Bauarbeiten für Beltquerung

Fehmarnbelt: Eine eigene Fabrik für die Tunnel-Baustelle

Fehmarnbelt: Eine eigene Fabrik für die Tunnel-Baustelle

Fehmarnbelt: Eine eigene Fabrik für die Tunnel-Baustelle

SHZ
Rödbyhavn/Puttgarden
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In Rödbyhavn entsteht aktuell die Fabrik in der die 89 Tunnelelemente gefertigt und dann direkt in die Ostsee geschoben werden. Bei guter Sicht ist die erste Halle schon von deutscher Seite zu erahnen. Foto: Michael Staudt/shz.de

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In Rødbyhavn entstehen gerade die Hallen, in der 89 Tunnelelemente für den Fehmarnbelt gefertigt und dann direkt in die Ostsee geschoben werden. In sieben Jahren soll die Querung fertig sein.

Wer Superlative mag, ist hier richtig: Zwischen Fehmarn und der dänischen Insel Lolland soll bis zum Sommer 2029 der weltweit längste kombinierte Straßen- und Eisenbahntunnel unter Wasser entstehen. Zugleich soll er der längste Absenktunnel der Welt sein. Er wird zusammengesetzt aus 89 jeweils 217 Meter langen und 40 Meter breiten Röhren, die direkt aus der Tunnelelementefabrik in Rødbyhavn in die Ostsee geschoben und am Boden des Fehmarnbelts verbunden werden. 2024 sollen die ersten Elemente ausschwimmen.

Der Graben für den Belttunnel wird gerade von Schwimmbaggern wie Magnor ausgehoben. Magnor, mit 72 Metern Länge und 20 Metern Breite der größte Schwimmbagger der Welt, ist hier seit November im Einsatz. Oder der Grund wird von Laderaumsaugbaggern wie Vox Amalia vom Meeresboden der künftigen Tunneltrasse abgesaugt und durch ein Rohr in den Laderaum im Schiff gepumpt.

Auch mit Tunnel soll der Belt für die Schifffahrt nicht noch flacher werden – und über die Röhrenelemente kommen am Ende nochmal anderthalb Meter Meeresboden. Seit September existiert Baurecht am Fehmarnbelt – auf deutscher Seite. Auf dänischer Seite darf schon seit 2015 gebaut werden.

Das ausgesaugte und ausgebaggerte Material muss gar nicht weit transportiert werden. Es wird für die Landgewinnungsflächen für den künftigen Arbeitshafen der Tunnelelementefabrik in Rødbyhavn gebaucht. Um rund 300 Hektar soll Lollands Küste wachsen. Es entsteht eine völlig neue Deichlinie auf der Ostseite, und ein exklusiver Badestrand mit Lagune im Westen.

Mindestens 40 bis 50 Schiffe sind im Auftrag des Bauherrn Fehmern A/S im Belt im Einsatz, zuweilen auch bis zu 70: Neben den schwimmenden Baggern gehören Transport- und Inspektionsschiffe dazu und eigene große Schlepper, mit denen eben mal ein Havarist weggezogen werden kann.

Das Bauherrenzentrum von Fehmern A/S ist in einem früheren Hotel in Rødbyhavn untergebracht – was den praktische Vorzug hat, dass über den Büro- und Konferenzräumen des Headquarters auch noch zig Überachtungsmöglichkeiten in Hotelzimmern bestehen.

Im Vergleich zu den 1300 Bauarbeiterunterkünften direkt auf der zwei Kilometer langen landseitigen Baustelle fallen diese allerdings kaum ins Gewicht. Und wenn die Baustelle erst richtig auf Touren gekommen ist, dürften hier mindestens doppelt so viele Beschäftigte arbeiten. Die meisten von ihnen kommen aus Dänemark und Polen.

Deutschland-Direktor Lars Friis Cornett von Fermern A/S zeigt Besuchern eine Karte von Nordeuropa. Die Große-Belt-Brücke (1997/98) und die Öresund-Verbindung (2000) halt er eingekreist, und eben den Fehmarnbelt: „Das ist der logische fehlende Lückenschluss für den skandinavisch-mediterranen Korridor von Helsinki bis Palermo“, sagt Friis Cornett. Spatenstich auf Lolland im Januar 2021, Start mit dem Aushub im Juli, Spatenstich auf Fehmarn vergangenen November – das Jahr 2021 hat den Dänen die Zuversicht in das lange stockende Großprojekt zurückgegeben.

