Schwangerschaftssabbrüche

Ehemalige Chefärzte kritisieren: Mit einem katholischen Träger geht es nicht

Ehemalige Chefärzte kritisieren: Mit einem katholischen Träger geht es nicht

Ehemalige Chefärzte kritisieren katholischen Träger

SHZ
Flensburg
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Die alte Kleingartenkolonie Peelwatt hat einen "Lost Places-Charme". Bis 2028 soll hier eines der modernsten Krankenhäuser Schleswig-Holsteins stehen. Foto: Michael Staudt / SHZ

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Dr. Ulrich Schroeder, Dr. Friedrich Wrede und Dr. Henning Schmidt fordern im Interview eine konsequente Lösung für Schwangerschaftsabbrüche im neuen Zentralklinikum – und kritisieren die religiös begründete Absage: „Das wird die Gesellschaft nicht mehr tolerieren.“

Die ehemaligen Diako-Chefärzte Dr. Ulrich Schroeder, Dr. Friedrich Wrede und Dr. Henning Schmidt haben die Pläne für das neue Zentralklinikum mit angeschoben. Im Interview mit shz.de kritisieren sie nunmehr die spärlichen Informationen und eine fehlende Lösung für sozial indizierte Schwangerschaftsabbrüche.

Sie haben damals an den ersten Gesprächen zum neuen Zentralklinikum mitgewirkt. Wie verfolgen Sie die Entwicklungen heute?
Dr. Wrede: Ich verfolge die Entwicklungen sehr aufmerksam, finde aber, dass wir nur sehr spärliche Informationen bekommen. Die gelegentlichen Pressemitteilungen sind unpräzise und ausweichend. Glücklicherweise gibt es keine Zweifel mehr an der medizinischen, verkehrstechnischen, verwaltungsmäßigen und ökonomischen Notwendigkeit, ein neues Zentralklinikum zu bauen. Die Bürger hier haben aber ein Recht darauf, zu erfahren, wie die medizinische Versorgungsstruktur in Zukunft genau aussehen soll. Wir brauchen Träger, die die gesamte Struktur, die gefordert ist, auch bieten können. Was der Staat an Gesundheitsvorsorge für die Gesellschaft gesetzmäßig vorgegeben hat, muss eingehalten werden. Es kann nicht Kirchenrecht über dem staatlichen Recht stehen.


Grüne und Linksfraktion haben angekündigt: Sie stimmen gegen das Zentralklinikum solange das Thema Schwangerschaftsabbrüche nicht geklärt worden ist. Wie bewerten Sie dieses Vorgehen?
Dr. Henning Schmidt: Linke und Grüne fordern ein Recht ein, das den Frauen zusteht. Ganz gleich, wie man persönlich zu Schwangerschaftsunterbrechungen steht – auch das ungeborene Leben ist schutzbedürftig. Was mir nicht gefällt, ist der feministische Ansatz bei Linken und Grünen. Wenn Ideologien aufeinander prallen, dann ist das immer schlecht für pragmatische Lösungen. Es ist völlig klar, dass ein Schwerpunktkrankenhaus, das einen Versorgungsauftrag für fast halb Schleswig-Holstein hat, nicht mit einem Manko beginnen kann. Dort auf Schwangerschaftsabbrüche zu verzichten, würde auch bedeuten, dass die dort tätigen Ärzte für diese spezielle Aufgabe keine Ausbildung mehr erhalten würden.

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Was hätte das für Folgen?
Dr. Schmidt: Zu einer Schwangerschaftsunterbrechung gehört natürlich nicht nur, dass man den technischen Vorgang beherrscht. Sondern es gehört auch dazu, dass man es lernt, mit Patientinnen behutsam und empathisch umzugehen. Eine Umgebung zu schaffen, in der alles vertrauensvoll abgewickelt werden kann. Das können nur gynäkologische Praxen oder eine Klinik leisten in denen die Schwangerschaftsunterbrechung eine Leistung von vielen ist.

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Ein externes medizinisches Gesundheitszentrum ist also keine Lösung?
Dr. Schmidt: Die Frauen in eine Einrichtung zu schicken, die isoliert irgendwo aufgebaut wird, löst doch mit dieser Offensichtlichkeit eine kaum vermeidbare Stigmatisierung aus. Klar ist, wer da hingeht, hat eine Schwangerschaftsunterbrechung vor. Das geht, finde ich, gar nicht.

Dr. Ulrich Schroeder: Dieses Klinikum ist das drittgrößte in Schleswig-Holstein und versorgt mit der größten Frauenklinik den nördlichen Landesteil. Das Flensburger Klinikum wird ausschließlich durch zwei Geldgeber finanziert. Der eine Geldgeber ist das Land Schleswig-Holstein, der Gebäude und Einrichtungen finanziert. Der zweite sind die Krankenkassen, die alle Betriebskosten eines Krankenhauses bezahlen. Deshalb muss es im Interesse des Landes, der Krankenkassen und der Stadt sein, ihren Bürgern, Patienten und Versicherten das medizinisch bestmögliche Versorgungsangebot mit dem Neubau des Zentralklinikums zu verwirklichen. Hierbei dürfen ausschließlich medizinische Begründungen, nicht aber politische, religiöse, ideologische oder andere, die Mehrheit unserer Bürger diskriminierende Beweggründe eine Rolle spielen.


