Omikron in Schleswig-Holstein

Gesundheitsämter im Blindflug: Was sagen Corona-Infektionszahlen noch aus?

Gesundheitsämter im Blindflug: Was sagen Corona-Infektionszahlen noch aus?

Was Corona-Infektionszahlen aussagen

SHZ
Kiel
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In der Gruppe der Schüler sind die Infektionen doppelt so hoch wie in den älteren Jahrgängen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/shz.de

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Sieben-Tage-Inzidenz, Hospitalisierungsrate, Klinikbelegung: Virologen und Gesundheitsministerium setzen auf zusätzliche Daten – vor allem der Krankenhäuser.

Bei jedem der 15 Gesundheitsämter in Schleswig-Holstein ploppen täglich Hunderte neuer Covid-19-Fälle auf, die Kontaktverfolgung ist vielerorts Vergangenheit – und immer häufiger wird zur Bestätigung einer Infektion auf PCR-Tests verzichtet. Deshalb taucht zunehmend die Frage auf: Wie aussagekräftig ist die Sieben-Tage-Inzidenz eigentlich noch?

Der Rendsburger Gesundheitsamtsleiter hat dazu am Freitag eine deutliche Einschätzung abgegeben: „Wir befinden uns derzeit im absoluten Blindflug“, sagt Virologe Stephan Ott. Auf dem Lübecker Campus des Uni-Klinikums Schleswig-Holstein drückt es sein Kollege Jan Rupp so aus: „Wir wissen, dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher sein muss als die gemeldeten Daten.“

Rupp hatte bereits im vergangenen Jahr dafür plädiert, sich von der reinen Inzidenzzahlenbetrachtung zu lösen. In der Vergangenheit sei die Sieben-Tage-Inzidenz ein Frühindikator für die Krankenhausbelegung gewesen. Aktuell grassiere Omikron aber vor allem in der jüngeren Bevölkerung, mit wenigen schweren Verläufen: „Viele Intensivpatienten sind noch Delta-Patienten“, so Rupps Erfahrung. Es sei allerdings nicht so, dass Omikron harmlos ist: „Hätten wir nur 40 bis 50 Prozent Geimpfte unter den Älteren, wäre das ein Problem.“

Hospitalisierung bei den Älteren sinkt noch

Aktuell sei die Zahl symptomatischer Covid-Patienten unter den Kinder doppelt so hoch wie bei den über 50-Jährigen, berichtete diese Woche auch der Berliner Virologe Christian Drosten: Die Hospitalisierung steige bei den Jungen unter 35 Jahren und sinke noch bei den Älteren. Aktuell steige die Zahl der Arztbesuche in allen Altersgruppen, außer bei den über 60-Jährigen.

Krankenhausbelegung jetzt wichtiger

Also ein größeres Augenmerk auf Hospitalisierungsrate und Bettenbelegung? Für das Kieler Gesundheitsministerium sei die Sieben-Tage-Inzidenz „noch weiterhin ein Indikator zur Beurteilung der Lage“. Angesichts der Omikronwelle verschiebe sich die Gewichtung der verschiedenen Indikatoren von der Inzidenz hin zur tatsächlichen Krankenhausbelegung, erklärt Sprecher Christian Kohl: „Die fortlaufend erhobenen Zahlen zur Auslastung der Kliniken, aufgeteilt in den Normal-, Intensiv- und den Beatmungsbereich, bildet das Geschehen in den Kliniken genau ab.“

Dies diene der Beurteilung hinsichtlich der Schwere der Krankheitsverläufe und der Leistungsfähigkeit der Kliniken, und damit der Sicherstellung der Versorgung. Mit der Sieben-Tage-Inzidenz lassen sich ergänzend weiterhin Entwicklungen erkennen. Auch die Teststationen müssten positive Antigenschnelltest-Ergebnisse melden. Es werde geprüft, ob dieser Prozess technisch einfacher werden könnte, um die Gesundheitsämter zu entlasten.

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