Flensburger Schiffbau-Gesellschaft

Gerd Holbach aus Westerholz: Ein Leben für den Schiffsbau

Gerd Holbach aus Westerholz: Ein Leben für den Schiffsbau

Gerd Holbach aus Westerholz: Ein Leben für den Schiffsbau

Wilhelm van de Loo/shz.de
Flensburg
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Der Schiffbauer Gerd Holbach vor der Zweitausfertigung der Bordflagge der „ELEKTRA“ am Flaggenmast in seinem Westerholzer Garten. Foto: Wilhelm van de Loo/shz.de

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Professor Gerd Holbach arbeitet in leitenden Funktionen bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft. Zahlreiche Besitzerwechsel sorgte dafür, dass er neue Wege einschlug. Mit großem Erfolg.

Es ist zwar nur beruflich gemeint, gleichwohl aber eine Liebeserklärung, die Gerd Holbach ausspricht: „Schiffbau, das ist mein Leben!“. Diese Liebe begann bereits in seiner Jugend mit Modellbau und hat für ihn bis heute nicht von ihrer Anziehungskraft verloren.

In Berlin geboren und aufgewachsen, studierte er nach dem Abitur „Schiffs- und Meerestechnik“ an der Technischen Universität (TU) Berlin. An diesem ältesten maritimen deutschen Hochschulstandort verblieb der junge Diplomingenieur nach dem Studienabschluss für weitere fünf Jahre, war in Lehre und Forschung tätig und schloss diese Zeit mit der Promotion zum „Dr. Ing.“ ab.

1995 wechselte er zur Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) und nahm mit leitenden Funktionen in den Bereichen Konstruktion und Projektierung ein breites Betätigungsfeld wahr. Aufgrund dieser Erfahrung bezeichnet er sich „als Fan des Mittelstandes“. In großen Industriebetrieben werde zumeist viel spezialisierter gearbeitet. Am Bau von sieben verschiedenen Schiffstypen beteiligt, erlebte er dabei nach eigenen Worten „die Faszination Schiffbau“.

Die verschiedenen Besitzerwechsel bei der FSG, die wegen teilweise fragwürdiger kaufmännischer Entscheidungen in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, machten ihm schließlich den Weggang leichter, und so folgte Holbach 2006 einem Ruf zurück an die TU Berlin auf eine Professur im Fachbereich „Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme“. Dort sei der Anfang sehr schwer gewesen, weil insbesondere in der Forschung der Wegfall mehrerer Professorenstellen zu starken Einschnitten geführt hatte.

Tiefseetechnologie, autonome Binnenschifffahrt und emissionsfreie Energiesysteme

Da der Bau von konventionellen Handelsschiffen in Deutschland seit vielen Jahren rückläufig ist, richtete Holbach seinen Fachbereich auf drei Schwerpunkte neu aus: Tiefseetechnologie, autonome Binnenschifffahrt und emissionsfreie Energiesysteme. Sie werden unter seiner Leitung von einem 50-köpfigen Team beackert, zu dem 20 wissenschaftliche Mitarbeiter gehören. Nur fünf Stellen sind staatlich grundfinanziert, der Rest durch eingeworbene Drittmittel.

Für den 59-jährigen Hochschullehrer gilt ein Grundsatz: „Ich fange kein Vorhaben an, das nur in der Schublade landet!“ Unter dieser Voraussetzung startete er ein Projekt, dessen Idee 2016 bei einem Neujahrsempfang geboren wurde: der Bau des weltweit ersten hybriden Kanal-Schubbootes, elektrisch angetrieben durch eine Kombination von mit Wasserstoff gespeisten Brennstoffzellen und Akkumulatoren sowie Wasserdampf als einziger Emission.

