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Innenstädte in SH: Was wird aus dem inhabergeführten Einzelhandel?

Innenstädte in SH: Was wird aus dem inhabergeführten Einzelhandel?

Was wird aus dem inhabergeführten Einzelhandel?

Inga Kausch/shz.de
Flensburg/Kiel
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Jan Brüning ist seit 2010 alleiniger Geschäftsführer des Spielwarenladens in der Flensburger Innenstadt. Foto: Inga Kausch/shz.de

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Online-Shopping, Corona-Krise, Einkaufszentren und internationale Ketten – der Einzelhandel steht vor Herausforderungen. Wie Spielzeughändler Jan Brüning aus Flensburg und der Kieler Textilhändler Daniel Hacker auf die Zukunft ihrer Unternehmen blicken.

Bis zur Decke gefüllte Regalreihen mit Brettspielen, Babypuppen mit kugelrunden Augen oder weiche Plüschtiere aller Art: Den Flensburger Spielzeugladen Brüning gibt es seit mehr als 70 Jahren. Jan Brüning führt das Geschäft in dritter Generation. Das Umfeld in der Flensburger Innenstadt verändert sich, sagt er: „Es gibt noch einige inhabergeführte Läden, aber von den kleineren sind einige verschwunden.“

Die Corona-Pandemie habe diese Entwicklung verstärkt. „Es ist immer schade, wenn Läden geschlossen werden, die inhabergeführt sind, weil an deren Stellen meistens Ketten rücken“, so der Spielwarenhändler weiter. Darunter leide die Attraktivität einer Innenstadt, weil die Individualität verloren gehe.

Fluktuation in der Innenstadt und das Sterben der Passagen

Auch die Ausweitung der großen Einkaufszentren fernab der Stadtkerne, wie den Citti-Park, sieht Brüning kritisch. Er sagt: „Der Stadt sollte es deswegen daran gelegen sein, auch den Einzelhandel im Zentrum zu stärken, weil die Innenstadt das Aushängeschild einer Stadt ist.“

Die Leerstände im Stadtzentrum sind häufig Thema. Das missfällt Brüning: „In der Fußgängerzone haben wir Fluktuation, aber relativ wenig Leerstand. Die Passagen sterben aus und das wird vereinheitlicht auf die gesamte Innenstadt gesehen.“

Ortswechsel: Inhabergeführter Einzelhandel in der Landeshauptstadt Kiel

Ähnliche Beobachtungen macht Daniel Hacker. Er führt das Kieler Textilunternehmen Meislahn in der Holstenstraße in vierter Generation: „Ich finde die Entwicklung in der Innenstadt etwas einseitig. Es fehlt mir die Vielfalt, die wir in der Vergangenheit hatten.“ Das ehemals breite Angebot habe sich sehr verringert.

Der inhabergeführte Familienbetrieb besteht jedoch seit über hundert Jahren. Hacker erklärt seine Strategie: „Wir versuchen, ein besonderes und individuelles Angebot bereitzustellen. Qualität und persönliche Beratung sind die Schlüsselpunkte, mit denen wir versuchen, uns von den anderen abzusetzen.“

Dafür zahlt der Unternehmer wortwörtlich einen hohen Preis: „Das bedeutet aber auch, dass wir von der Rentabilität her Abstriche machen müssen.“

Billigläden würden ihre Produkte zwar zu geringen Preisen verkaufen, die hohen Margen sorgten jedoch für starke Gewinne, erklärt Hacker weiter. „Viele Kunden schätzen die Qualität, die wir bieten. Bei den Jüngeren sehe ich allerdings, dass kaum einer bereit ist, für Nachhaltigkeit mehr zu bezahlen“, fügt er hinzu. Das liege auch an der Schnelllebigkeit der Branche: Alle paar Wochen kämen neue Kollektionen auf den Markt – ein Trend jage den nächsten.

Beratung und anschließende Schnäppchenjagd im Internet

Das Verhalten der Kundschaft auf Schnäppchenjagd verärgert ihn zunehmend: „Wir versuchen, die Beratung aufrechtzuhalten, doch es kommt auch dazu, dass sich die Leute beraten lassen und die Produkte dann günstiger woanders einkaufen.“

Seit mehr als zehn Jahren vertreibt der Textilhändler seine Waren auch online. „Wir wollten auf mehreren Kanälen präsent sein“, erklärt er. Doch neben dem Onlinehandel gibt es andere Konkurrenten: „Auch die Outlet- und Shoppingcenter vor Ort ziehen die Kunden aus der Innenstadt.“ Dazu trage ebenfalls die schlechte Parksituation im Stadtzentrum bei, beobachtet Hacker.

