Afghane auf Sylt

„Ich habe große Angst um meine Familie in der Heimat“

„Ich habe große Angst um meine Familie in der Heimat“

„Ich habe große Angst um meine Familie in der Heimat“

SHZ
Westerland
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Seit 31 Jahren lebt unser afghanischer Gesprächspartner schon auf Sylt. 1990 floh er vor dem Krieg in Afghanistan. Foto: Nils Leifeld/SHZ

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Er lebt seit 31 Jahren auf Sylt, seine Eltern noch immer in seiner alten Heimat: in Afghanistan. Namen und Gesicht will er nicht öffentlich machen, aus Angst vor Konsequenzen durch die Taliban. Nun packt er aus.

„Ich möchte nicht, dass mein Name oder mein Gesicht irgendwo veröffentlicht werden. Zwar habe ich keine Angst um mich, befürchte aber Konsequenzen für meine Eltern und Geschwister in Afghanistan, wenn ich über die Taliban rede.“ Das sagt ein Sylter mit afghanischen Wurzeln, den shz.de anlässlich der aktuellen Krise in seiner Heimat zum Gespräch in Westerland getroffen hat.

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Flucht aus Afghanistan nach Sylt

Der Mann ist Familienvater und lebt seit bereits seit 31 Jahren auf Sylt. Seine Wurzeln liegen in Maimana, der Hauptstadt der Provinz Faryab im nördlichen Teil Afghanistans unweit der turkmenischen Grenze. Seine Eltern und mehrere Geschwister leben noch immer dort. Aus seiner Heimat floh der Sylter 1990. Als Flüchtling kam er über Flensburg und Itzehoe nach Sylt und ist hier geblieben. Er hat auf der Insel eine Familie gegründet und in „allen möglichen Jobs gearbeitet, die es gibt“, unter anderem elf Jahre bei Gosch in Westerland.


„Ich bin damals als junger Mann aus Afghanistan weggegangen, ich erinnere mich noch gut an die Zeit Ende der 80er-Jahre. Da war auch schon Krieg bei uns, es hat immer Krieg gegeben“, sagt der Familienvater. 1989 endete in Afghanistan nach zehn blutigen Jahren die Besatzung der Sowjetunion im Land. Die Sowjets waren 1979 in Afghanistan einmarschiert. Im Kontext des Kalten Krieges unterstützten die USA die Gegenspieler der Sowjets: die islamischen Gotteskrieger der Mudschahedin.

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Seit diesem Zeitpunkt ist Afghanistan nie wirklich zur Ruhe gekommen. Die Anschläge vom 11. September 2001 läuteten eine 20 Jahre währende Präsenz der Amerikaner und anderer NATO-Mächte wie zum Beispiel auch Deutschland im Land ein. Diese Ära endete nun vor kurzer Zeit und in Afghanistan geben die Taliban wieder den Ton an.


„Die Taliban von jetzt sind in mancher Hinsicht anders als die vor 20 Jahren, sie sind moderner geworden“, sagt der Sylter mit afghanischen Wurzeln. „Was sie aber eint mit den Taliban Anfang der 2000er ist die Brutalität. Alles, was jetzt in dieser Pressekonferenz von den Taliban gesagt wurde, sind Lügen. Die Taliban sind brutal, unterdrücken Frauen, steinigen ihre Kritiker und warten nur ab, bis alle internationalen Mächte abgezogen sind, um Afghanistan wieder ins Mittelalter zurückzuführen.“

Seine Familie in der Heimat habe Angst, so der Sylter Afghane. Die Taliban seien unberechenbar und kaum einer sei sicher vor ihrer Willkür und Gewalt. Er stehe im engen Kontakt mit ihnen und halte sich durch Telefonate und Nachrichten über die aktuellen Entwicklungen im Land auf dem Laufenden. Viel möchte der Mann jedoch nicht preisgeben über seine Familie in Afghanistan. „Zum Schutz ihrer Privatsphäre.“ Nur so viel: „Mutter und Vater sind schon alt und halten sich so gut es geht aus allem raus. Sie haben die Taliban aber auch nie unterstützt.“

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Die Menschen in Afghanistan wollen Demokratie, so der Familienvater. „Leider haben sie leider nie lange Demokratie gehabt. Ich befürchte, dass Afghanistan wieder wird wie vor 2001 und es wieder Terroranschläge von Afghanistan aus in der westlichen Welt geben wird.“ Die einzige Hoffnung des Sylters: „Vielleicht kommen irgendwann wieder internationale Kräfte und vertreiben die Taliban ein weiteres Mal.“


Die Chancen dafür stehen allerdings schlecht. Die Amerikaner wollen ihr Kapitel Afghanistan so schnell wie möglich und am besten für immer schließen. Schon jetzt werden Vergleiche zum glücklosen Krieg der USA in Vietnam laut. Ohne die Amerikaner ist die NATO schwach. Das hat sich jetzt auch wieder in Afghanistan gezeigt.

„Warum sind die Amerikaner so abrupt gegangen? Warum nicht Stück für Stück? Warum haben Sie das den Taliban mitgeteilt?“, fragt unser afghanischen Gesprächspartner. „ Als die Amerikaner weg waren, war klar, dass die anderen auch nicht bleiben.“ Zurzeit, so der Mann, habe er wenig Hoffnung für sein Heimatland. Es stünden dunkle Zeiten bevor, sehr dunkle. „Und keiner unternimmt etwas dagegen.“

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