Kultur in Husum

Gräber, Geister, Grüfte: Im Mittelpunkt der neuen Husumer Stadtführungen stehen die Friedhöfe

Im Mittelpunkt der neuen Husumer Stadtführungen stehen die Friedhöfe

Im Mittelpunkt der Husumer Stadtführungen stehen Friedhöfe

SHZ
Husum
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Die Stadtführer Ingrid Schacht und Peter Kööp am Grabmal von Husums berühmten Sohn, dem Schriftsteller Theodor Storm, im Osterende. Es ist das meist besuchte Grab in der Stadt und natürlich Haupt-Anlaufpunkt der Führung. Foto: Rüdiger Otto von Brocken/shz.de

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Über die Friedhöfe Husums gibt es einiges zu erzählen. Was, das rücken die Stadtführer Ingrid Schacht und Peter Kööp in den Mittelpunkt der neuen Reihe „Gräber, Geister, Grüfte – Husumer Friedhofsgeschichten“.

Husum ist eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Stadt. Auch wenn das nicht immer und überall sofort ersichtlich wird. Wer weiß schon, dass der Kieler Ferdinand Tönnies hier, einen Steinwurf vom Schloss, dem Kindheitswohnsitz der Schriftstellerin Franziska zu Reventlows entfernt, an seinem Hauptwerk „Gemeinschaft und Gesellschaft“ gearbeitet und damit zugleich die Soziologie begründet hat.

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Und wer, dass Theodor Storm, der ebenfalls in Husum geborene Hirnforscher Oskar Vogt und Tönnies einander im Schloss vor Husum noch leibhaftig begegnet sind. Eine von vielen Geschichten aus den Annalen der Stadt, von denen viele es erst vor kurzem ans Licht der Öffentlichkeit geschafft haben.

Friedhöfe als stumme Zeugen der Stadtgeschichte

Oft sind es Friedhöfe, die in aller Stille Zeugnis von dieser lebhaften Vergangenheit ablegen. Deshalb war es für Ingrid Schacht und Peter Kööp auch ein naheliegender Gedanke, ihre vor vier Jahren eingeführten Stadtführungen durch den „Tatort“ Husum um einen Blick hinter die Kulissen von Grabsteinen und Grüften zu erweitern. Und natürlich steht das Grabmal von Theodor Storm dabei auch auf dem Programm.

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Wie schon in der Vergangenheit gründet auch diese neue Idee der langjährigen Stadtführerin und des früheren Mitarbeiters im Nordfriisk Insituut auf den Forschungen von Stadthistoriker Klaus Schumacher, der zuletzt unter anderem mit der Neuerscheinung „So troll'n wir uns – Husumer Friedhofsgeschichte(n)“ auf sich aufmerksam machte.

Erinnerung an die alte Husumer Stadtkirche und ihre Grüfte

Die Friedhofsgeschichten haben es in sich, und sie geben, wie Kööp und Schacht betonen, ein zum Teil krasses Beispiel dafür, „wie wir mit unserer Vergangenheit und unseren Vorfahren umgehen“. Zum Beispiel mit der alten gotischen Marienkirche, die 1807 wegen angeblicher Baufälligkeit abgerissen wurde, deren mächtiges Schiff seinerzeit fast den gesamten Marktplatz überspannte und dessen mehr als 90 Meter hoher Turm die Stadt bereits von weither ankündigte.

Doch nicht allein der Schildbürgerstreich ihres Abrisses interessiert das etwas andere Stadtführer-Duo. Tatsächlich gab es allein in der alten Kirche 171 Grüfte. Und draußen auf dem Marienfriedhof im Westen der Stadt fanden sich mehr als 400 weitere Grabstätten, was ihn zum ältesten der Stadt macht. Auch heute noch sind dort etliche historische Grabsteine zu finden.

Herzog wartete ein halbes Jahr auf seine Beerdigung

Auch auf diesem Feld gibt es viele Fragen, von denen Schumacher inzwischen nicht wenige beantworten konnte. So wurde Herzog Friedrich III., nachdem er in Tönning verstorben war, bis zu seiner Beisetzung in Schleswig ein halbes Jahr in Husums „zwischengeparkt“ – mit großem Brimborium und wahrscheinlich auch unter Verwendung von Weihrauch, der, wie in anderen Fällen auch, den Verwesungsgeruch überdeckte.

Doch soll es bei den neuen Führungen nicht nur dunkel, düster und morbide zugehen, sondern auch der einen oder anderen Anekdote zur sich verändernden Sterbe- und Bestattungskultur Raum gegeben werden.

Wo werden Muslime beerdigt?

So viel zur Geschichte, deren unmittelbare Verbindung zur Gegenwart für Kööp nicht zuletzt in der Frage mündet: „Wo werden eigentlich Muslime beerdigt, die in Husum versterben?“ Auf diese und viele weitere Frage wollen die beiden mit ihren neuen Friedhofsführungen Antwort geben. Und letztlich landen ja auch Mörder und Totschläger irgendwann unter der Erde.

Husum als Tatort

Über diese erzählen die beiden in ihren Tatort-Stadtführungen. So stand noch vor 300 Jahren dort, wo heute im Sommer Touristen den wolkenlosen Himmel über dem Markplatz genießen, ein Pranger, wurden Gerichtsurteile aus einem offenen Fenster des alten Rathauses (heute Tourist-Info) verkündet und von einem Scharfrichter vollstreckt, dessen Haus noch immer im Osterende steht, doch dessen Tätigkeit – so notwendig sie den hohen Herrschaften erscheinen mochte – ihn zu keiner Zeit ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden ließ.


Diesen, aber auch vielen anderen Geschichten gehen Kööp und Schacht bei ihren Tatort-Stadtführungen auf den Grund. Und weil Mord und Totschlag zu jeder Zeit Hochkonjunktur hatten und haben, sind auch Hinweise von Husums Kripo-Chef Sven Knies zum Stand von gelösten und ungelösten Kriminalfällen mit eingeflossen.

Die neue Reihe von Führungen soll „Gräber, Geister, Grüfte – Husumer Friedhofsgeschichten“ heißen. Tatort-Führungen gibt es schon jetzt und weiterhin an jedem letzten Sonnabend im Monat, ab 16 Uhr. Treffpunkt ist das Alte Rathaus, Großstraße 27, Telefon 89870. Dort, in der Tourismus- und Stadtmarketing GmbH gibt es auch Informationen zur sogenannten „Henkersmahlzeit“, einem weiteren Angebot von Schacht und Kööp.

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