Corona und Tourismus

Helgoland hofft auf starke Saison ab März – aber die Ungewissheit bleibt

Helgoland hofft auf starke Saison ab März – aber die Ungewissheit bleibt

Helgoland hofft auf starke Saison ab März – aber die Ungewissheit bleibt

SHZ
Helgoland
Zuletzt aktualisiert um:
Die Hummerbuden auf Helgoland: Tourismus-Chef Stephan Hauke hofft, dass die Touristen-Saison auf Helgoland im März starten kann. Foto: CSP_chicho7671 via www.imago-images Foto: 90037

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Wenn im Frühjahr die Saison beginnt, möchte die Insel für 2022 wieder wirtschaftlich auf Kurs kommen. Die Vorbuchungen für den Sommer verbreiten Optimismus. Doch niemand weiß, wie sich die Pandemie weiterentwickelt.

Kurz nach Beginn der Corona-Pandemie waren im April 2020 zwei shz.de-Redakteure auf der Insel Helgoland zu Gast. Das Eiland in der Nordsee war damals von der Außenwelt abgeriegelt worden, um zu verhindern, dass sich das Virus auf der Insel uneingeschränkt verbreiten kann. Der Eindruck der Reporter damals: Die Wirtschaft ist stärker betroffen. Die Bevölkerung ist stärker eingeschränkt, die Straßen und Wege sind leerer. Wie sieht es zwei Jahre später aus? shz.de hat nachgefragt – und dabei auch mit Personen gesprochen, die vor zwei Jahren bereits ihre Eindrücke geschildert hatten.

Helgoland im Kreis Pinneberg, Deutschlands einzige Hochseeinsel – noch ist sie in einer Art Winterschlaf. Es ist ungemütlich in diesen Wochen, auch wenn die Temperatur oft noch ein, zwei Grad höher ist als auf dem Festland. Regelmäßig verkehrt die Fähre von Cuxhaven im Winterfahrplan. Aber sie bringt nur wenige Gäste und Einheimische oder holt sie ab. Auch am Flugplatz geht es beschaulich zu. Und doch ist es nach knapp zwei Corona-Pandemie-Jahren kein Winter wie jeder andere. Denn für die Inselbewohner bleibt die Frage: Wie wird die kommende Saison? Immerhin: Anders als im Frühjahr 2020 ist das Reisen möglich. Auch geben die Zahlen vom vergangenen Jahr Hoffnung.


„Die Lage auf Helgoland war und ist die letzten Wochen im Corona-Kontext sehr entspannt mit niedrigen einstelligen Infektionszahlen“, berichtet Bürgermeister Jörg Singer und freut sich über die guten Tourismus-Zahlen vom vergangenen Jahr: „Wenn wir ab April wieder voll und ungebremst öffnen können, steuert dieses Jahr wirtschaftlich wieder auf Kurs.“ 28 Corona-Fälle hat es bis Mitte Januar laut Kreis Pinneberg auf der Insel gegeben – verglichen mit anderen Kommunen oder Ämtern ist Helgoland auch prozentual der am wenigsten von Corona betroffene Ort im Kreis.

Kaum Passagiere an Bord der MS Helgoland

Trotz weniger Fälle sah es im ersten Corona-Jahr für die Insel noch anders aus. Die Lage schien trostloser, die Insel hoffte auch bessere Zeiten. Festzumachen ist das exemplarisch an zwei Zahlen: Normalerweise passen auf die MS Helgoland, die zwischen Cuxhaven und der Insel verkehrt, 1060 Personen. Im April 2020 waren auf der Fahrt der shz.de-Redakteure nur 28 Personen an Bord – davon 13 Crew-Mitglieder.


Eine Einreise war nur möglich mit einer sogenannten „Eigenerklärung zur Zugangsbeschränkung zu der Insel Helgoland auf dem Gebiet des Kreises Pinneberg“. Und das auch nur, wenn man auf Helgoland seinen ersten Wohnsitz hatte, eine systemrelevante Tätigkeit auf der Insel ausübte oder einen Angehörigen auf der Insel pflegen musste. Oder wer als Journalisten eine Sonderakkreditierung der Landesregierung vorweisen konnte. Und selbst die galt nur für einen Tag.


Einheimische selbst durften die Insel nur für Arztbesuche am Festland verlassen. Die Hochseeinsel war quasi von der Außenwelt abgeschnitten – so, wie man es bisher nur von schweren Stürmen kannte. Nur anders. Und trostloser noch als am Festland, wo ebenfalls das Leben im Krisenmodus lief. „Für uns ist das eine mittelgroße Katastrophe“, sagte der damalige Bürgermeistervertreter und Hotelier Gunther Nagel. Für ihn und seine Kollegen war die ohnehin gästearme Wintersaison quasi nahtlos in die Corona-Zeit übergegangen.


