Sanierungsgebiet in Flensburg

Facelift für die Neustadt: 480 Wohnungen, gesunder Kiosk und Fördepromenade

480 Wohnungen, gesunder Kiosk und Fördepromenade

480 Wohnungen, gesunder Kiosk und Fördepromenade

SHZ
Flensburg
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Das Schwarzenbachtal in der Neustadt: Hier sollen etwa 480 Wohnungen entstehen. Foto: Michael Staudt

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Der Stadtteil ist seit mehr als 20 Jahren Sanierungsgebiet. Demnächst werden neue Wege gebaut – darunter eine Fördepromenade.

Etwas einsam steht der blaue Bagger in dem wüstenartigen Gebiet. Die Baustelle steht still. Mitten zwischen Mehrfamilienhäusern, einem wuchtigen ehemaligen Kasernen-Altbau und einem Spielplatz klafft die Lücke in der Flensburger Neustadt. Etwa 480 Wohnungen sollen hier im Schwarzenbachtal, zwischen dem Junkerhohlweg, der Harrisleer Straße und der Straße Neustadt, entstehen. Das Fundament des alten Aldi-Marktes ist noch da, ein artesischer Brunnen blubbert. Ansonsten ist nichts mehr zu erahnen von dem, was hier vorher war.

Etwa 50 Flurstücke wurden dafür von einer Reihe von Eigentümern aufgekauft, erklärt Maike Waischnor, Stadtplanerin beim Sanierungsträger Ihrsan. Ein Dienstleistungszentrum der Bundeswehr und gewerblich genutzte Flächen waren hier vor allem. Etwa zehn Jahre hat die Stadt so das notwendige Areal zusammengeklaubt und die Gebäude darauf abgerissen.


Vom „blinden Fleck“ zum Wohnraum

„3,5 Millionen Euro haben allein die Abrisse gekostet“, erklärt Ihrsan-Geschäftsführer Markus Pahl. Nun kommen noch einige unterirdische Reste weg – Rohre vor allem – und ein Gebäude, das derzeit noch einen Hang stabilisiert. Voraussichtlich im kommenden Jahr sind Wege für das neue Wohnquartier Schwarzenbachtal dran – für noch einmal 5,5 Millionen Euro. Zehn Prozent der Kosten muss die Stadt tragen, den Rest teilen sich Land und Bund.

Den neuen Wohnraum auf dem wüsten Areal gestikuliert Pahl wie eine Fata Morgana herbei: Hier die Mehrfamilienhäuser, da ein zukünftiger Fußweg den Hang hoch zum Spielplatz – und an der Seite noch eine Sackgasse, der neue Herbert Marxen Weg. „Das Areal war bisher wie ein blinder Fleck und hatte keine Durchgangsmöglichkeiten“, sagt Pahl. Nun aber werde der Spielplatz Schwarzental von der Straße Neustadt aus besser erreichbar. Auch die Leitungen kommen neu: Als erstes Quartier in Flensburg soll Schwarzenbachtal seine Wärme aus dem Rücklauf der Fernwärmeleitungen beziehen. Das soll es klimafreundlicher machen.

Mit der Erschließung können auch die Bauanträge gestellt werden. Wann die erste Familie einziehen wird, kann Pahl aber nicht sagen. „Das hängt von den Investoren ab“, sagt er. Der Experte schätzt, dass die Wohnungen nicht alle zeitgleich auf den Markt kommen sollen.


Wohnraum für 1500 Personen

Schlussendlich, so die Pläne des Ihrsan-Chefs, könnte Flensburg mitten in der Neustadt in einem Radius von 400 Metern Wohnraum für 1500 Personen schaffen. Eine Entlastung für den Flensburger Wohnungsmarkt, vor allem im günstigeren Segment und bei Sozialwohnungen. „Wir können nur noch nach innen wachsen, nach außen geht es nicht mehr“, sagt Pahl.

