Transgender

Hanna Sievers aus Klein Königsförde hieß früher Hans

Hanna Sievers aus Klein Königsförde hieß früher Hans

Hanna Sievers aus Klein Königsförde hieß früher Hans

Michelle Ritterbusch/shz.de
Klein Königsförde
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Hanna Sievers lebt seit ihrem 60. Geburtstag als Frau. Geboren ist sie als Hans. Foto: Michelle Ritterbusch/shz.de

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Hanna Sievers aus Klein Königsförde ist transsexuell. Sie wurde mit dem „falschen“ biologischen Geschlecht geboren. Ihr Coming-out hatte sie erst mit 60 Jahren.

Hanna Sievers wirkt entspannt. Sie lächelt viel, während sie ihre Geschichte erzählt. Dabei ist es eine Geschichte, die nicht immer leicht war. Denn als Hanna Sievers vor 60 Jahren geboren wurde, hieß sie Hans.

„Dass irgendwas nicht passt“, weiß Hans schon viel früher. Nach dem Sportunterricht in der Schule hat er* große Hemmungen, mit den anderen Jungs zu duschen. Etwa elf Jahre alt ist er da. „Ich habe gefühlt, dass ich da nicht hinpasse“, sagt Hanna Sievers heute.

Was genau es ist, weiß der Jugendliche nicht. Er wächst in Klein Königsförde auf. Aufgeklärt wird der Junge durch die „Bravo“. Seine Eltern halten sich da raus. Über Sexualität spricht man damals nicht gern.

Dass es Transmenschen gibt, bekommt der Jugendliche nur am Rande mit. Transsexualität sei mit etwas Schlechtem verbunden gewesen. „Solche Leute kommen in die Klapse“, denkt er. Aber er fühlt sich damals schon als Mädchen. Die Sängerin Stevie Nicks von der Band Fleetwood Mac findet er toll. Ihre Stimme, ihr Aussehen, ihre Ausstrahlung – so will er sein. „Aber das ging ja nicht. Ich war nun mal ein Junge“, sagt Hanna Sievers rückblickend. „Ich habe versucht, die Erwartungen zu erfüllen.“

Im Alter von 18 Jahren traut Hans Sievers sich, in einem Sexshop Strümpfe und Strapse zu kaufen. Wenn er abends weggeht, hält er hinter einem Knick und zieht sich die Reizwäsche an. Darüber trägt er seine Hans-Kleidung. Das fühlt sich besser an, bleibt aber ein Versteckspiel.

Mit 26 Jahren lernt Hans seine Frau Maren kennen. Sie ist seine erste Freundin. Er denkt: Jetzt wird alles gut. Das Verlangen, eine Frau zu sein, werde verschwinden, hofft er. Ein Irrtum. Irgendwann versteckt er wieder Kartons mit Damenreizwäsche im Heizungsraum.

Das Coming-out verlief nicht wie erwartet

Den Mut, sich zu outen, fasst Hans Sievers durch eine Onlinegruppe. Eigentlich geht es hier nur um schnelle sexuelle Kontakte. Aber es entstehen Freundschaften. Hier ist Hanna von Anfang an Hanna. Niemand stellt Fragen.

Bei seiner Frau Maren hat Hans mehr Bedenken. Eines Abends sagt er: „Ich gehe raus. Und ich ziehe mich als Hanna an.“ Er erwartet ein Donnerwetter. Aber das kommt nicht. Stattdessen ist die Antwort: „Okay“. Auch am nächsten Tag gibt es keinen Streit. Hans ist jetzt Hanna. Und das ist okay. So erzählt Hanna Sievers die Geschichte ihres Coming-outs.

Zum 60. Geburtstag begrüßt Hanna die Gäste

Ganz so einfach ist es aber auch für Hanna Sievers Frau nicht: Es falle ihr immer noch schwer, „Hanna“ statt „Hans“ zu sagen, sagt sie. Ab und zu spreche sie auch noch aus Versehen von „meinem Mann“, wenn sie über Hanna redet.

Der endgültige Schritt zur Transformation von Hans zu Hanna startet Hanna Sievers zu ihrem 60. Geburtstag. Sie begrüßt die Gäste als Hanna. Und wieder reagieren alle positiv, erzählt sie.

Hans und Hanna haben kaum etwas gemeinsam

Durch das Coming-out kann die 60-Jährige emotionalen Ballast abwerfen. Mit Hans hat Hanna nicht mehr viel gemeinsam: „Hans war in sich gekehrt und ist zu Hause geblieben. Hanna geht raus, spricht mit jedem und will etwas erleben.“

Mittlerweile hat Hanna Sievers eine Behandlung begonnen. Psychologen erstellen ein Gutachten. Erst danach kann sie eine Hormontherapie beginnen und die geschlechtsangleichende Operation machen lassen. Wie viel Zeit noch bis zu diesem drastischen Schritt vergehen wird, weiß Hanna Sievers nicht. Aber das stört sie nicht: „Ich habe jetzt so lange gewartet“, sagt sie. „Da kommt es auf ein Jahr auch nicht darauf an.“

*Da die Person dieser Geschichte früher dem männlichen Geschlecht angehörte, verwenden wir in den Abschnitten vor dem Coming-out den Namen Hans und das Pronomen er.

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