Schleswig-Holstein

Flensburger Drogenberater warnen vor der Legalisierung von Cannabis

Flensburger Drogenberater warnen vor der Legalisierung von Cannabis

Drogenberater warnen vor der Legalisierung von Cannabis

Antje Walther
Flensburg/Flensborg
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Moritz Krockauer (links) und Nicolai Altmark haben beide früher mal in der Jugendhilfe gearbeitet. Foto: Marcus Dewanger

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Nicolai Altmark und Moritz Krockauer von der Sucht- und Drogenberatungsstelle setzen bei jungen Leuten auf Prävention. Cannabis muss man mit Blick auf die Jugend anders bewerten als für Erwachsene.

Vor der Corona-Ära sind die Sucht- und Drogenberater aus dem Südergraben mit rund 140 Präventionsveranstaltungen pro Jahr in die Schulen gegangen. Bei der ausgebuchten Präventionsmesse mit über 30 regionalen Einrichtungen auf dem Sandberg im November erreichten die Experten mehr als 1200 Siebt- und Achtklässler.

Sucht- und Drogenberatungsstelle im Lutherhaus im Südergraben

Seit die Pandemie es wieder erlaubt, kommen die Berater wieder auf immerhin rund 90 Veranstaltungen, sagt Nicolai Altmark. Er leitet die Sucht- und Drogenberatung im Lutherhaus in der Flensburger Innenstadt seit elf Jahren und zählt jährlich 900 Beratungsprozesse. Eine der größten Gruppen in der Beratung bildeten die Menschen mit einem Alkoholproblem, beobachtet Altmark. Zwar noch selten, aber verhältnismäßig stark gestiegen in letzter Zeit seien die Beratungen zu Kokain und Amphetaminen.

Für Kinder und Jugendliche legt die Einrichtung indes den Schwerpunkt auf die Prävention. Nicolai Altmark stellt fest, dass die Bereitschaft der Schulen „erheblich gestiegen“ ist, sich darauf einzulassen. Das mag auch daran liegen, dass Prävention ganz anders als noch vor Jahrzehnten vermittelt wird.

Individueller Kompetenzerwerb statt Abschreckung

Abschreckung ist out. Aufklärung setzt heute nicht nur auf den „persönlichen Kompetenzerwerb“, sondern auch auf zeitgemäße Mittel wie beispielsweise Actionbounds, also digitale Schnitzeljagden. Der Actionbound zu Cannabis für Schüler ab Klasse acht heißt zum Beispiel „Freaky Friday“. Er schickt die Kinder mit kostenloser App durchs Stadtgebiet; nach den drei Schulstunden wird das Ganze mit den Fachleuten zusammen ausgewertet.

Den Cannabis-Parcours mit sechs Stationen hat die Landesstelle entwickelt, sagt Moritz Krockauer von der Sucht- und Drogenberatungsstelle Flensburg. Auch heikle Fragen wie zur Loyalität gehörten dazu, erklärt er. Was sei zum Beispiel zu tun, wenn der große Bruder konsumiere. Krockauer sagt, dass es da kein Ja oder Nein, kein Richtig oder Falsch gebe. Nicolai Altmark fügt hinzu, dass es auf allen Ebenen der Arbeit immer um den „Beziehungsaufbau“ gehe.

Gefahr von Psychosen durch Cannabis

Bei der Debatte um die Legalisierung oder Entkriminalisierung von Cannabis lenkt Altmark das Augenmerk auf die jungen Menschen unter 21. Cannabis könne Psychosen induzieren, sagt er. „Das sehen wir Profis als Hauptgefahr.“ Ein früher Konsum von Substanzen wie THC, also Tetrahydrocannabinol, könne umso eher zu einer chronischen Sucht führen. Der Experte weist auf das jugendliche Gehirn hin, das Schaden nehmen kann. Aus professioneller Perspektive empfinde er beim Thema Legalisierung deshalb ein Unbehagen, räumt der Leiter der Flensburger Beratungsstelle ein.

Ende Oktober hatte das Bundeskabinett einem Eckpunktepapier aus der Feder des Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) zur Legalisierung von Cannabis zugestimmt. Die Konkretisierung hin zum Gesetzesentwurf hängt nun davon ab, ob die EU rechtliche Einwände erhebt oder nicht. Bislang sind Besitz, Handel und Anbau von Cannabis strafbar, der Konsum nicht. Durch die diskutierte Freigabe sollen Abgabe und Konsum besser zu kontrollieren sein, hoffen die Koalitionspartner.

Nicolai Altmark treibt die Frage um, warum eine Gesellschaft überhaupt immer mehr Substanzen brauche. „Wegen der Belastungen, die man ohne Kiffen nicht mehr aushält?“, fragt er provokant. Der 57-Jährige erinnert sich noch an Zeiten, wo Mitschüler mit einem Einser-Abitur mindestens zur Schul-Legende avancierten. Würde man den Druck nehmen und wäre Schule weniger von Leistungsdruck geprägt, könnte man etwas verändern.

Gründe für Drogenkonsum: „Ein super schöner Tag?“

Belastungsfaktoren und Stress seien im Schulbereich ein großes Thema, bestätigt Moritz Krockauer. Auch im Parcours werde das Thema aufgegriffen und werde nach Gründen für den Konsum der Droge gefragt. Der Wunsch, „sich zu entziehen, zu entfliehen“, würden oft genannt. „Die wenigsten geben an, ich konsumiere, weil ich einen super schönen Tag hatte“, berichtet der 35-jährige Berater und sorgt dann oft für einen Aha-Effekt bei den jungen Leuten. Auch deshalb sei dieser erste Schritt, „so wichtig, dass sie mit Profis ins Gespräch kommen“, schlussfolgert er.

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