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Einen Tag „Low Budget“ auf Pellworm: Was kann man auf der Insel erleben?

Einen Tag „Low Budget“ auf Pellworm: Was kann man auf der Insel erleben?

Einen Tag „Low Budget“ auf Pellworm

Gyde Hansen/shz.de
Pellworm
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Leuchtturmführer Michael Harden ist auch im Shanty-Chor aktiv. Foto: Gyde Hansen/shz.de

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Mit einem kleinen Budget von nur 25 Euro sollte unsere Autorin Gyde Hansen Pellworm mal von einer anderen Seite kennenlernen. Am Ende hatte sie so viel zu tun, dass ihr die entschleunigende Wirkung der Insel fast entgangen wäre.

„Willkommen auf Pellworm“, begrüßt der Shuttle-Fahrer seine Gäste, die er vom Pellwormer Anleger nach Tammensiel bringt. Zum Glück kostenlos, denn mein Tagesbudget von 25 Euro darf ich heute nicht überschreiten, so die Vorgabe der Redaktion. Nach der Fährfahrt bringe ich noch ganze 10,80 Euro mit auf die Insel.

Auf der 40-minütigen Fährfahrt habe ich von einigen Gästen erfahren, dass sie für einen Tagesausflug nach Pellworm kommen, für eine Fahrradtour, einen entspannten Tag. Wie ich kommen viele ohne großen Plan.

Ein Ehepaar mittleren Alters traf ich auf dem Oberdeck. Sie kommen, um Verwandtschaft zu besuchen. Als ich von meinem Vorhaben erzählte, rieten sie mir zu einem Fahrrad. Einmal um die Insel seien es 28 Kilometer, zu weit zu Fuß.

An der Haltestelle beim Schwimmbad steige ich daher aus dem Shuttle und stehe ein paar Schritte weiter vor Momme von Holdt´s Fahrradverleih. Einige Minuten später bin ich acht Euro los und sitze dafür fest im Sattel. Mit verbleibenden 2,80 Euro zieht es mich zuerst zum Hafen.

Vor einer der Hafenbuden treffe ich die Hubers. Das Ehepaar kommt seit vielen Jahren aus Erlangen nach Pellworm. Es heiße ja „Pellworm immer oder nimmer“, erzählen sie. Ihnen gefalle die Ruhe und ihm schmecke das Pils, sagt Herr Huber. Hier am Hafen halten sie sich am liebsten auf.

Vom Hafen biege ich hinterm Deich in einen kleinen Wanderweg ein, der mich zum „Solar Café“ führt. Direkt an dem Solarfeld gelegen, das einst Europas Größtes war.

„Wie Bullerbü für Erwachsene“

Hinter der Theke steht hier Bettina Flügel. Vor neun Jahren wurde sie Pächterin des Solar Cafés, ließ ihr Leben als Versicherungskauffrau in Berlin mit 50 Jahren hinter sich. „Bei uns sind nicht die Kinder, sondern die Eltern Pflügge geworden“, sagt sie. Während eines Urlaubs erfuhr sie, dass das Café eine Nachfolge suchte. Vorerfahrung hatte sie in der Gastronomie bereits, eröffnete damals den ersten Pizza-Lieferservice in der Hauptstadt. Noch keinen Tag hätten sie und ihr Mann die Entscheidung bereut, hergezogen zu sein.

Nach einigen geradelten Minuten erreiche ich die Schulstraße und lande im Hofladen Thams. Hier gibt es seit 2019 regionales Bio-Obst und -Gemüse und Rindfleisch aus eigener Herstellung. Seit 2019 gibt es den Laden, erzählt Mitarbeiterin Britta. Von Beginn an arbeitet die Lüdenscheiderin hier. „Der Norden saugt einen auf“, sagt sie, als ich sie frage, was sie nach Pellworm führt. Man müsse sich nur darauf einlassen. 

Gemeinsam mit seinem Sohn entstand die Idee des Hofladens als zweites Standbein, erzählt Landwirt und Deichgraf Ernst August Thams. Den Hof hat er inzwischen an seinen Sohn übergeben.

