Dorfentwicklung

Hohe Preise und ortsfremde Bauten: Parallelen zu Sylt in Fahretoft?

Hohe Preise und ortsfremde Bauten in Fahretoft

Hohe Preise und ortsfremde Bauten in Fahretoft

SHZ
Dagebüll
Zuletzt aktualisiert um:
Planer Wulf Dau-Schmidt (links) regte beim Rundgang in Fahretoft zur Debatte über die Ortsentwicklung an. Foto: Arndt Prenzel/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Vielerorts sterben die Dörfer aus, idyllische Flecken wie Fahretoft sind immerhin als Wochenendsitz für Großstädter interessant. Diese Entwicklung gefällt nicht jedermann.

Rund 30 Bürger aus Dagebüll und Fahretoft hatten sich bei Schmidt Busreisen zusammengefunden, um zur zweiten Ortsbegehungstour per Bus Richtung Fahretoft zu starten.

Wulf Dau-Schmidt vom gleichnamigen Planungsbüro hatte im Auftrag der Gemeinde drei Wochen zuvor eine gut besuchte Anhörung in „Fridas Schünn“ durchgeführt. Dort hatten die Bürger bereits zahlreiche Anregungen zur Zukunft des Dorfes gegeben.

Weiterlesen: Darum regt sich in Dagebüll und Ockholm Widerstand gegen den Tourismus

Hintergrund der Debatte ist das landesweit gestartete Programm der Ortsentwicklungskonzepte. Hier reden die Bürger mit, äußern ihre Wünsche. Sind die Ideen konkreter, werden sie durch das Land auch finanziell gefördert. Dann stehen beispielsweise für ein Gemeinschaftshaus 750.000 Euro bereit. Damit will das Land Schleswig-Holstein kleinere Gemeinde beleben.

Zweitwohnungen

Wie überall, sterben auch in Südtondern manche kleinen Orte langsam, aber sicher aus. Die Bewohnerzahlen gehen zurück, auch wenn einzelne Orte immer attraktiver werden. Zumindest für Großstädter sind etwa Dagebüll oder aber Fahretoft am Wochenende ein beliebter Rückzugsort. Ein Grund dafür, dass die Grundstücks- und Häuserpreise ins Unermessliche sprießen.

Feste Anwohner werden dadurch nicht gewonnen. Eine Tatsache, die Heinke Boysen ärgert. „Mir kommt die Galle hoch, wenn ich die runtergelassenen Rolläden sehe“, sagt die Dagebüllerin unverblümt. „Ich kenne so viele junge Leute, die Wohnraum hier in der Gegend suchen, aber nicht finden.“

Hohe Preise

Die Neubauten in Dagebüll Hafen haben ebenfalls bereits eine gehobene Preisklasse erreicht. 450.000 Euro für 135 Quadratmeter Wohnfläche – das ist für Jüngere unbezahlbar.

Derweil wohnen Ältere in Fahretoft in viel zu großen Häusern, wollen gern umziehen. Die Gemeinde könnte, wie anderswo, als Bauherr aktiv werden. „In Pinneberg gibt es zum Beispiel eine Kreisgenossenschaft“, sagte Wulf Dau-Schmidt.

Ein Bürger forderte daher Bürgermeister Kurt Hinrichsen auf, aktiv zu werden. Der ließ sich nicht beirren. „Ich glaube, wir gehen mal weiter“, so Hinrichsen. Planer Guntram Blank verwies darauf, dass die Gemeinde es selbst in der Hand habe, die Zahl der Zweitwohnungen zu begrenzen. Oder aber die Baugebiete einzuschränken.

Ortsgestaltungssatzung

Noch dazu gibt es Ortsgestaltungssatzungen, die die Bauweise festlegen. „Diese hat Fahretoft nur am Holländer Deich“ gab Urgestein Hans-Otto Meier zu bedenken. Er selbst wollte vor 25 Jahren ein Dorfzentrum am Hinrichsen-Hof gründen. Alles war vorbereitet, es scheiterte knapp an den Fördermitteln. „Wir erreichten nicht die 50-Prozent-Eigenkapitalquote.“

Schon damals galt das Motto: „Es geht immer darum, wie wir in 20 bis 30 Jahren leben wollen.“ Der Hof wurde abgerissen, ein Neubau unter Reth entstand.

Auch interessant: So bezahlt sich der Lübke-Koog einen eigenen ÖPNV

Wulf Dau-Schmidt befragte die Runde, wie sie die großen, nicht passenden Fenster bewerte. Die Meinungen gingen auseinander: „Zu syltig“ hieß es. Oder aber: „Warum nicht?“ An anderer Stelle wurde ein grauer Steinbau als ortsfremd bemängelt. Die meisten befanden Backstein und weiße Fenster als passend.

Wer in Fahretoft genau hinschaut, sieht jedoch zahlreiche Verfremdungen. Idylle um jeden Preis – oder aber zeitgemäßes, ökologisches Bauen?

Kernthemen waren auf der Rundreise andere Probleme. Man war sich einig: Derzeit gibt es viele fähige Köpfe in Fahretoft. Die Frage ist: Wie bringt man sie zusammen, unter einen Hut? „Wie schafft man es, einen Dorfspirit zu entwicken, der alle mitreißt?“

Ein Dorftreff wäre von Vorteil

Der Wunsch nach einem Dorftreff kann dabei ein zündender Funke sein, vielleicht auch der Wunsch nach mehr Begegnung zwischen Jung und Alt. Viele Fahretofter sind in Cliquen und Freundeskreise integriert, oder aber in Vereinen aktiv, so dass vielfach die Zeit für Engagement fehlt.

Genau das wird aber gebraucht, um Neues zu entwickeln. Planer Wulf Dau-Schmidt hat alles protokollieren lassen. Aus den Unterlagen werden dann konkrete Ideen gefiltert. Wer weiß, vielleicht werden die Kirchen irgendwann einmal anders genutzt.

Oder aber es gibt ein Erbarmen mit dem alten Freizeitheim in Dagebüll-Kirche, dass verrottet. Doch auch hier ist schon ein ortsfremder Investor mit im Spiel. Idylle, Heimatliebe, Wunsch nach Ruhe und gleichzeitig Forderung nach mehr Arbeitsplätzen für Jüngere bei paralleler Entwicklung von Tourismus und Kommerz: Es bleibt ein Spagat.

Mehr lesen