Oeversee
Gemeldet, fester Arbeitsplatz – und trotzdem illegal: Aldo Gjoni vor der Abschiebung
Gemeldet, fester Arbeitsplatz – und trotzdem illegal
Gemeldet, fester Arbeitsplatz – und trotzdem illegal
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Aldo Gjoni arbeitet seit fünf Jahren im Historischen Krug in Oeversee, schloss seine Ausbildung ab, zahlt Steuern und Krankenkassenbeiträge. Nur die Ausländerbehörde wusste nichts von ihm. Jetzt soll er zurück nach Albanien.
Lenka Hansen-Mörck kann sich regelrecht in Rage reden. Die Inhaberin des Historischen Krugs in Oeversee ist fassungslos. Die Ausländerbehörde in der Schleswiger Kreisverwaltung will ihren Kellner Aldo Gjoni nach Albanien abschieben. Und das, obwohl ausgebildete Fachkräfte im Gastgewerbe derzeit kaum zu finden sind.
„Ich muss jetzt schon jonglieren“, sagt sie und meint damit ihre Dienstpläne. Von 60 Arbeitsplätzen seien nur 29 besetzt. Aldo Gjoni arbeitet deshalb derzeit nicht nur in Oeversee, sondern auch in ihrem zweiten Hotel, dem Alten Gymnasium in Husum.
Das alles habe sie dem zuständigen Mitarbeiter in der Ausländerbehörde geschildert. Immer wieder wiederholt die Unternehmerin, was sie als Antwort erhalten habe: „Privatwirtschaftliche Interessen sind hier nicht von Belang.“
Aldo Gjoni ist 23 Jahre alt. Er ist ordnungsgemäß beim Einwohnermeldeamt in Tarp registriert. Bei der Industrie- und Handelskammer, von der er seinen Gesellenbrief bekommen hat, ist sein Name bekannt. Ebenso bei seiner Krankenkasse und der Rentenversicherung. Beim Finanzamt, an das er seine Steuern zahlt, sowieso.
Nur die Ausländerbehörde in Schleswig hatte bis vor wenigen Wochen keine Ahnung davon, dass sich Aldo Gjoni in Deutschland aufhält.
Der junge Albaner kam 2017 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in die Jugendhilfe-Einrichtung Sternipark in Angeln. Von dort wurde er zur Ausbildung an den Historischen Krug in Oeversee vermittelt. Ein Glücksfall, sagt die Unternehmerin. Zuverlässig, gewissenhaft und liebenswürdig.
Lenka Hansen-Mörck ist sich sicher, dass sie damals seinen Aufenthaltsstatus kontrolliert hat und alles rechtens war. Überprüfen kann sie das nicht mehr. Die Personalakten sind verbrannt, als der Historische Krug 2018 ein Raub der Flammen wurde.
Weiterlesen: Nach Feuer 2018: Der neue Historische Krug in Oeversee kommt größer zurück
Kurz nach Ausbildungsbeginn, Aldo Gjoni war damals 18 Jahre alt, bekam er Post von der Ausländerbehörde. Er konnte damals noch kaum Deutsch, aber so viel verstand er: Sein Asylantrag war abgelehnt. Er sollte das Land verlassen.
Anstatt sich Rat zu holen und Widerspruch einzulegen, versuchte er, das Problem alleine zu lösen. Findig, aber nicht legal. Er nahm sich zwei Wochen Urlaub und erzählte den Kollegen, dass er aus dringenden familiären Gründen in die Heimat müsse.
Nach wenigen Tagen zurück in Deutschland
Er reiste tatsächlich nach Albanien. Aus Sicht der Ausländerbehörde war die Sache damit erledigt. Die Akte Gjoni wurde geschlossen. Was man in der Ausländerbehörde nicht ahnte: Er hatte weder seine Ausbildungsstelle noch seine Wohnung gekündigt. Nach wenigen Tagen kehrte er zurück an seinen Arbeitsplatz in Oeversee. Hier arbeitet er bis heute. Mit seinem Gehalt unterstützt er seine Familie in Albanien.
Er dachte darüber nach, wie er seine Situation ändern könnte. Einmal habe er es über die deutsche Botschaft in Tirana versucht, sagt er. Ohne Erfolg.
Nur wenigen Freunden erzählte er, dass er keinen gültigen Aufenthaltstitel hat. Einer der Freunde wollte ihm helfen. In diesem April berichtete er einer Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde in allgemeiner Form von dem Fall und fragte, was man da tun könne. Die Sachbearbeiterin soll diesen Freund dann dazu gedrängt haben, Gjonis Namen zu nennen.
Diesmal mit rechtlichem Beistand
So kam es, dass Aldo Gjoni im Mai zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder Post von der Ausländerbehörde bekam. Wieder mit der Aufforderung, Deutschland zu verlassen. Die Frist endet an diesem Donnerstag, 16. Juni.
Anders als damals hat er sich diesmal aber Beistand gesucht. Wilhelm Gross, Lenka Hansen-Mörcks Assistent im Hotel Altes Gymnasium und früher als Rechtsanwalt in Schleswig häufig mit Ausländerrecht befasst, hat sich der Sache angenommen. Gemeinsam haben sie Widerspruch eingelegt.
Der Termin für die Ausreise ist erst einmal aufgeschoben. Was am Dienstag aus der Kreisverwaltung zu hören war, klang nicht mehr ganz so rigoros wie noch vor Kurzem. Der Fall werde geprüft und man suche nach einer Lösung, sagte eine Sprecherin gegenüber shz.de. Sie ließ allerdings auch durchblicken, dass das nach einer so langen Zeit des illegalen Aufenthalts nicht ganz einfach sei.