Bildungsinvestitionen

Ganztagsschulen: SH droht dreistelligen Millionenbetrag zu verpokern

Ganztagsschulen: SH droht dreistelligen Millionenbetrag zu verpokern

Ganztagsschulen: SH droht Millionenbetrag zu verpokern

SHZ
Kiel/Berlin
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Ganztagsschule: Die große Koalition will einen Rechtsanspruch für alle Kinder an Grundschulen einführen. Foto: Roland Weirauch, dpa/shz.de

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Den Bund-Länder-Verhandlungen über einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschule läuft die Zeit weg – eine Einigung wird immer schwieriger.

Zwei Monate ist es her, da haben die Bundesländer ein Milliardenangebot der großen Koalition in Berlin abgelehnt: Im Bundesrat haben sie das Gesetz der Groko für einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen gestoppt und in den Vermittlungsausschuss überwiesen. Dabei hat der Bund ihnen darin einmalig 3,5 Milliarden Euro für Investitionen in Ganztagsschulen sowie jedes Jahr eine weitere Milliarde für deren Betrieb zugesagt – wenn die Länder im Gegenzug den Rechtsanspruch und damit den Eingriff des Bundes in ihre Bildungshoheit akzeptieren.

Weiterlesen: Darum stoppen Daniel Günther und Kollegen Anspruch auf Ganztagsschule

Doch vielen Ländern ist das zu wenig Geld. Allen voran Baden-Württemberg will mehr, aber auch Schleswig-Holstein. „Der Bund muss seine Finanzierungszusagen im jetzt beschlossenen Vermittlungsverfahren noch nachbessern“, hatte der Kieler Ministerpräsident Daniel Günther daher verlangt.

Am 7. September tagt der Bundestag zum letzten Mal vor der Wahl

Nun allerdings drohen der CDU-Regierungschef und seine Amtskolleginnen und -kollegen leer auszugehen. Denn die Zeit läuft davon: Am 7. September kommt der Bundestag zum letzten Mal vor der Wahl zusammen – die letzte Chance, um noch Änderungen am Gesetz zu den Ganztagsschulen zu beschließen. Der Bundesrat könnte dann am 17. September die nötige Zustimmung erteilen.

Klappt beides nicht, wäre der Rechtsanspruch einschließlich der Milliardenzahlung an die Länder zumindest für diese Wahlperiode endgültig gescheitert.Schleswig-Holstein verlöre einmalig 119 Millionen Euro und weitere 33 Millionen Euro jährlich für den Ausbau von Ganztagsschulen.

Hinter den Kulissen laufen vertrauliche Verhandlungen

Noch hofft man bei Bund und Ländern allerdings, sich im Milliardenpoker in letzter Minute einigen zu können. Zwar hat der Vermittlungsausschuss noch kein einziges Mal getagt – doch laufen hinter den Kulissen „vertrauliche Verhandlungen“, wie eine Sprecherin von Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht sagt. Mehr verrät sie nicht.

Das macht dafür Lambrechts Eckernförder Parteifreund Sönke Rix, familienpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. „Der Bund wird den Ländern erneut entgegenkommen“, kündigt er an. „Und da ich davon ausgehe, dass auch die Länder ihrer Verantwortung für den Ganztagsbetreuung gerecht werden wollen, bin ich vorsichtig zuversichtlich, dass wir das Gesetz noch in dieser Wahlperiode zum Abschluss bringen können.“

Auch in der Kieler Jamaika-Koalition zeigt man sich optimistisch: „Schleswig-Holstein ist guter Dinge, dass es zu einer Verständigung kommen wird“, sagt Regierungssprecher Peter Höver.


Vor allem der SPD im Bundestag liegt viel an dem Rechtsanspruch. Sie erhofft sich davon mehr Bildungsgerechtigkeit. „Ganztagsbetreuung bedeutet gute Bildungschancen für alle Kinder und ermöglicht gleichzeitig Eltern die eigene berufliche Tätigkeit und Entwicklung“, sagt Ministerin Lambrecht unserer Zeitung.

Zunächst soll 2026 ein Rechtsanspruch für Erstklässler kommen

Konkret sieht das Gesetz vor, dass 2026 zunächst ein Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für Erstklässler kommen wird. Bis 2029 soll der dann in Jahresschritten auf alle Grundschüler bis zur vierten Klasse ausgeweitet werden.

Der Anspruch umfasst eine Betreuung von acht Stunden an fünf Tagen in der Woche. Würde er eingeführt, könnten Eltern einen Ganztagsplatz einklagen – und falls es keinen gibt, womöglich das für die Schulpolitik zuständige Land für entstehende Kosten haftbar machen

In Schleswig-Holstein wären fast 78.000 zusätzliche Plätze nötig

Genau aus diesem Grund verweigern sich die Länder bisher. Denn um den erwarteten Andrang auf Ganztagsplätze decken zu können, sei deutlich mehr Geld nötig als vom Bund angeboten. In Schleswig-Holstein etwa geht man im Ressort von Bildungsministerin Karin Prien davon aus, dass bald 80 Prozent der Grundschüler im Land einen Ganztagsplatz beanspruchen werden statt derzeit 30 Prozent.

Um diese Nachfrage zu befriedigen, wären laut Ministerium fast 78.000 zusätzliche Plätze nötig, deren Einrichtung 312 Millionen Euro kosten würde – und nicht nur 119 Millionen, wie vom Bund angeboten. Noch größer ist der Unterschied bei den Ausgaben für den laufenden Betrieb neuer Ganztagsangebote: Ab 2030 wären dafür im Norden jährlich 302 Millionen Euro zusätzlich nötig, allen voran für mehr Personal – doch davon will der Bund nur 33 Millionen zahlen.

Auch ohne Rechtsanspruch plant das Land mehr Ganztagsangebote

Andererseits will auch Prien die Ganztagsschulen ausbauen, Rechtsanspruch hin oder her. „Hochwertige Ganztagsangebote sind eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für deren weiteren Ausbau wir keine Zeit verlieren dürfen“, hat die CDU-Ministerin kürzlich erklärt. Doch diesen Ausbau müsste das Land ganz allein bezahlen, falls das Gesetz der Groko scheitert.

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