Kolumne

„Habeck, der Krötenschlucker“

Habeck, der Krötenschlucker

Habeck, der Krötenschlucker

Miriam Scharlibbe/shz.de
Flensburg
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Auch im Karneval präsent: Robert Habeck wird auf einem Mottowagen in Düsseldorf karikiert. Foto: Federico Gambarini/shz.de

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Robert Habeck und der deutsche Karneval haben viel gemeinsam. Die einen lieben ihn für seine vermeintliche Bodenständigkeit und Authentizität, die anderen hassen ihn für seine Unangepasstheit und Emotionalität. Und irgendwie sind beide manchmal politisch inkorrekt.

Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Wir Menschen lieben Party und Protest, wollen die Erde retten und trotzdem online shoppen. Dabei setzen wir den Planeten in Brand. Die Klimakrise ist DAS Thema unserer Zeit. Miriam Scharlibbe legt den Finger in die Wunde und schaut dorthin, wo es wehtut: in den Spiegel. Sie kritisiert Verschwendung und Verwerfungen des Kapitalismus, Gedankenlosigkeit und mangelnde Nachhaltigkeit – und hadert dabei ständig mit sich selbst.

Viel zu bunte Kostüme, nur schwer zu kauende Süßigkeiten, unverständliche Schlachtrufe und Unmengen an Alkohol – das ist Karneval für viele Menschen außerhalb des Rheinlands, Franken oder Bayern. Eine Flucht aus dem Alltag, die Chance in andere Rollen zu schlüpfen, Traditionspflege und Heimatgefühle – das sind Fastnacht, Fasching oder eben Karneval in den besagten Hochburgen.

Eindeutige geografische Grenzen verwischen dabei immer mehr. So würde man normalerweise die Elbe als natürliches Ende des Februar-Frohsinns ausmachen. Wenn es da nicht dieses gallische Dorf namens Marne (rund 5.600 Einwohner) im Kreis Dithmarschen geben würde, das eisern versucht, die Karnevalsfackel für Schleswig-Holstein hochzuhalten.

Zweifelhafte Ehre für Robert Habeck

Aus diesem schönsten aller Bundesländer zwischen zwei Meeren stammt übrigens der aktuelle Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Nicht erst seit seiner Berufung in die Ampelkoalition gilt der Flensburger als Medienliebling. Was ist nicht schon alles über Habeck geschrieben worden: Über seine Art zu reden (ehrlicher, direkter, nahbarer). Über seine Art, seinen Kopf zu halten (leicht zur Seite). Über seine Art, auf Bahnsteigen zu sitzen (im Schneidersitz auf der Erde). Über seine Art zu frühstücken (Müsli mit Wasser.) Über seine Entscheidung, eine Krawatte zu tragen (überraschend). Dafür wird er gleichermaßen geliebt und gehasst. Die unangepasste Art nehmen manche als Beweis dafür, dass es hier jemand endlich ernst meint mit einem neuen Politikstil. Andere sehen darin genau das Gegenteil: den Beleg für eine in Teilen sehr gelungene Selbstdarstellung.

Beinahe könnte man vergessen, dass wir hier über den amtierenden Vizekanzler reden. Doch zum Glück erinnert uns daran der eingangs erwähnte Brauch des Karnevals. Zu dessen DNA gehört es nämlich auch, die großen politischen Akteure auf besondere Art und Weise zu würdigen – als überzeichnete Karikaturen, riesige Figuren auf den politischen Mottowagen mit markigen Sprüchen und meist unvorteilhaften Gesichtszügen. Diese zweifelhafte Ehre wurde in diesem Jahr auch Robert Habeck zu Teil.

Düsseldorfer Jecken sahen in ihm den Krötenminister und zeigten den Norddeutschen mit weit geöffnetem Mund, einen Froschlurch nach dem anderen verspeisend. Die grünen Klopper trugen Titel wie Atomkraft, Aufrüstung und „Gas aus Diktaturen“ – alles vermeintliche Kröten, die Habeck in der Ampel-Kolaition bereits schlucken musste.

Robert Habeck hatte schon mal mehr Fans

Nun hatte Habeck es in seiner Zeit als schleswig-holsteinischer Landwirtschaftsminister schon mit allerlei Tieren zu tun, Kröten gehörten allerdings weniger dazu. Im politischen Berlin dürfte er bereits auf den ein oder anderen Wendehals getroffen sein. Leitwölfe laufen dort ebenfalls zur Genüge rum. Da sollten ihn Amphibien-Metaphern im Karneval wohl eher kalt lassen. Zumal es nicht der einzige Vergleich aus dem Tierreich in dieser Woche ist.

Habeck, der gerade vor allem durch Auseinandersetzungen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) Schlagzeilen generiert, hatte schon mal mehr Fans. Habeck und Lindner, so heißt es, erinnerten derzeit an zwei Zeichentrickfiguren, die sich bei jeder Gelegenheit eins auswischen und ihren Daseinszweck im Dauerstreit sehen: Tom und Jerry. Ob Habeck Kater oder Mäuserich ist, ist wahrscheinlich eine Frage des Blickwinkels. Wie gut, dass jetzt Aschermittwoch ist und die Fastenzeit beginnt.

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