Ansturm auf die Boosterimpfung

Flensburgs Ärzte sauer über Impfchaos: „Diesen Kasperkram machen wir nicht mit“

Flensburgs Ärzte sauer über Impfchaos: „Diesen Kasperkram machen wir nicht mit“

Flensburgs Ärzte sauer über Impfchaos

SHZ
Flensburg
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Dr. Ralf Wiese ist Vorsitzender der KVSH-Kreisstelle in Flensburg. Er kritisiert das Vorgehen der Regierung beim Impfen. Foto: Marcus Dewanger / SHZ

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Dass nun auch noch die Biontech-Dosen für Hausärzte gedeckelt wurden, sei eine „Granate in dieser Chaos-Situation“, kritisiert Dr. Ralf Wiese.

„Man hat den Eindruck, wir fangen gerade erst an mit dem Impfen. Das ist irgendwie auch ein Versagen.“ Dr. Ralf Wiese, Kreisstellenvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Flensburg, findet deutliche Worte für das, was sich in den letzten Wochen unter anderem in Flensburg rund um die Corona-Impfung abgespielt hat.

Dass nun auch noch die Lieferung der Biontech-Impfdosen für Hausärzte gedeckelt wurde, sei „eine Granate in dieser Chaos-Situation. Da sagen Vertragsärzte: Diesen Kasperkram machen wir nicht mit.“ Wiese fordert, dass die Anordnung zurückgenommen wird.

Massiver Protest gegen Deckelung

Bereits vergangene Woche hatte es in der Ärzteschaft massiven Protest gegen die neue Anordnung gegeben. Auch die Länderchefs kritisierten die Regelung scharf. Am Dienstag gab es schließlich erste Signale aus dem Gesundheitsministerium, dass eine Korrektur vorgenommen werden solle.

Weiterlesen: Spahn nach Biontech-Deckelung unter Druck – was das fürs Boostern heißt

Die 2-G-Pflicht und die Diskussionen um den richtigen Zeitpunkt für die Boosterimpfung haben auch in Flensburg für einen spürbaren Andrang auf das Vakzin gesorgt: Es bildeten sich lange Schlangen vor den offenen Impfaktionen, im Flensburger Stadion beispielsweise war der erste Vorrat schon nach wenigen Stunden aufgebraucht.


Dabei sei der unkontrollierte Ansturm gar nicht notwendig, erklärt Dr. Wiese: „Über die Boosterung ist schon lange gesprochen worden. Sie ist wichtig, weil der Immunstatus schlechter wird, vor allem für die Leute, die ein schlechtes Immunsystem haben. Aber es ist nicht so, dass der Immunschutz von jetzt auf gleich auf Null fällt.“

Nun seien die Ärzte überlastet, obwohl „das gar nicht erforderlich ist. Wenn man den Zeitintervall beibehalten hätte, hätte man das sukzessive abarbeiten können“, so der Mediziner.

Hoher organisatorischer Aufwand für die Impfung

Das unterstreicht auch Allgemeinmedizinerin Dr. Ingeborg Kreuz: „Wir haben die Problematik, dass viele denken, dass sie sofort die dritte Impfung bekommen müssen. Es ist wichtig, dass man den Leuten deutlich macht, dass ein gewisser Abstand nötig ist“, sagt sie.

Kreuz spricht von einem hohen organisatorischen Aufwand, der für die Praxen mit der Corona-Impfung zusammenhänge. Hinzu kämen aktuell wieder mehr grippale Infekte. „Das alles führt zu einer deutlichen Mehrbelastung.“


Ein besonderer Fokus liege allerdings auch auf den Ungeimpften: „Die Impflücke, die wir haben, wird durch das Boostern nicht besser. Diese Menschen müssen wir auch erreichen“, sagt Dr. Wiese. Unter anderem deshalb hatte es in der Vergangenheit scharfe Kritik aus der Bevölkerung daran gegeben, dass die Impfzentren Ende September geschlossen wurden. „Aber das Volk ist nicht mehr zum Impfen gekommen. Das war überhaupt nicht mehr rentabel“, sagt Wiese, der sich als Arzt dort selbst engagiert hat.

Einen großen Vorteil sieht der Mediziner unterdessen in den mobilen Impfteams des Landes: „Die können auf Anforderung vom Land gesteuert werden und beispielsweise in die Brennpunkte gehen.“ Dafür spricht sich auch Dr. Christine Stegmann aus, die ihre Praxis in der Neustadt betreibt. „Ich als Hausärztin würde sagen: Wir müssen noch mehr öffentlich Impftermine anbieten.“

Öffnung der Impfstation lässt noch auf sich warten

Die Impfaktion im ehemaligen Sultanmarkt beispielsweise sei auf hohe Resonanz gestoßen. Als schlecht beurteilt die Medizinerin jedoch den Informationsfluss zu Menschen mit Migrationshintergrund: Viele Nicht-Deutschsprachige seien zu wenig über die Möglichkeiten einer Impfung aufgeklärt.

Stegmann wünscht sich zudem, dass noch mehr Ärzte impfen würden. So können beispielsweise auch Fachärzte, vom Orthopäden bis zum Lungenarzt, die Coronaimpfung durchführen.

In Flensburg soll bereits am 1. Dezember die neue Impfstation in der Galerie eröffnen. Dann, so hoffen die Flensburger Mediziner, könnte sich die Lage wieder entspannen.

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