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Flensburger Ärztin organisiert Adventsessen für Obdachlose

Flensburger Ärztin organisiert Adventsessen für Obdachlose

Flensburger Ärztin organisiert Adventsessen für Obdachlose

SHZ
Flensburg
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Dr. Anja Erben bringt Marc Brückmann eine Gänsekeule an den Tisch. Foto: Marcus Dewanger / SHZ

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Die Flensburger Ärztin Dr. Anja Erben richtet zum siebten Mal ein Adventsessen für bedürftige und obdachlose Menschen aus.

„Seit zwei Jahren habe ich keinen Spargel mehr gegessen“, sagt Marc Brückmann, während er seine dampfende Spargelcrèmesuppe genießt. Seine Tischnachbarn Frank und Lars (Namen geändert) einigen sich darauf: Es ist die beste Spargelsuppe, die sie je gegessen haben. Und das ist erst die Vorspeise. Gänsekeule mit Rosenkohl kommt als nächstes und schließlich ein Dessert.

Die Flensburger Ärztin Dr. Anja Erben hat in diesem Jahr zum siebten Mal ein Weihnachtsessen im Advent für bedürftige und obdachlose Menschen organisiert. Die Diabetologin sammelt jedes Jahr Spenden und lädt dann zum Festschmaus mit Gans ein. Mehr als 40 Menschen sind in diesem Jahr in der Kantine im Rathaus dabei, mehrere von ihnen aus der Obdachlosenunterkunft – 34 Männer und drei Frauen wohnen derzeit im Wilhelminental. Andere haben über die Hilfseinrichtung im Johanniskirchhof vom Adventsessen erfahren.

Weiterlesen: Unter Coronaregeln: Flensburger Ärztin richtet Adventsessen für Obdachlose aus

Impfungen vor dem Festessen

Das Essen findet in diesem Jahr unter 2G-Bedingungen statt. „Zuerst habe ich mich geärgert“, sagt Dr. Erben. „Denn den ganzen Tag über ist hier sonst 3G.“ Schließlich gelten im Rathaus die Bedingungen für Arbeitsplätze. Doch dann stellte sie fest: Viele der Bewohner sind geimpft – und sieben einfach geimpfte Bewohner immunisierte Erben vor zwei Wochen, so dass auch sie dabei sein und Festtagsstimmung genießen können.

Ein Weihnachtsessen in der Familie haben Marc Brückmann und seine Tischnachbarn nicht. Für sie sind das Adventsessen und eine Weihnachtsfeier im Johanniskirchhof die wenigen Gelegenheiten. Brückmann wohnt seit vier Monaten im Hostel an der Exe und hat Probleme, eine Wohnung zu finden. Seine letzte Wohnung habe er wegen Schimmel aufgegeben, außerdem musste er für ein halbes Jahr in Haft, berichtet der Flensburger. Nun sei es besonders schwierig, wieder Fuß zu fassen. „Die Wohnungen auf dem Markt sind einfach zu groß und zu teuer“, sagt der 49-Jährige.

Sein Tischnachbar Frank bereitet sich seine Mahlzeiten normalerweise auf dem Kocher zu. „Ich wohne in einem verlassenen Schrebergarten“, sagt er. „Ohne Strom.“ Wo genau mag er nicht verraten, denn es gab auch schon Ärger mit Jugendlichen, berichtet der 57-Jährige. Er sei seit einem Jahr obdachlos, seine damalige Freundin habe ihn rausgeworfen, als er arbeitslos wurde. „Ich war Zeitarbeiter“, sagt Frank. „Die wollten mich gern behalten, aber ich wurde nicht übernommen – wegen Corona.“

Spenden von Patienten

Für Lars ist zumindest die Zeit der Wohnungsnot vorbei. „Ich habe eine Wohnung über die Einzelfallhilfe gefunden“, empfiehlt er Marc Brückmann. „Selbst für Gesunde ist es auf dem Wohnungsmarkt schwierig.“ Noch problematischer sei es, wenn „so ein bisschen Alkoholismus“, hinzukomme. Er ist sich sicher: Wenn man erstmal eine Wohnung hat, dann funktioniert das andere auch.

Marc Brückmann ist da optimistisch. „Viele lassen sich hängen“, sagt er. „Aber man muss es erstmal nehmen wie es ist.“ Wichtig sei, dass man seine Chancen bekomme. „Wenn man obdachlos ist“, sagt er, „dann wird man manchmal so angeguckt.“

Mehr Respekt und Wärme in der Gesellschaft möchte Dr. Anja Erben daher mit ihrer Aktion für Bedürftige schaffen. „Ausschlaggebend war eine Afrikareise“, sagt die Ärztin. „Da hab ich gemerkt, wie gut es mir geht.“ Und weil der SBV in diesem Jahr das Adventsessen mit einer Spende über 1000 Euro unterstützt, kann Erben sogar noch einen Scheck über 1400 Euro für die Bedürftigen mitgeben – eine Summe die das Jahr über in ihrer Praxis gesammelt wurde.

„Diese Aktion ist wichtig in der Weihnachtszeit“, sagt Brigitte Pristat vom Ausbildungsverbund Flensburg, die die Bewohner im Wilhelminental unterstützt. „Viele sind allein oder mit ihren Familien zerstritten. Und es ist ein schönes Gefühl, wenn sie wissen, dass die Leute an sie denken.“

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