Die Neustadt ist eines der Gebiete, wo die Stadt wachsen soll – obwohl die Wohndichte schon relativ hoch ist und auch soziale Spannungen bietet. Seit mehr als 20 Jahren ist das Viertel Sanierungsgebiet. Seitdem wird – mal mehr mal weniger schnell – daran gearbeitet. „Die Neustadt bekommt ein neues Gesicht, aber der Charakter bleibt“, sagt Pahl. „Das Lebendige und Urbane.“


Diesen künstlichen Eingriff der Stadt scheint das Viertel nötig zu haben. Denn ein Teil der hier ansässigen verarbeitenden Industrie hielt sich nicht mehr und hinterließ Gewerbebrachen. Menschen verloren ihre Jobs, in viele Mehrfamilienhäuser wurde nicht weiter investiert. Der Zustand einiger Wohnhäuser lässt sich in wohlwollender Maklersprache als „Handwerkertraum“ bezeichnen.

Dabei war Flensburg einst an der Neustadt gewachsen, sie brachte lange Platz für industriellen Aufschwung und Wohnungen für die Arbeiter. Denn als der Wohnraum in Flensburg vor 225 Jahren zu teuer wurde, wurde Land vor dem Nordertor freigegeben. In diese Neustadt zogen viele Handwerker – und Unternehmer, die Flensburg wirtschaftlich voran brachten. Die Neustadt war das größte Industrieviertel des Landesteils.

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Spürbarer Wandel

An mehreren Orten ist er aber wieder sichtbar, der Wandel der Neustadt zurück in einen Stadtteil für Wachstum und neue Ideen. Allem voran entstand in der Walzenmühle ein Dienstleistungszentrum mit beliebter Gastronomie. Zwei Supermärkte haben bereits einen neuen Standort bekommen. Mit dem Galwik-Park entstand im Jahr 2008 ein grüner Rückzugsort mit Spielplatz und der Vorzeige-Skateanlage am Schlachthof, die demnächst nochmal erweitert werden soll. Kürzlich wurde die neue Ramsharde-Grundschule eröffnet – entsprechend groß dimensioniert für neue Neustadt-Familien.

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Gesunder Kiosk am Spielplatz

Neben dem neuen Wohnquartier plant Ihrsan entsprechend einen Umbau am Spielplatz Schwarzental: Neue Spielgeräte und eine Toilettenanlage sollen aufgebaut werden. „Und die Anwohner haben sich einen ,gesunden Kiosk' gewünscht“, sagt Pahl. Kein Zuckerzeug soll dort verkauft werden sondern gesunde Snacks. Praktisch, dass eine neue Kochschule in das Alte Zeughaus gezogen ist. Betreiberin Anne Bieback möchte die Kiosk-Idee mit dem Jugendaufbauwerk und Schutzengel umsetzen, erklärt Pahl.



Ein weiterer Wunsch der Bewohner ist im Dezember dran: Nach etwa 15 Jahren ist nun alles vorbereitet. Die Fördepromenade kann nach langwierigen Abbruchs- und Vorbereitungsarbeiten – inklusive umplumpsender Bagger – endlich gebaut werden. Vor den Industriebauten entlang verlängert sie dann die Flaniermeile am Wasser bis hin zum Galwikpark.

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Zukünftig soll noch ein weiteres Wohnquartier entstehen: Gegenüber der Walzenmühle, dort, wo derzeit vor dem Edeka-Leerstand Blumen durch die Fugen im Parkplatz-Belag wachsen, sollen Wohnungen, Cafés, eine Drogerie und ein „Quartiersplatz“ das Viertel attraktiver machen.

Doch nicht nur Ihrsan krempelt den Stadtteil um. Das Sanitär-Unternehmen Hans Sack hat sein historisches Gebäude – eine ehemalige Murmelfabrik – in strahlendem Weiß renoviert. „Dieses Gebäude hat man vorher kaum bemerkt“, sagt Waischnor. Auch das Alte Zeughaus an der Harrisleer Straße wurde saniert. Und im ehemaligen Sultanmarkt an der Neustadt schafft die „Kunst- und Kulturbaustelle 8001“ derzeit ein Zentrum für Künstlerinnen und Künstler – und will so die „Transformation durch Kultur“ in die Neustadt bringen. Schließlich sind Kulturschaffende meist diejenigen, die maßgeblich zum Wandel eines vernachlässigten Stadtteil beitragen.

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Auch die kreative Szene aus der Norderstraße könnte so angelockt werden. Ein Tierbild der in Flensburg weithin bekannten unbekannten Katzenmalerin ist auch schon angebracht auf dem weißen Stadtteilhaus am Anfang der Neustadt. Ein Roter Panda. Mit Farbeimer und Pinsel.

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