Für den deutschen Chef-Ingenieur Gerhard Cordes soll sich mit der Arbeit ein Kreis schließen: „Ich habe 1991 bei Bilfinger-Berger in Hamburg an dem Projekt gearbeitet, und 30 Jahre später darf ich es bauen.“ Zwei Röhren für die Bahn und zwei für die Straße entstehen, die innerhalb von sieben beziehungsweise zehn Minuten die knapp 18 Kilometer ins Nachbarland überbrücken sollen.

Östlich des Fährhafens wächst gerade die Fabrik, aus in der in zwei Jahren die ersten fertigen Tunnelelemente kommen sollen. 79 Standard- und zehn Spezial-Elemente sind vorgesehen, erläutert Cordes. Wobei ein Tunnelstück von 217 Metern Länge, 40 Metern Breite und zehn Metern Tiefe nur insofern „Standard“ sein soll, dass jedes identisch geplant ist. Jede einzelne Zahl, die Cordes nennt, lässt seine Gäste staunen. 273.000 Tonnen wird das einzelne Tunnelstück wiegen, soviel wie 14.000 Elefanten.

Die Spezialelemente werden lediglich 39 Meter lang und in Kellern darunter Technikräume für die Wartung haben und Zugang zu allen Röhren. Die Tunnelabschnitte sollen unter einheitlichen klimatischen Bedingungen gefertigt werden: „Wir betonieren alles aus einem Guss, um mögliche Risse im Beton zu vermeiden“, sagt der Chef-Ingenieur.

Schließlich sollen die fertigen Elemente verschoben und in einem automatisierten Prozess in die Ostsee ausgeschwommen werden. Dafür brauche man viel Erfahrung: „Eine sehr spannende Aufgabe.“ Vor allem wenn die Elemente ins Wasser hinabgeschoben werden, müssten Risse vermieden werden. Erste Tests sollen Anfang Mai beginnen. Sind die Arbeitsschritte richtig? Wie verhält sich der Beton? Allein 39 Tage soll es dauern, bis ein Tunnelelement durchhärtet.

Das ist aber noch Zukunftsmusik. Die Gegenwart zeigt eine gigantische Baustelle, auf der nicht nur das schwarze Stahlskelett der erste Fertigungshalle schon steht. Auf der kompletten Festlandsbaustelle stehen Kräne, Betonanlagen, bringen Lastwagen Material. Möglichst viel soll über den Hafen zugeliefert werden.

Es ist eine Baustelle, auf der soviel in Bewegung ist, dass sie derzeit alle zwei, drei Wochen ihr Gesicht komplett ändern kann. Auf einer eigenen Flächen sollen zunächst drei Testelemente gebaut werden, eine Röhre mit einem Stück Bahntunnel, eine halbe für Straße. Nichts will Fehmern A/S dem Zufall überlassen.

Als mit am kompliziertesten an der gesamten Baustelle gilt das Portal zum Tunnel. Die Rampe wird rund 2,5 Kilometer lang, da die Züge nicht mehr als ein Prozent Steigung fahren können.

In den kommenden sieben Jahren werden hier unvorstellbare Mengen an Material gebraucht. 700 Türen werden insgesamt benötigt, für die Autoröhren allein 230 Hektar Fliesen. Und die Stahlmenge, die hier zum Einsatz kommt, entspricht der Jahresproduktion eines deutschen Stahlwerks. Natürlich gibt es auch schon Probleme mit Produzenten. Lieferanten müssen Verträge kündigen, weil Materialien weltweit nicht lieferbar sind – es soll Preissprünge geben wie zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg.

Östlich des Fährhafens Puttgarden auf deutscher Seite wird seit Ende 2021 ebenfalls gebaggert. Der Umfang der Baustelle und die Landgewinnungsflächen im Hafenbereich sind mit 15 Hektar bescheiden, rund ein Zwanzigstel im Vergleich zur dänischen Seite.

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