2019 erfolgte die Kiellegung und 2021 der Stapellauf. Seit diesem Jahr läuft die „ELEKTRA“ im Großraum Berlin im Probebetrieb. Bei diesem Boot handelt es sich erklärtermaßen nicht um einen „Prototyp“, also den Vorläufer bei einer Serienproduktion. Es ist vielmehr ein „Demonstrator“, um überhaupt zu zeigen, ob und dass es technisch und wirtschaftlich betrieben werden kann und dass dies heute bereits möglich ist. Mit der Nutzung von „grünem Wasserstoff“ wird natürlich der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid vermieden.

Der „Vater“ des Projektes steckt sich die Federn des Verdienstes nicht nur an den eigenen Hut. „Es ist eine wirkliche Teamleistung, das Boot zum Funktionieren zu bringen!“ Dabei schließt er die hochqualifizierten Facharbeiter der Bauwerft und weiterer Partner durchaus mit ein. In zwei Jahren soll die „ELEKTRA“ in den kommerziellen Betrieb gehen und zwischen Berlin und Hamburg pendeln. Am Elbe-Seitenkanal in Lüneburg ist eigens der Bau einer Wasserstofftankstelle vorgesehen.

Zunächst kaum Interesse an Wasserstoff

Ein Kapitel ganz zähflüssiger, zeitaufwändiger Art war das der finanziellen Förderung des Vorhabens und der behördlichen Genehmigung. Am Einsatz von Wasserstoff habe, wie sich Holbach erinnert, zunächst kaum Interesse bestanden. Schließlich sei vom Bundesverkehrsministerium eine Förderzusage gekommen und das Vorhaben der diesem nachgeordneten zuständigen Behörde vorgestellt worden.

Dort als „tolles Projekt“ bezeichnet, wurde bei der Frage der Genehmigung jedoch gleich abgewunken. „Dafür gibt es keine Vorschriften.“ Wenn überhaupt sei eine Lösung nur auf europäischer Ebene möglich. Dafür ist die EU-Kommission für Binnenschifffahrt in Straßburg zuständig. Der französische Vorsitzende hielt eine EU-Befassung für unnötig und strebte eine national französische Lösung an – in Kenntnis des in allen Einzelheiten offengelegten Konzeptes. Der Versuch in Frankreich aber misslang.

Seit dem 4. Juni 2019 liegt vonseiten der EU die „Empfehlung für die Verwendung von Wasserstoff als Brennstoff für das Schubschiff ELEKTRA“ vor. Auf dieser Grundlage verfügt das Boot mittlerweile über ein vorläufiges Schiffsattest (vergleichbar der Kfz-Zulassung). Jetzt im Betrieb darf es keine Einnahmen erzielen.

Ansonsten müssten Fördergelder zurückgezahlt werden. Kostenfrei fahren darf es im kommerziellen Einsatz zunächst nicht. Das würde einen unzulässigen Eingriff in den Wettbewerb bedeuten. Um als Schubboot auch unter Last ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, wird die ELEKTRA demnächst mit einem beladenen Leichter auf Berliner Gewässern „spazieren fahren“.

Seine jetzige Tätigkeit als Hochschullehrer empfindet Holbach als sehr reizvoll. Einerseits kann er seiner Liebe „Schiffbau“ frönen und dabei innovative Projekte entwickeln und verwirklichen. „Andererseits habe ich mit jungen Leuten zu tun, die alle mit dem Technikvirus infiziert sind.“

Nach seinem Wechsel zur FSG wohnte Holbach kurz in Harrislee und in Eckernförde. Seit 2002 ist Westerholz das Zuhause der Familie. Auf die Frage, warum der Hauptwohnsitz nicht nach Berlin, wo es (nur) eine Zweitwohnung gibt, verlegt, sondern in Westerholz beibehalten wurde, folgt eine weitere Liebeserklärung, diesmal geographischer Art. „Wo können wir es schöner haben als hier?“ Ein Blick über die Außenförde begeistere immer wieder. Zudem ersparten online abgehaltene Konferenzen und Lehrveranstaltungen oftmals das Zwischenfahren.

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