Wachstum

Ist Flensburg wirklich eine Großstadt, Frau Bauriedl?

Ist Flensburg wirklich eine Großstadt, Frau Bauriedl?

Ist Flensburg wirklich eine Großstadt, Frau Bauriedl?

Ove Jensen/shz.de
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Prof. Sybille Bauriedl ist Geographin, Umwelt- und Stadtforscherin an der Europa-Universität Flensburg. Foto: Privat

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Flensburg ist kurz davor, die symbolträchtige Marke von 100.000 Einwohnern zu überschreiten. Stadtforscherin Sybille Bauriedl spricht im Interview darüber, ob Flensburg damit wirklich zur Großstadt wird.

Zu Jahresbeginn 2023 waren im Einwohnermeldeamt der Stadt Flensburg genau 99.402 Einwohner registriert. Angesichts des stetigen Wachstums in den vergangenen Jahren wird die Stadt damit wahrscheinlich in wenigen Monaten die Grenze von 100.000 Einwohner überschreiten - und wäre damit offiziell eine Großstadt.

Was bedeutet das für Flensburg? Und gibt es in unserer Stadt wirklich großstädtisches Leben. Darüber sprachen wir mit der Geografin und Stadtforscherin Prof. Sybille Bauriedl von der Europa-Universität.

Frau Bauriedl, ist Flensburg eine Großstadt?

Wenn wir auf die Einwohnerzahl blicken, ist Flensburg mit knapp 100.000 Einwohnern an der Grenze zur Großstadt. Aber es gibt ja auch noch andere Kriterien. Da geht es zum Beispiel um die Rolle, die eine Stadt in ihrer Region spielt. Und da hat Flensburg schon lange die Funktion einer Großstadt. Flensburg ist ein Oberzentrum mit vielen zentralen Aufgaben für ein großes Umland. Viele Berufstätige pendeln zur Arbeit nach Flensburg. Das ist überhaupt nicht vergleichbar mit anderen Städten zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, die ungefähr so groß wie Flensburg sind, aber gleichzeitig viel größere Städte in der direkten Nachbarschaft haben.

Sie wohnen seit einigen Jahren in Flensburg. Haben Sie das Gefühl, in einer Großstadt zu leben?

Ich habe lange Zeit in größeren Städten wie Hamburg und Berlin gelebt, und ich weiß Flensburg sehr zu schätzen.

Warum?

Flensburg ist eine wachsende Stadt mit viel Lebensqualität. Ich habe den Eindruck, viele Städte in dieser Größe profitieren derzeit davon, dass die Lebensqualität in den Metropolen abnimmt, weil die zunehmende Bevölkerungs- und Verkehrsdichte negative Effekte hat. Flensburg hat sehr gute Versorgungangebote für Alltagsbedürfnisse, und gleichzeitig sind die Wege noch kurz. Es gibt ein vielfältiges kulturelles Leben, dazu trägt auch die Universität mit ihren Studierenden und Beschäftigten nicht unwesentlich bei.

Die Entscheidung vor mehr als 20 Jahren, aus der Pädagogischen Hochschule eine Uni zu machen, war also bedeutsam dafür, dass Flensburg nun zur Großstadt wird?

Das war auf jeden Fall ein Baustein. Universitäten tragen dazu bei, dass kreative junge Menschen in eine Stadt ziehen. Die Europa-Universität hat zu einer sichtbaren Veränderung in der Bevölkerungsstruktur in der Stadt geführt.

Welche Folgen hat die Entwicklung zur Großstadt für Flensburg?

Ein Vorteil ist, dass Flensburg zwar seit vielen Jahren wächst, aber nur langsam. Das macht es einfacher, auf die Veränderungen zu reagieren. Eine größere Einwohnerzahl führt zu zusätzlichen Einnahmen für die Stadtkasse. Dieses Geld muss aber auch dafür eingesetzt werden, die Stadt angemesen zu gestalten. Das ist keine einfache Aufgabe. Im Bereich Kultur ist das noch ganz gut möglich. Schwierig wird es im Bereich Verkehr. Wir können ja nicht einfach mehr Straßen bauen. Erstens, weil der Platz zumindest in der Innenstadt gar nicht vorhanden ist, zweitens, weil das Ziel einer lebenswerten Großstadt eine Verkehrswende mit weniger Autoverkehr sein muss.

Mehr lesen