Schwabstedter Westerkoog

Grauweide wölbt sich übers Moor: Landwirt Heinrich Mommens mahnt Pflege an

Grauweide wölbt sich übers Moor: Landwirt Heinrich Mommens mahnt Pflege an

Grauweide wölbt sich übers Moor

SHZ
Schwabstedt
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Heinrich Mommens auf einem Weg im Schwabstedter Westerkoog, der sachte von der Grauweide überwuchert wird. Foto: Birger Bahlo/shz.de

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Moore darf man nicht sich selbst überlassen. Das ist die These eines Schwabstedters, der im Westerkoog auf Schäden durch die Grauweide hinweist. Er fordert die Fachwelt zum Handeln auf.

Heinrich Mommens (80) ahnt schon, dass er in ein Wespennest sticht. Aber er kann es nicht mehr aushalten. Immer öfter liest er auch bei shz.de, dass Moore Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und speichern können – eine auch seiner Ansicht nach notwendige Funktion, um den Klimawandel zu verlangsamen.

Diese Theorie zweifelt der Landwirt auch gar nicht an, aber die Praxis scheint ihm viel komplexer. Moore müssten auch gepflegt werden, um das leisten zu können. Bezüglich des Niederungsmoors Schwabstedter Westerkoog hat er arge Zweifel, ob das nicht kaputtgehen wird, wenn nicht bald etwas geschehe.

Wer von Rantrum über den Lagedeich Richtung Wisch fährt, braucht nur nach rechts zu schauen, um das Problem zu sehen. Über weite Strecken beherrscht die Grauweide über den Moorflächen das Bild – fast flächendeckend möchte man sagen. Mommens stellt jetzt folgende Vermutungen an: Das Gehölz überwölbe das Moor und hindere es dadurch, CO₂ aufzunehmen. Außerdem erlahme die Neubildung von Moosen und Pflanzen, die von Vorteil für die Speicherung des schädlichen Klimagases wären. Und noch etwas: Er hält es für möglich, dass die Grauweide vielleicht sogar selbst das schädliche Klimagas ausscheide.

Steile Thesen, die er da in die Welt setzt. Aber er ist gar nicht der Typ, der sich nicht auch eines anderen belehren ließe. Daher fügt er hinzu, dass ihn es freuen würde, wenn dort gründliche Forschungen betrieben würden und vielleicht Studierende sich sogar für eine Doktorarbeit daran versucht.

Er erzählt, dass dort bereits von einem jungen Mann in einem Zelt CO₂-Messungen vorgenommen worden seien, aber auf freien, unberührten Flächen. So gemacht, bestätige es dann einmal mehr den Vorteil der Moore, weil dort alles in Ordnung sein könnte. Gemessen werden müsste aber genau dort, wo die Grauweide wuchert und die CO₂-Bilanz womöglich ganz anders aussieht.

Heinrich Mommens ist in der Landschaft aufgewachsen, hat familiäre Wurzeln in der Landwirtschaft und dort im Westerkoog vor Jahren privat Reet angebaut. Was er erzählt, stammt aus seinen eigenen Beobachtungen der Natur, doch was sagen Fachleute in offiziellen Stellen dazu?

Julia Jacobsen leitet die Eider-Treene-Sorge-Station des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Bergenhusen. Sie hat just einen Entwurf für das Management in jenen Naturschutzgebieten fertig, der baldmöglichst auch Landeigentümern und Institutionen vorgestellt werden soll.

Die Diplom-Agraringenieurin hält es für notwendig, dass zumindest Teilflächen des Niederungsmoores von Weiden befreit werden müssten. Allerdings könne das Holz wegen seiner minderen Qualität wirtschaftlich nicht verwertet werden, und es sei fraglich, wie man auf dem moorigen und nassen Untergrund überhaupt an die Gehölze herankommen könne. Auch sie hält es für möglich, dass dort der Natur zu lange freier Lauf gelassen worden sei, statt pflegend einzugreifen.

Auf den von der Grauweide befreiten Flächen könnten dann wieder ungehindert Torfmoose wachsen. Generell wünscht sie sich für Moore, dass der Wasserstand dort bis aufs Äußerste angehoben werde, „also Oberkante Unterlippe“, wie sie es beschreibt.

Bezüglich der Kernfrage von Heinrich Mommens, ob die Grauweide womöglich sogar Kohlendioxid produziere und das Moor hindere, CO₂ zu speichern, will sie nach Studien suchen und Antworten nachreichen.

Bei diesem Punkt will sich auch Henning Uphoff vom Eider-Treene-Verband nicht festlegen, sondern verweist ebenfalls auf eine Fülle Untersuchungen, die ausgewertet oder erst noch angestellt werden müssten. Er verweist vor allem auf die wasserwirtschaftliche Funktion als Rückstaupolder, um die südlich liegende Treene bei Hochwasser zu entlasten. Der Speicherraum könne nur in Teilen bewirtschaftet werden. Er spricht davon, dass es „Hausaufgabe ist, den Polder instandzusetzen“ – ein weites Feld für alle Fachleute.

Und nicht ohne Brisanz wegen der vielen offenen Fragen. Wie sagte Kerstin Fuhrmann aus der Geschäftsführung des Eider-Treene-Verbandes spontan auf den Anruf von shz.de: „Ein brenzliges Thema.“

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