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„German Bakery“ eröffnet mit deutschen Backwaren im äthiopischen Addis Abeba

„German Bakery“ eröffnet mit deutschen Backwaren im äthiopischen Addis Abeba

„German Bakery“ eröffnet mit Backwaren in Äthiopien

Wilhelm van de Loo/shz.de
Addis Abeba
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Der Verkaufsraum der deutschen Bäckerei mit zwei einheimischen Arbeitskräften. Foto: Privat

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Die Bäckerei befindet sich in dem Tagesheim „Die Insel“, wo der Verein „Let me be a child“ aus Langballig insgesamt 44 Straßenkinder betreut.

Lange hat es gedauert, aber kürzlich konnte sie endlich in Betrieb genommen werden, die „German Bakery“, die deutsche Bäckerei im Tagesheim „Die Insel“ in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Dort betreut der Verein „Let me be a child“ gegenwärtig 44 Straßenkinder. 2004 wurde die Aktion von Etagegne Girma-Bierig und ihrem deutschen Ehemann Marius Bierig gegründet – und ist in Langballig ansässig und als gemeinnützig anerkannt. Die Hausbäckerei wurde kürzlich so erweitert, dass jetzt auch ein Außer-Haus-Verkauf stattfindet – mit dafür geschaffenen anderthalb Vollzeitstellen für arbeitslose Jugendliche.

Um einen ordentlichen Start zu gewährleisten, hatten sich mit Dominik Hinkelmann aus Dortmund und seinem Kollegen Hans Wegener aus Hameln zwei junge deutsche Bäckermeister ehrenamtlich bereitgefunden, die einheimischen Kollegen mit deutschen Rezepten und Backtechniken vertraut zu machen.

Durch die hohe Inflation in dem ostafrikanischen Land hatte sich der Anbau deutlich verteuert. In der Folge war kein Geld für eine neue Einrichtung der Bäckerei übriggeblieben. Daher war angesichts veralteter Gerätschaften viel Flexibilität und Improvisationsvermögen gefragt.

Der Sauerteig und das Klima

Zudem mussten die beiden deutschen Fachleute sich auf vollkommen andere klimatische Bedingungen einstellen, die sich zum Beispiel auf die Arbeit mit Sauerteig auswirken. Auch einige Getreidearten und Mehlqualitäten waren ungewohnt. Hinkelmann und Wegener machten Backversuche mit verschiedenen Rohstoffen, führten zahlreiche Verkostungen durch und passten die Rezepturen dem landestypischen Geschmack an. Beim Besuch angesehener einheimischer Bäckereien kam es zu einem regen fachlichen Austausch. Insgesamt, so ihr Resümee, sei es eine „persönlich und fachlich prägende Zeit“ gewesen.

Nachdem so die Grundlagen gelegt waren, banden die beiden deutschen Bäcker ihre äthiopischen Kollegen in die Produktion ein. Zudem ging es um das Berechnen der Rezepte und des Rohstoffbedarfes mit Verkaufsprognose. Wichtig war auch die Absprache zwischen Backstube, Verkauf und Verwaltung.

Mischbrote und Zimtschnecken

Die Einweihungsfeier der „German Bakery“ mit Nachbarn, Behördenvertretern und einigen deutschen Gästen war ein großer Erfolg. Inzwischen hat sich die Existenz der Bäckerei mit deutschen Backwaren auch in den sozialen Medien herumgesprochen. Für eine Veranstaltung wurden Mischbrote und 150 Zimtschnecken bestellt und verkauft. Eine wertvolle Unterstützung leistete Vereinsmitglied Ulrike Kéré, die mit ihrem Ehemann Arno vor Ort lebt und dort gut vernetzt ist. Auf einem „Diplomatenbasar“ wurden durch den Verkauf von Erzeugnissen der „German Bakery“ 21.000 äthiopische Birr (etwa 500 Euro) eingenommen.

Ein großes Problem im Land ist die gegenwärtig mit 30 Prozent hohe Inflation als Folge des gerade beendeten Bürgerkrieges. Zudem sind die Getreidepreise wegen der geringeren Importe aus der Ukraine drastisch gestiegen. Darunter leiden die Bewohner des armen Stadtviertels, in dem die „Insel“ liegt, besonders. Daher müssen die Preise für den Verkauf niedrig gehalten werden. Die Menschen, die in der Umgebung wohnen, können sich keine teuren Backwaren leisten. In den ersten drei Wochen ihres Betriebes wurde mit dem Verkauf nach Abzug aller Kosten immerhin ein kleiner Überschuss von ungefähr 50 Euro erwirtschaftet.

Kosten stark gestiegen

Entsprechend gedämpft sind die Erwartungen der Vereinsvorsitzenden Girma-Bierig. „Wir wollen Gewinn machen, aber es ist sehr schwer.“ Dabei geht um einen kleinen Beitrag zum Unterhalt des Tagesheimes in der Hauptstadt und eines weiteren im 270 Kilometer entfernten ländlichen Doyogena mit 55 Kindern. Bisher hat „Let me be a child“ 130 Kinder und Jugendliche mit drei Mahlzeiten pro Tag, medizinischer Versorgung, Schulbesuch und praktischen Handwerkstätigkeiten betreut. Von diesen haben mittlerweile 30 einen qualifizierten Berufs- oder gar Universitätsabschluss erworben.

Für den Betrieb beider Heime müssen monatlich feste Kosten von über 10.000 Euro aufgewendet werden, mehr als doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Um diese Kosten aufzubringen, reichen die jährlichen Mitgliedsbeiträge und Patenschaften von 64.000 Euro nicht aus. Daher gibt die Vorsitzende unumwunden zu: „Unser Projekt lebt von großen und kleinen Spenden.“

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