hersteller, Yara International, drossele als Reaktion auf die Erdgas-Rekordpreise die Produktion in einigen europäischen Werken und ziehe in anderen Wartungsarbeiten vor, so der DBV weiter. Yaras Auslastung bei Ammoniak- und Harnstoff liege nur noch bei 45 Prozent. Bereits im Herbst 2021 habe Yara die Produktion für einige Wochen heruntergefahren.

Ausbleibende Soja-Lieferungen aus Russland nicht ersetzbar

Neben den Düngemitteln wird auch das Tierfutter knapp. Der Krieg beeinflusst die Versorgung mit Eiweißfuttermitteln aus Sonnenblumen, Raps und Soja für Rind, Schwein und Geflügel, warnt der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID). Mehr als zwei Drittel des europäisch erzeugten Sojas stamme aus Russland und der Ukraine – und diese Menge lasse sich kurzfristig nicht ersetzen. Das erschwere die Situation in Nordfriesland zusätzlich, so Thomas Hansen, der selber einen Milchviehbetrieb in Viöl führt.

Weiterlesen: Ukraine-Krieg: Den deutschen Bio-Bauern geht das Futter aus

Es gebe in der Region viele Schweine-Betriebe. „Aber auch die Milchviehbetriebe trifft es. Zwar sind die Rinder draußen auf der Koppel und können grasen, aber sie brauchen auch Kraftfutter mit Eiweißkomponenten.“ Bei all diesen Unwägbarkeiten sei eine Prognose für die Landwirtschaft im Kreisgebiet „ein Blick in die Glaskugel“.


Was die Versorgung mit Getreide angeht, hält Hansen es für möglich, dass die Qualitätsanforderungen heruntergeschraubt werden müssen: „Einfach, weil wir es brauchen.“ Brotgetreide sei für qualitativ hochwertiges Mehl notwendig. „Aber natürlich kann man aus Tiefuttergetreide auch Mehl machen. Das war vor 100 Jahren nicht anders, da gab es diese Qualitäts-Anforderungen, die wir heute haben, ja noch gar nicht.“

Zum Glück sei das Wetter derzeit gut und die Bauern draußen. „Das macht den Kopf frei und man denkt nicht so viel darüber nach momentan.“ Denn ändern können Nordfrieslands Landwirte die Situation ohnehin nicht.

Mehr lesen

Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“