Auch wenn sich die Lage inzwischen deutlich geändert hat, und die meisten einen totalen Lockdown für unwahrscheinlich halten, ist die Unsicherheit bei den Insulanern auch heute noch zu spüren. „Das Brutale ist, dass wir nach wie vor diese riesige Ungewissheit haben und man nicht weiß, was auf uns zukommt und wie das weitergeht“, sagt Helgolands Tourismusdirektor Stephan Hauke. Doch die bisherigen Anfragen für den Sommer stimmen ihn optimistisch: „Die Vorbuchungen sind relativ gut.“


Tourismus-Chef hofft auf Saison-Beginn Mitte März

Auch wenn über Weihnachten und zur Jahreswende deutlich weniger Touristen gekommen seien, hoffe er, dass es für den Rest des laufenden Jahres eine ähnlich gute Entwicklung wie 2021 gebe. „Im vergangenen Jahr sind wir ab Mitte Mai sozusagen von Null auf 100 gestartet“, berichtet der Tourismus-Chef. Die Bilanz: 2021 zählte Helgoland rund 250.000 Besucher – sowohl Tagesgäste als auch Urlauber, die mehrere Tage blieben. Für dieses Jahr hofft Hauke im Interesse der Anbieter von insgesamt 2.700 Gästebetten, der Gastronomie und der übrigen Betriebe auf einen Beginn der Saison schon für Mitte März.


Keine Illusion macht sich der Tourismusdirektor, jemals wieder Besucherzahlen aus den 70er- und 80er-Jahren erreichen zu können. „Damals – als noch der zollfreie Einkauf die Hauptattraktion war – kamen pro Jahr rund 800.000 Gäste jährlich“, erinnert er. Zuversichtlich zeigt sich Hauke, die Touristenzahlen auch ohne „Duty-free-Schnäppchen steigern zu können. Ein neues Konzept sieht vor, die Attraktivität der Insel auch außerhalb der Hochsaison deutlich zu machen. „Zum Beispiel der Februar ist vom Wetter her nicht der attraktivste Monat – aber ideal für eine Auszeit zum Entspannen, zum Beispiel in der Sauna mit Meerblick“, so Hauke.

1000 Insulaner bis Ende Januar geboostert

Auch die Bewohner der Insel bereiten sich gut auf die kommenden Monate und ihre Besucher vor. Bürgermeister Singe rechnet für Ende Januar damit, dass mehr als 1000 der insgesamt rund 1.500 Insulaner Booster-Impfungen erhalten haben. Aber es gebe, wie andernorts auch, Impfverweigerer und entsprechende Debatten in den sozialen Netzwerken. Dennoch: „Unter den allerseits schwierigen Umständen für alle Beteiligten folgen wir zu über 98 Prozent den sich laufend veränderten Spielregeln“, resümiert er und hofft, „nicht wie 2020 verschärfte Sonderregelungen zum Schutz der Insel aus den Schubladen ziehen“ zu müssen.


Zufrieden mit „seinen“ Helgoländern zeigt sich auch Polizeihauptkommissar Lars Carstens, Leiter des dortigen Reviers. „Der allergrößte Teil der Anwohner hier ist vernünftig“, betont er. Coronabedingte Polizeieinsätze gebe es jedenfalls nicht. Auch mit der Einhaltung der Hygieneregeln nehmen es die Menschen auf der Insel nach seinen Worten sehr genau. Dazu gehöre auch, dass sich beispielsweise Restaurantbesucher als geimpft ausweisen müssen. „Hier läuft alles sehr entspannt“, fasst er die aktuelle Lage zusammen.

Händeschütteln auf Helgoland nicht üblich

Auch habe es nicht, wie vom Festland vereinzelt zu hören sei, Zunahme von häuslicher Gewalt gegeben. Ein Geheimnis, wie sich die Helgoländer vor möglichen Ansteckungen schützen, verrät der Beamte: „Schon vor ‚Corona‘ war das Händeschütteln zur Begrüßung nicht üblich. Das hat schon manchen Gast gewundert, ist aber hier wirklich nicht verbreitet.“ Und übrigens sage der Helgoländer nicht „Moin“, sondern begnüge sich mit einem freundlichen „Hallo“. Möglicherweise stamme das noch aus der Zeit, als Helgoland noch zu Großbritannien gehörte.


Jetzt im Winter sind in der Helgoländer Polizeistation fünf Beamte im Dienst, vier weniger als im Sommer. Zweimal pro Woche machen sie Corona-Tests. Ansonsten ist Polizeialltag – derzeit allerdings ohne schwere Fälle wie der Diebstahl im Jahr 2021, als Schmuck im Wert von 70.000 Euro gestohlen wurde. Und der letzte Mord liegt sogar fast 300 Jahre zurück. Damals durchbohrte Marike Peters aus Eifersucht mit einem Dreizack ihrer Nebenbuhlerin Jasper Emke die Gurgel. Die Mörderin wurde 1719 hingerichtet.

Heute verträgt man sich auf der Insel, wie Hauptkommissar Carstens sagt. Und man arrangiert sich – auch mit Corona.

Hier können Sie nachlesen, was unsere Reporter im April 2020 auf der Insel erlebt haben.

Mehr lesen