Wie könnte eine interne Lösung aussehen?
Dr. Schroeder: Man könnte sich vorstellen, dass in einem Krankenhaus einzelne Ressourcen an eigenständige Träger vermietet werden – so wie es in nahezu allen schleswig-holsteinischen radiologischen Krankenhausabteilungen gang und gäbe ist – so auch in der Diako. Dort arbeiten niedergelassene Ärzte in Eigenverantwortung mit eigenem Personal zu festgelegten Zeiten. Sie nutzen lediglich die von Steuergeldern finanzierten Räume und Geräte des Krankenhauses.

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Ich befürchte, das wird mit dem katholischen Träger nicht machbar sein.
Dr. Wrede: Wie das nun gesetzeskonform gemacht wird, diese Konzepte müssen die Beteiligten erarbeiten. Ich befürchte aber, das wird mit dem katholischen Träger nicht machbar sein. Es wird so keine befriedigende Lösung für alle geben. Und vor allen Dingen auch keine zukunftsträchtige. Wir machen das hier ja nicht für fünf oder zehn Jahre. Sondern es ist für 50 Jahre gedacht, mindestens. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass unter den Entwicklungen in der Gesellschaft und den Veränderungen, die da stattfinden – besonders auch in der katholischen Kirche – noch solche Trägerschaften eine Zukunft haben. Das wird die Gesellschaft nicht mehr tolerieren. Man muss wirklich in die letzte Konsequenz gehen und sagen: mit diesem Träger geht es nicht.

Dr. Schmidt: Ich würde das etwas abmildern und sagen: Entweder dieser Träger hat Einsicht, verzichtet auf seinen weltanschaulichen Vorbehalt und geht einen Schritt zurück. Oder er verzichtet auf die Beteiligung. Ich finde ein unter einer christlich humanen Handlungsmaxime geführtes Krankenhaus nach wie vor wünschenswert, auch in kirchlicher Trägerschaft. Nächstenliebe und Barmherzigkeit hören sich verstaubt an, sind aber in unserer egoistischen Gesellschaft brandaktuell. Nicht mehr aktuell ist dogmatische Enge.

Dr. Schroeder: Ich würde zusammenfassend ergänzen: Es ist Aufgabe des Landes, der Krankenkassen und der Stadt Flensburg, für ihre Patienten, Versicherten und Steuerzahler eine Voraussetzung zu schaffen, an einem so großen Versorgungszentrum die Versorgung zu bekommen, die alle anderen Patienten auch einfordern können – egal wo in Deutschland. Es muss dafür ein Kompromiss von diesen drei Gruppen erarbeitet werden. Das wichtigste ist die Versorgung der Bürger, hier oben im Einzugsraum von 500.000 Menschen.

Betrachtet man die Debatten um Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg vor gut 40 Jahren, kann die jetzige Situation nicht überraschend gekommen sein.
Dr. Schmidt: Für uns nicht.

Dr. Wrede: Wir haben 2017 mit unserem Vorschlag zum Neubau eines Zentralklinikums die Öffentlichkeit gesucht, weil die Landesregierung den beiden Trägern Millionenbeträge für eine ineffektive Sanierung am jetzigen Ort zugesichert hatte. Das war in der Vergangenheit so üblich, damit wurden die ewigen Konkurrenten in Flensburg ruhig gehalten. Nun zeigte aber die Höhe der benötigten Gelder, dass ein „Weiter so!“ irrwitzig wäre. In Erinnerung an die Probleme beim Neubau der städtischen Frauen- und Kinderklinik in den 80er Jahren kommt die jetzige Situation für uns – wie auch für alle Beteiligten – nicht überraschend. Schon damals haben die Malteser jegliche Beteiligung an Schwangerschaftsunterbrechungen abgelehnt.

Dr. Schmidt: Im Grunde genommen ist es so, dass die Tolerierung des Gebarens der Kirchen immer dazu geführt hat, dass notwendige Modernisierungen und Weiterentwicklungen verzögert oder verpasst worden sind. Schon 1989 nach Schließung der städtischen Klinik Ost wäre der Bau eines Zentralklinikums möglich gewesen. Immerhin ist es 2005 zu einer Kooperation der Krankenhäuser gekommen, deren Einrichtung mühsam genug war. Jetzt sind es wieder weltanschauliche Ansprüche, die dem Projekt den Stempel aufdrücken sollen. Wenn die Zeugen Jehovas sagen, in einem Krankenhaus darf aber kein Blut gegeben werden, weil der liebe Gott das so will, dann würden wir doch auch sagen: Hallo, wo sind wir denn? Aber die Einflüsse des Klerus sind immer noch so weitreichend, dass Politik und Verwaltung nicht den Mut haben, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben durchzusetzen. Der Katholizismus als Lehre hat mit diesem Krankenhaus doch überhaupt nichts mehr zu tun. Das ist ein Versorgungskrankenhaus für alle in dieser Region, unabhängig von Religion, politischem Bekenntnis Hautfarbe und Geschlecht. Wer das mit weltanschaulichen Vorbehalten einschränken möchte, muss sich den Vorwurf der Diskriminierung gefallen lassen. Der Gesetzgeber, die Administration, insbesondere das Sozialministerium SH, ist hier aufgerufen, seine Gesetze durchzusetzen und sich klar dazu zu bekennen, dass hier in Flensburg eine umfassende Krankenhausversorgung gewollt ist und zwar nach Grundsätzen, die sich aus der Sozialgesetzgebung ergeben und sonst nichts.

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