Kinderpornografie-Verfahren in SH

Generalstaatsanwaltschaft: Pandemie führte zu Anstieg um 60 Prozent

Generalstaatsanwaltschaft: Pandemie führte zu Anstieg um 60 Prozent

Staatsanwaltschaft: Pandemie führte zu Anstieg um 60 Prozent

SHZ
Schleswig
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Ein Kriminalbeamter sichtet Bilder, auf denen fast nackte minderjährige Mädchen zu sehen sind. Foto: Peter Kneffel/dpa

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Die Zahl der Verfahren wegen Kinderpornografie ist in Schleswig-Holstein um 60 Prozent gestiegen. Die Generalstaatsanwaltschaft sieht eine Ursache in der Pandemie.

Es sind Zahlen, die wenig erfreulich sind: In Schleswig-Holstein ist im vergangenen Jahr die Zahl der Verfahren wegen Kinderpornografie um 60 Prozent auf 2403 Fälle gestiegen. „Den signifikanten Anstieg sehen wir als pandemiebedingt“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Georg-Friedrich Güntge am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts der Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig.

Mehr „Indoor“-Straftaten während der Pandemie

Wie Güntge erklärte, liefere die vermehrte Mediennutzung während der Corona-Pandemie und ihrer Beschränkungen eine „logische“ Erklärung für die beobachtete Entwicklung. Auch generell habe sich im zweiten Jahr der Pandemie fortgesetzt, was bereits 2020 zu erkennen gewesen sei: Die „Outdoor“-Kriminalität wie Raub (minus 20 Prozent) oder Gewaltdelikte (minus 15 Prozent) geht zurück, „Indoor“-Straftaten, also solche, die Täter mit dem Computer begehen können, nehmen zu. Verfahren zur Cyberkriminalität verzeichneten einen Zuwachs von 20 Prozent auf 11.401 Taten.

280.000 neue Ermittlungsverfahren in Schleswig-Holstein

Wie Güntge berichtete, habe es in Schleswig-Holstein insgesamt 280.000 neue Ermittlungsverfahren gegeben und man sei stolz, Verfahren gegen 230.000 Beschuldigte abgeschlossen zu haben. „70 Prozent innerhalb von drei Monaten nach Eingang bei den Staatsanwaltschaften.“

Vermögensarrest für 34 Millionen Euro von Kriminellen

Gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt habe sich die Zahl der Geldwäscheverfahren (2467 Fälle), die Zahl der Wirtschaftsdelikte (5341) sei auf gleichbleibend hohem Niveau geblieben, wobei insbesondere die organisierte Wirtschaftskriminalität mit Auslandsbezug hohe Kapazitäten beanspruche. „An insgesamt 75 Tagen wurden rund 450 Objekte durchsucht, 2300 Polizisten und 75 Staatsanwälte waren im Einsatz“, so Güntge.

Lohn der Arbeit: 34 Millionen Euro wurden vorläufig gesichert. „2,7 Millionen Euro sind der Landeskasse bereits zugeflossen und für 22,5 Millionen wurden bereits vollstreckbare Titel erwirkt.“ Zudem seinen Krypto-Währungen in Höhe von 25.000 Euro eingezogen und verkauft worden.

Ermittlungen: „Alles wird komplizierter und komplexer“

„Alles wird komplizierter und komplexer, der Ermittlungsaufwand größer“, betonte Güntge. So fielen vielfach Terrabytes von Daten auf einer Unzahl von Datenträgern an, deren Auswertung aus ökonomischen Gründen oft ausgelagert werden müsse. Da das bei der Kinderpornografie nicht möglich sei, sei die Nutzung von Software geplant. Unsere Redaktion hatte bereits exklusiv über ein Projekt im Landeskriminalamt berichtet, bei dem auf künstliche Intelligenz gesetzt wird.

Kinderpornografie wird bei WhatsApp getauscht

Ein weiteres Problem bei der Kinderpornografie ist laut Generalstaatsanwaltschaft die wachsende Verfügbarkeit. „Niemand muss mehr im Darknet suchen, WhatsApp und andere Messenger sind die Einrichtungen, über die solche Bilder verbreitet werden“, sagte Güntge. Beamte stünden dann vor dem Problem, dass etwa in Klassenchats solche Bilder auftauchten. „Die Frage ist dann, wollte ich dieses Bild überhaupt haben, war die Versendung pädophil motiviert oder war es jugendlicher Unsinn.“

Trivial ist die Frage nicht, da die Verbreitung und der Besitz von Kinderpornografie im Juni 2021 vom Vergehen zum Verbrechen hochgestuft wurde, mindestens ein Jahr Haft droht. Richter und Strafverteidiger in Schleswig-Holstein hatten das Gesetz bereits scharf kritisiert, weil es keine Erledigung per Strafbefehl mehr geben darf.

Pandemie-Delikte: Subventionsbetrug und Impfpassfälschung

Als spezielle Pandemie-Delikte stufte die Generalstaatsanwaltschaft den Corona-Subventionsbetrug und Impfpassfälschungen ein. Derzeit liegen 500 Verfahren zu den Soforthilfen auf den Tischen der Ermittler, bei denen es um Summen zwischen 2500 und 15.000 Euro geht. Güntge: „In 109 Fällen wurden bereits Anklagen erhoben oder Strafbefehle beantragt.“

Bei den falschen Impfnachweise gibt es 1100 Verfahren. „Zwei davon sind große Komplexe, bei denen die Fälschungen über das Internet angeboten wurden“, berichtete Güntge. Ermittelt werde zudem gegen einen Arzt, der in 400 Fällen gefälschte Impfpässe für je 80 Euro angeboten hatte.

Abrechnungsbetrug: Labor verfügte nicht über technische Ausstattung

Wie Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik hob auch Güntge in seinem Jahresbericht den außergewöhnlichen Abrechnungsbetrug eines Labors in Nordfriesland mit 8717 Geschädigten und über vier Millionen Euro Schaden hervor. Patienten sollen privat für spezielle Blutuntersuchungen bezahlt haben. Güntge: „Das Labor verfügte aber gar nicht über die technische Ausstattung, um die gewünschten Ergebnisse zu liefern.“

Es soll um Krebsmarker, den Nachweis von Schwermetallen und anderen Umweltgiften gegangen sein. Von Januar 2018 bis Juni 2020 soll das Labor die Werte nach Angaben des Landeskriminalamts per Zufallsgenerator erzeugt haben. Güntge: „Die Anklage, die im Mai 2021 erhoben wurde, liegt jetzt beim Landgericht Flensburg.“

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