Den Deichgraf sorgen die Wetterextreme

Als Deichgraf beschäftigt ihn momentan der Klimawandel: „In den letzten vierzig Jahren ist der Niedrigwasserstand um 23 Zentimeter gestiegen“, so Thams, dessen Aufgabe die Entwässerung der Insel ist. Durch die höhere Tide verringert sich das Zeitfenster dafür. Zunehmende extreme Nass- und Trockenphasen könnten das Problem noch verschlimmern, sagt er.

Seit 600 Jahren leben die Thams auf der Insel. Der Landwirt ist überzeugt, dass das Leben auf Pellworm ein Privileg ist. Er erzählt, dass viele junge Leute nach den Jahren der Ausbildung auf dem Festland zurückkommen wollen. Je früher sie gehen, desto eher wollten sie zurück, so seine Erfahrung. Das Problem: Auf der Insel einen Job finden. Thams Sohn studierte Landwirtschaft, verbrachte einige Zeit im Ausland und kam zurück.

Noah von Holdt, den ich bereits beim Fahrradverleih traf, ist ebenfalls einer von denen, die zurückkamen. Zwei Jahre lang war er für eine Ausbildung zum Bootsbauer am Bodensee. Nun ist er in der dritten Saison zurück im Familienbetrieb auf Pellworm. Er kann sich vorstellen, zu bleiben.

Schließlich komme ich am „Holzwürmchen“ vorbei. Vor dem Laden schmücken diverse Figuren aus Holz und Ton den Hof und wecken meine Neugier. Direkt gegenüber entdecke ich Anja Harrsens Galerie. Seit 2019 stellt sie in einer einstigen Melkkammer ihre eigenen Bilder aus.

Restgeld für eine Kugel Eis

Nun aber schleunigst zum Leuchtturm, bevor ich den Heimweg antreten muss. Dort komme ich am Eiswagen vorbei. Eismann Ralf Siegelmann sah man vor wenigen Jahren noch als Reporter vor der Kamera stehen. Nun produziert er sein eigenes Eis und düst mit seinem Eiswagen über die Insel. Für eine Kugel Rosen-Eis, angelehnt an die Pellwormer Rosentage, lege ich 1,50 Euro auf die Theke und lasse es mir schmecken.

Siegelmann hat die Pandemie den Anstoß gegeben, Branche und Wohnort zu wechseln. Gemeinsam mit seiner Frau kam er her, kaufte einen Reet-Hof und legte sich einen Wolfshund zu. „Sowas wäre in der Stadt unmöglich gewesen“, sagt er.

Weit weg von Hektik, Stau und Fluglärm

Am Leuchtturm treffe ich schließlich Leuchtturmführer Michael Harden, dem ich zu Beginn meines Ausfluges im Solar Café über den Weg lief. Eine Führung gab mein Budget heute nicht her, aber kurz hat er für mich Zeit. 

Mit vier weiteren Kollegen gibt er den Gästen dreiviertelstündige Touren auf den Leuchtturm. Bis zu sechs Mal am Tag geht er die 158 Stufen hoch und runter. Vor zwei Jahren kam er als Rentner nach Pellworm. Er entfloh der Hektik, dem Stau und dem Fluglärm seiner damaligen Heimat. Neben den Führungen versucht er, sich bestmöglich in die Inselgemeinschaft zu integrieren. Er ist im Boule-Club, dem Shanty-Chor, spielt häufig Skat und hilft in der Nachmittagsbetreuung der Schule. Bald wird er außerdem vielleicht einer der Sternenführer der Insel sein. Denn Pellworm gehört zu den dunkelsten Orten Deutschlands, sodass man hier besonders gut Sterne beobachten kann. 

Selbstversuch geglückt

Mit den verbleibenden 1,30 Euro lasse ich mich auf die Sitzbank der letzten Fähre zum Festland fallen und stelle fest: Mit 25 Euro lässt sich ein Tag auf Pellworm locker füllen. Den ein oder anderen Euro hätte ich ohne das Budgetlimit mit Sicherheit in einem der Cafés ausgegeben und zu gern wäre ich auf den Leuchtturm gegangen. Pellworm hat sich für mich jedenfalls noch nicht auserzählt.

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