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Gesunde Ernährung: So kann man sogar das Klima retten

Gesunde Ernährung: So kann man sogar das Klima retten

Gesunde Ernährung: So kann man sogar das Klima retten

Karin Lubowski/shz.de
Kiel
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Demonstranten fordern eine ausgewogene Ernährung. Nicht nur für die Gesundheit, sondern auch fürs Klima. Was ist dran? Foto: www.imago-images.de

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Die Menschen in Deutschland essen heute mehr Obst und Gemüse als noch 1900. Das stellt der deutsche Bauernverband fest. Aber: Ist unsere Ernährung aber auch gesünder geworden? Und was bedeutet das für das Klima?

Frisches Gemüse braucht Zuwendung: putzen, schneiden, zubereiten. Das kostet Zeit, die im Alltag zunehmend als Mangelware empfunden wird. „Inzwischen kocht nur noch jeder Zweite täglich selbst“, zitiert das Bundeszentrum für Ernährung aus einer gemeinsamen Studie von Nestlé und dem Institut für Demoskopie Allensbach, die auch das konstatiert: „Gleichzeitig sind aber auch die Ansprüche an das Essen gestiegen. Es besteht der Wunsch, sich gesund zu ernähren und das Essen frisch zuzubereiten.“

Ein Widerspruch? Zumindest ist es offenbar nicht leicht, Wunsch und Wirklichkeit unter einen Hut zu bringen. Denn laut der Studie wollen 90 Prozent der Befragten mit der Ernährung ein bestimmtes Ziel (Fitness, Gesundheit, größeres Wohlbefinden, besseres Aussehen) erreichen. Zugleich sind 85 Prozent nicht wirklich zufrieden mit ihrer Ernährung. Sie klagen zum Beispiel über abendliche Heißhungerattacken, einen zu geringen Obst- und Gemüsekonsum und zu fettiges und zu süßes Essen.

Ungesund: Zu viele tierische Produkte und Fertiggerichte bei der Ernährung

In seinem jüngsten, zum Jahreswechsel veröffentlichten Situationsbericht vermeldet der Deutsche Bauernverband seit dem Jahr 1900 einen kräftigen Anstieg beim Obst-, Gemüse- und Salatkonsum. Auch der Fleischverzehr sei von 47 Kilogramm pro Kopf auf 82 Kilogramm in 2021 gestiegen.

Gerade Letzteres ist zu viel, wie Mediziner und Ernährungswissenschaftler seit langem warnen. Vor allem in Kombination mit anderen tierischen Produkten wie Milch, Käse, Butter, Eier. Und viel zu viel angesichts des vom Statistik-Portal Statista beschriebenen wachsenden Trends zu Convenience-Produkten, „die in der Regel stark verarbeitet sind und neben einem oft nicht optimalen Salz-, Zucker- und Fettgehalt auch viele Zusatzstoffe wie Konservierungsmittel enthalten“.

Elf Millionen Tote jährlich durch ungesunde Ernährung

Elf Millionen Todesfälle im Jahr gehen auf das Konto ungesunder Ernährung, mahnt eine Gruppe internationaler Forscher. Das sei jeder fünfte Todesfall, heißt es im Fachblatt „The Lancet“. Und lieg vor allem an einem Zuviel von Zucker und Zuwenig an Gemüse.

Das Problem beginnt bei der Definition. Was ist gesunde Ernährung? „Gesunde Ernährung ist eine Ernährung, die mit Lebensmitteln alle Nährstoffe und Energie liefert, die nicht nur für die Aufrechterhaltung der optimalen Funktion erforderlich sind, sondern die auch langfristig geeignet ist, chronisch degenerative Krankheiten zu vermeiden.“ So erklärt es Andreas Hahn vom Institut für Lebensmittelwissenschaft und Humanernährung der Uni Hannover. Aber was heißt das? Fleisch ja oder nein? Butter oder Margarine? Ist Naschen erlaubt?

Wie wir uns gesund ernähren

Was ausgewogene Ernährung ist, erklärt das Bundeszentrum für Ernährung anhand einer aus 22 Portions-Bausteinen bestehenden Pyramide.

Bezogen auf das gesamte Volumen, das ein Mensch pro Tag zu sich nimmt, sind danach optimal:

Klingt einfach. Ist aber für viele das Fegefeuer, wenn zum Kaffee die Torte und zum Tagesausklang Wein und Käse locken.

Gesunde Ernährung ist auch gut für das Klima

Doch längst sind es nicht mehr nur Mediziner und Ernährungswissenschaftler, die mit Blick auf das weltweite Essverhalten Alarm schlagen. In der „Gesundes Essen fürs Klima“, die Greenpeace im Auftrag des Ökoinstituts Deutschland durchgeführt hat, heißt es zusammenfassend:

Und weiter: „Diese Ernährungswende hätte noch mehr positive Seiten. Die Landwirtschaft benötigte nur noch 60 Prozent der Äcker und Weiden für die Ernährung der Bevölkerung. Auf den freiwerdenden Flächen könnten Lebensmittel für den Export erzeugt werden, um zusätzlich bis zu 70 Millionen Menschen zu ernähren. Alternativ könnten Wälder gepflanzt werden, um die Landwirtschaft in Deutschland in Zukunft nahezu treibhausneutral zu machen.“

So müsste die Ernährungsumstellung aussehen

In diesem Zusammenhang rechnet die sogenannte Planetary Health Diet, eine von der EAT-Lancet-Kommission erarbeitete Strategie für Landwirtschaft und Ernährung, die die Gesundheit des Menschen und der Erde gleichermaßen schützen soll, vor, wie eine in diesem Sinne gesunde Ernährung aussehen muss.

Die 156 g Fleisch, die heute ein Deutscher im Schnitt pro Tag verzehrt, würden auf 43 g reduziert. Aus 896 g Milch und Milchprodukten würden 250 g, aus 76 g Süßungsmitteln in Zukunft 31 g. Die konsumierte Menge an Obst und Gemüse steigt dafür von 312 g auf 500 g. Bei Hülsenfrüchten müssten aus 4 g dann 75 g werden. Vollkorngetreide sollte von 162 g auf 232 g gesteigert werden.

Die Ernährungsumstellung käme auch der Landwirtschaft zugute

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Sektion Schleswig-Holstein, schließt sich dem Gedanken an: „Neben der Klimabelastung entstehen bei der Umwandlung von pflanzlichem in tierisches Protein hohe Energieverluste. Durchschnittlich 65 bis 90 Prozent der Nahrungsenergie und des Proteins gehen bei der Umwandlung verloren. Somit steht der Anbau von Futtermitteln in Konkurrenz zum Anbau von Pflanzen für den direkten Verzehr“, heißt es dort. Festgehalten ist außerdem, „dass nur Pflanzen gesundheitsfördernde Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe bilden, welche durch pflanzliches Futtermittel auch in geringen Mengen in tierischen Produkten zu finden sind“.

Es wäre also schlau, dem Klima mit Messer und Gabel zu dienen. Und es wäre gerecht den weltweit etwa 830 Millionen Hungernden gegenüber. Denn ihr Leid ist in hohem Maße Folge des hauptsächlich von Wohlstandsmenschen gemachten Klimawandels.

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