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Gaspreis fast verdreifacht: Stadtwerke schocken Kunden im Umland

Gaspreis fast verdreifacht: Stadtwerke schocken Kunden im Umland

Gaspreis fast verdreifacht: Stadtwerke schocken Kunden

SHZ
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Die Stadtwerke Flensburg sind bundesweit auf dem Gasmarkt aktiv. Foto: Michael Staudt/shz.de

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Während der Preis für die Fernwärme in Flensburg vergleichsweise moderat gestiegen ist, müssen Erdgas-Kunden im Umland eine regelrechte Preis-Explosion verkraften. Den Gas-Anbieter zu wechseln, hilft da nur wenig.

Als die Stadtwerke Flensburg Ende September eine deutliche Preiserhöhung bei der Fernwärme ankündigten, war das nur ein ganz sanfter Vorgeschmack auf das, was den Erdgas-Kunden in den Orten ohne Fernwärme-Versorgung bevorstehen sollte.

Zahlreiche Gas-Anbieter haben ihre Preise in den vergangenen Wochen mehr als verdoppelt.

Ob das auch für die Stadtwerke Flensburg gilt, dazu macht das kommunale Unternehmen auf Nachfrage von shz.de keine klaren Angaben.

„Da verschiedene Kosten in jedem Versorgungsgebiet unterschiedlich sind und sich auch unterschiedlich ändern können, kalkulieren wir für jedes Versorgungsgebiet in Deutschland individuell auf Basis der dortigen Kosten“, teilte Stadtwerke-Sprecher Peer Holdensen mit.

Abschlag steigt von 105 auf 321 Euro

Was das zum Beispiel für Jarplund bedeutet, hat jetzt Heinke Thomsen schwarz auf weiß erfahren: Bislang zahlte sie für das Erdgas von den Stadtwerken monatlich 105 Euro. Ab Februar 2022 sollen es 321 Euro sein. Mehr als das Dreifache.

Stadtwerke-Sprecher Holdensen betont, so eine Preissteigerung könne auch auf höheren Verbrauch zurückzuführen sein. Ein Blick auf den Preis pro Kilowattstunde zeigt aber, dass das in diesem Fall nur einen kleinen Teil der Preiserhöhung erklärt. Der Arbeitspreis, den Heinke Thomsen zahlen soll, erhöht sich von 5,84 auf 17,18 Cent pro kWh, also fast auf das Dreifache. Der Grundpreis steigt von monatlich 8,77 auf 12,05 Euro.

Preisexplosion auf dem europäische Gasmarkt

Die Erhöhung spiegelt ungefähr den explosionsartigen Preisanstieg auf dem europäischen Gasmarkt wider. Auch hier hat sich der Preis in den vergangenen Monaten verdreifacht.

Die Stadtwerke versorgen bundesweit rund 55.000 Kunden mit Erdgas. Das Gas fließt dabei durch die Leitungen anderer Netzbetreiber. In Flensburg selbst wird kein Erdgas angeboten; hier sind fast alle Haushalte ans Fernwärmenetz angeschlossen.

Die Anbieter schließen für ihr Gas in der Regel langfristige Lieferverträge ab. Die Preisexplosion auf dem europäischen Gasmarkt kommt daher erst verspätet beim Endkunden an. Wie viel Gas die Stadtwerke für die Fernwärme benötigen, lässt sich zwar nicht exakt vorhersehen, weil es auch vom Wetter abhängt, aber die Zahl der Kunden ändert sich nur langsam. So kann der Bedarf lange im Voraus eingekauft werden.

Für die Erdgas-Kunden gilt das nicht. Sie kommen aus der ganzen Republik, finden das Angebot der Stadtwerke Flensburg oft über Vergleichsportale im Internet, schließen Verträge ab und kündigen wieder.

„Meine Vermutung ist, dass die Stadtwerke ihren Gasvorrat für ihre Fernwärmekunden benötigen und den Nur-Gaskunden die Neukaufpreise aufdrücken und dadurch zu einer Kündigung zwingen“, sagt Heinke Thomsen.

Fakt ist: Neue Gaskunden möchten die Stadtwerke im Moment nicht haben. Wer als Privatkunde aktuell auf der Webseite versucht, einen neuen Erdgas-Vertrag abzuschließen, erhält den Hinweis: „Mit Blick auf die aktuelle, schwer vorhersagbare Entwicklung an den Strom- und Erdgas-Beschaffungsmärkten bieten wir vorübergehend keine Energieprodukte für Neukunden an.“

Heinke Thomsen hat jetzt von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht und einen Anbieter gefunden, der sie für monatlich 206 Euro mit Erdgas beliefert. Immer noch fast das Doppelte ihrer bisherigen Heizkosten.

Fernwärme wäre ihr lieber gewesen. Aber „unsere Gemeinde hat es nicht geschafft, sich dem Fernwärmenetz der Stadtwerke anzuschließen, obwohl wir unmittelbar an die Stadt grenzen“, klagt Heinke Thomsen.

Ist Wladimir Putin schuld?

Doch warum ist der Gaspreis in Europa überhaupt so extrem gestiegen? Fachleute nennen mehrere Gründe. Unter anderem mache sich jetzt bemerkbar, dass das Frühjahr 2021 ungewöhnlich kalt war. Die Gasspeicher in Deutschland haben sich bis zum nächsten Winter nicht so gut gefüllt wie in den vergangenen Jahren.

Der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, macht Russland für die Gaskrise verantwortlich. An den hohen Preisen und leeren Speichern sei größtenteils der staatliche Gazprom-Konzern Schuld. Birol meint, Wladimir Putins Regierung habe die Gaslieferungen gedrosselt, um in der Ukraine-Krise Druck auf Deutschland und andere westeuropäische Staaten auszuüben.

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Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
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