Frauenzentrum Schleswig

Hilfe bei häuslicher Gewalt: Polizei gibt Nummern immer öfter weiter

Hilfe bei häuslicher Gewalt: Polizei gibt Nummern immer öfter weiter

Hilfe bei häuslicher Gewalt

Lisa Bohlander, shz.de
Schleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Teil des Frauenzentrum-Teams in Schleswig: Heide Thiel, Trauma Fachberaterin, Christiane Schunter, Diplompädagogin und Traumapädagogin, und Christina Mieruch, Pädagogin (von links nach rechts). Foto: Lisa Bohlander/shz.de

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Im Schleswiger Frauenzentrum arbeiten verschiedene Abteilungen zusammen. Nach Fällen von häuslicher Gewalt bieten die Mitarbeiterinnen Betroffenen ihre Hilfe an, wenn die Polizei gerufen wird – das kommt deutlich häufiger vor als früher.

Eine unscheinbare dunkelgraue Eingangstür führt in einen unscheinbaren Flur. Doch die Treppen in den ersten und zweiten Stock können in ein neues Leben führen. Ein Leben ohne Gewalt und ohne Ängste.

Zwei Anlaufstellen unter einem Dach

Seit über 40 Jahren gibt es das Frauenzentrum in Schleswig. Vor fünf Jahren haben die Mitarbeiterinnen die Räumlichkeiten am Capitolplatz 4, mitten in der Innenstadt, bezogen. Seit etwa einem Jahr ist hier auch der Kinderschutzbund angesiedelt. So sind die Anlaufstellen für von Gewalt und sexualisierter Gewalt Betroffene unter einem Dach.

Beratungsbedarf in Schleswig ist hoch

Denn sie werden gebraucht: Insgesamt 624 Beratungen von Betroffenen – ohne Schwangerschaftsberatungen – hat das Frauenzentrum 2022 durchgeführt. In der Anlaufstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen waren es 75 Beratungen bei 20 Betroffenen und Bezugspersonen – wobei diese ihre Arbeit erst zum 1. Juni aufgenommen hat.

Fünf Mitarbeiterinnen kümmern sich um die Betroffenen. Etwa Heidi Thiel als Trauma-Fachberaterin, Christiane Schunter als Diplom- und Traumapädagogin und Christina Mieruch als Pädagogin. In ihrem Beratungszimmer stehen drei pastellgrüne Sessel, es gibt Bilder- und Erklärbücher, Spiele wie „Ich bin gut zu mir“ und weitere Spielsachen. Alle Räume sind hell, haben hohe Decken. An jedem Beratungstisch stehen Taschentuchboxen.

Frauenzentrum arbeitet unter anderem mit der Polizei Schleswig zusammen

„Es werden immer mehr Fälle, vor allem bei den Zuweisungen durch die Polizei“, sagt Schunter. Ihr zufolge haben sich Fälle, bei denen das Frauenzentrum die Telefonnummern der Betroffenen – nach deren Zustimmung – von der Polizei bekommt, im vergangenen Jahr verdoppelt. Die Beamten beziehen das Zentrum mit ein, wenn sie zu Einsätzen wegen häuslicher Gewalt gerufen werden. Warum das immer mehr wird, kann nur gemutmaßt werden: Etwa rufen Nachbarn und sonstige Beteiligte bei Vorfällen schneller die Polizei hinzu als früher.

Wann die Bereitschaft für Veränderung am größten ist

Heide Thiel ist froh und dankbar für die Maßnahme. Es gebe eine hohe Erfolgsquote bei den Beratungen, denn: „Kurz nach einer Gewalttat ist die Bereitschaft für Veränderung am größten.“ Hilfreich ist dabei auch das Angebot des Frauenzentrums, Betroffene zur Beweissicherung nach häuslicher und sexualisierter Gewalt zu untersuchen. Es ist in Zusammenarbeit mit der Fachärztin für Gerichtsmedizin Nadine Wilke-Schalhorst vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und Ärzten und Gynäkologen des Helios-Klinikums entstanden: Sie sind geschult, Betroffene auf Spuren zu untersuchen und sie als Beweise zu sichern.

20 Jahre Aufbewahrung von Proben nach häuslicher und sexualisierter Gewalt

In diesem Falle werden Male und Verletzungen fotografiert, die Fingernägel auf Haut- und Faserspuren untersucht. Dies kann im Frauenzentrum in einem Behandlungszimmer geschehen. Gynäkologische Abstriche können in der Klinik vorgenommen werden. Die Proben werden verplombt, von einem Botendienst abgeholt und in der Rechtsmedizin in Kiel eingelagert – für 20 Jahre, bei Kindern und Jugendlichen zählen diese erst ab dem 18. Geburtstag.

„So können Betroffene sich Zeit nehmen und in Ruhe überlegen, ob sie eine Anzeige stellen wollen“, sagt Thiel. Die Untersuchungen sind freiwillig und können anonym erfolgen. Betroffene benötigen lediglich ihre Krankenversichertenkarte. Für Untersuchungen wie Beratungen gilt: Sie sind immer ergebnisoffen, freiwillig und niedrigschwellig.

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