Corona und die Energiekrise hätten einen zusätzlichen bleibenden Schaden in den Innenstädten hinterlassen: „Die Maßnahmen in der Coronazeit haben uns sehr sehr schwer geschadet.“

Corona und Energiekrise: Herausforderungen für den Flensburger Einzelhandel

Die Pandemie hat auch die Lage im Flensburger Spielwarengeschäft Brüning verschärft: „Corona war extrem und hat viel Einsatz gefordert“, erinnert sich Jan Brüning. Er fügt hinzu: „Der Einzelhandel hat schwer gelitten, aber wir sind zum Glück noch glimpflich aus der Krise herausgekommen.“

Doch nach Corona kam die Energie-Krise. „Die war auch zu spüren, aber es wurde ein bisschen kompensiert, weil sich viele Menschen rückbesonnen haben und sich wieder mehr auf den stationären Einzelhandel konzentrieren“, erinnert sich Brüning.

Das Geschäft der Familie Brüning besteht seit 1950. 1981 zog das Unternehmen in die Räumlichkeiten in der Großen Straße. Seit über 40 Jahren mitten in der Flensburger Fußgängerzone – Was ist das Erfolgsrezept? „Handel ist Wandel. Alles verändert sich stetig und nur wer mit der Zeit geht, kann überleben“, sagt Brüning. Dazu habe auch der Einstieg in den Online-Handel 1995 gehört.

„Wir waren relativ früh dabei. Der Anteil am Umsatz bewegt sich zwischen zehn und 20 Prozent“, so Brüning weiter. Mehr dürfe es seiner Meinung nach auch gar nicht werden, da sich der Aufwand des Versands und der Lagerung dann nicht mehr lohnen würden. Er ist sich sicher, dass der Onlinehandel den Einzelhandel nicht verdrängen wird.

Auf 500 Quadratmeter Verkaufsfläche verkauft er über 18.000 verschiedene Produkte. „Die Stärke des Einzelhandels ist die Ortsansässigkeit. Wir können auf die Wünsche der Kunden eingehen und unser Sortiment an die Nachfrage anpassen“, sagt der Unternehmer.

Ein weiterer Vorteil ist für ihn die Ansprache aller Sinne: „Die Leute können die Produkte sehen, anfassen und sich inspirieren lassen. Dieses Bedürfnis ist ja nach wie vor da und wird auch bleiben.“

Wie sieht die Innenstadt 2030 aus?

Das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen den Händlern hat sich allerdings gewandelt, sagt er: „Es gibt Interessengemeinschaften, aus denen sich viele Ketten aber raushalten. Viele kennen sich untereinander gar nicht und es wird immer anonymer.“ Seine Vision von der Innenstadt 2030? „Die Flensburger Innenstadt wird sich nicht zum Negativen verändern, weil wir auch durch den Tourismus gut aufgestellt sind“, so Brüning. Das Potential der Stadt müsse jedoch weiter genutzt und ausgebaut werden: „Wir müssen den Menschen, die hierher kommen, zeigen, was unsere Stadt alles zu bieten hat.“

Der Kieler Textilunternehmer Daniel Hacker blickt nüchterner in die Zukunft. Er sagt: „Der Wandel in der Innenstadt wird weitergehen und es wird sich ein neuer Mix entwickeln, der sich wiederum an der Nachfrage orientiert. Das wird weiterhin steigende Gastronomie sein und alles, was damit verbunden ist.“ Der Einzelhandel hingegen werde weniger werden.

Inhabergeführter Einzelhandel braucht gutes Quartiersmanagement

Vor allem kleine Unternehmen werden es seiner Meinung nach schwer haben: „Der inhabergeführte Einzelhandel wird weiter zurückgehen und sich nur noch in Lagen entwickeln, wo ordentliches Quartiersmanagement gemacht wird. Wie in der Holtenauer Straße zum Beispiel.“ Es müsse darauf geachtet werden, dass der Mix passt und das die Mieten nicht zu stark steigen. „Das sind Grundvoraussetzungen, damit dann auch der individuelle kleine Einzelhandel eine Überlebenschance hat“, fügt der Textil-Unternehmer hinzu.

Das sei in der Innenstadt, in denen die großen Ketten ansässig sind und die Immobilien von großen Firmen gehalten würden, schwer. Auch die Mitarbeiter- und vor allem Nachfolgersuche stellt für den inhabergeführten Einzelhandel eine weitere Herausforderung dar, sagt Hacker: „Es ist ein riesen Problem, engagierte Leute zu finden.“

 

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