Erziehung

Fachkräftemangel, zu wenig Plätze, Ukraine-Krieg: Kitas vor Herausforderungen

Fachkräftemangel, zu wenig Plätze, Ukraine-Krieg: Kitas vor Herausforderungen

Kitas vor Herausforderungen

Annika Jensen/shz.de
Husum
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Foto: Monika Skolimowska/dpa/shz.de

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Kaum Fachkräfte, fehlende Kita-Plätze und Kinder mit Flucht- und Kriegserfahrung: Nordfrieslands Kitas stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen.

Die Krise im Kita-Bereich des Landkreises Nordfriesland hält unvermindert an. Zu wenige Betreuungsplätze und Mangel an Fachkräften sind die beiden Hauptprobleme. Wobei die zu kleine Zahl an Kita-Plätzen durch den Fachkräftemangel bedingt ist. Das hat auch der Landkreis erkannt. In der vergangenen Woche hat er Vertreter von Kita-Trägern, Familienzentren, Parteien und weitere Verantwortliche zu einem Austausch über die bestehenden Problemen eingeladen.

Eine genaue Zahl, wie viele Kinder derzeit ohne Platz sind, obwohl sie Anspruch darauf haben, kann der Kreis auf Anfrage von shz.de aber nicht geben. Die Zahl sei „nicht erfassbar, weil sich immer wieder kurzfristige Änderungen ergeben“, so Kreissprecher Hans-Martin Slopianka. Fest steht: Im Jahr 2022 liegt die Nachfrage bei den Betreuungsplätzen für drei- bis sechs-jährige Kinder bei rund 122 Prozent. Wobei hierin auch Nachfragen aus Nachbarkreisen enthalten sind.

Zur angespannten Lage kommt hinzu: Die Betreuung ukrainischer Kinder. Die sind zahlenmäßig in den nordfriesischen Kitas noch sehr wenig vertreten. So werden zum Beispiel beim Kinderschutzbund Nordfriesland, der in Husum sieben Einrichtungen betreibt, derzeit zwei Kinder aus der Ukraine von Ehrenamtlern betreut, aber noch keine Gruppe.

Im evangelischen Kirchenkreis, der für 45 Kitas im Landkreis zuständig ist, sind es rund fünf Kinder aus der Ukraine. Der Landkreis betont: „Die Weltsituation um die Ukraine und Russland hat die Lage verschärft, war jedoch nicht der Auslöser für den Kita-Platzmangel. Es fehlten vor dem Ukraine-Krieg schon Plätze für Kinder im Alter von 0–6 Jahren.“

Ukrainische Kinder unterstützen

Christian Kohnke, Leiter des Kitawerkes, das 33 der 45 Kitas des evangelischen Kirchenkreises betreibt, geht davon aus, dass die Nachfragen nach Kita-Plätzen durch ukrainische Familien zunehmen werden. „Darauf bereiten wir uns gerade vor.“ Petra Neumann von der Kitafachberatung des Kirchenkreises weiß schon jetzt, was die größte Herausforderung in der Betreuung der Kinder aus der Ukraine sein wird. „Nicht die Sprache. Die lernen sie sehr schnell“, sagt sie. „Sondern, mit den Kindern, die Flucht- und teilweise traumatische Kriegserfahrung haben sammeln müssen, sensibel umzugehen.“

Den Kindern in dieser Situation empathisch zu begegnen, ihre Sorgen und Ängste wahrzunehmen, ihnen Hilfestellungen zu geben und Trost zu spenden, „und das alles unter der Prämisse einer angespannten Personaldecke, das ist eine große Herausforderung“, sagt Petra Neumann.

Eine genaue Zahl der derzeit im Kreis fehlenden Erzieher und Sozialpädagogischen Assistenten konnte Kreissprecher Hans-Martin Slopianka auf Nachfrage nicht nennen. Allerdings habe der Kreis im Jahr 2021 eine Abfrage unter den Einrichtungen durchgeführt. „Es stellte sich heraus, dass circa 70 Vollzeitkräfte fehlten. Dies war jedoch nur eine Momentaufnahme und muss nicht dem jetzigen Stand entsprechen.“

Der Fachkräftemangel sorgt im Alltag der Kitas, Krippen und Horts für vielerlei Belastung. „Er bedeutet, dass wir keine Stellen nachbesetzen können“, sagt Gregor Crone, Geschäftsführer des Kinderschutzbundes. „Letztendlich können wir die Anforderungen des Kitagesetzes dann nicht immer erfüllen. Und eigentlich müssten wir dann Gruppen schließen, aber das will keiner.“ Konsequenz sei, dass die Mitarbeiter Überstunden machen und Gruppen zusammengelegt werden, so Crone.

Erzieher-Ausbildung unattraktiv

Er erklärt sich den Fachkräftemangel zum einen dadurch, dass die Erzieher im Durchschnitt lediglich sieben Jahre in ihrem Beruf arbeiten. Und zum anderen würden keine neuen Fachkräfte nachkommen, weil es dem Land Schleswig-Holstein noch immer nicht gelungen sei, die Ausbildung attraktiver zu gestalten. „Die Ausbildung wird nicht bezahlt und dauert fünf Jahre“, so Crone. „Und anders als in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, laufen Quereinsteiger-Programme hier im Land nur sehr langsam an.“

Die 45 Kitas des evangelischen Kirchenkreises Nordfriesland bekommen den Fachkräftemangel ebenfalls zu spüren. Auch, weil derzeit immer wieder viele Mitarbeiter wegen einer Coronainfektion ausfallen. Leicht auffangen lassen sich diese Ausfälle nicht. „Wir müssen oft unsere Dienstpläne umschreiben und das manchmal sehr kurzfristig“, sagt Petra Neumann. Gruppen müssen zusammengelegt werden, Kollegen einspringen. „Das geht mal eine Zeitlang, aber nicht auf Dauer.“

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