Kriminalität

Das Jahr der Brandstifter: Als es in Flensburg plötzlich überall loderte

Das Jahr der Brandstifter: Als es in Flensburg plötzlich überall loderte

Das Jahr der Brandstifter in Flensburg

Sebastian Iwersen/shz.de
Flensburg
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Ein Laubenbrand in der Sigurdstraße. Foto: Heiko Thomsen

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Immer wieder Feuer. Im Hochhaus in Harrislee und an verschiedenen Orten in Flensburg. 2022 hat es besonders häufig gebrannt und oft war es Brandstiftung.

Aus zunächst wenig dramatisch erscheinenden Kleinbränden entwickelte sich im Laufe von wenigen Wochen die größte Brandserie in Flensburg und Umgebung seit Jahrzehnten. Teilweise sorgten mindestens drei Brandstifter für Angst in der Bevölkerung - und mindestens ein Brandstifter ist noch nicht gefasst. Zusammen mussten rund 65 mutwillig gelegte Feuer zwischen Anfang Februar und Mitte Dezember gelöscht werden.

Immer wieder Feuer im Hochhaus Hohe Mark 16

Den Auftakt machte ein zunächst scheinbar harmloses Feuer im Hochhaus Hohe Mark 16 in Harrislee. Am 10. Februar brannte eine Zeitung im Keller. Bis zum 24. Mai blieb es danach ruhig. Doch dann wurden die Brände größer.

Mehrere Feuer richteten insbesondere im Keller enorme Schäden an. Teilweise waren die Menschen in den oberen Stockwerken wochenlang ohne Telefon und Kabelfernsehen, da die Leitungen geschmolzen waren. Fortan lebten viele im Hochhaus in Angst. Leerstehende Wohnungen konnten teilweise nicht mehr vermietet werden.

Insgesamt zwölf Mal rückte die Feuerwehr zur bekannten Adresse aus. Zudem kam es zu Bränden von Müllcontainern in der benachbarten Straße Wiesenkamp. Auffällig: Seitdem Staatsanwaltschaft, Hausverwaltung und Gemeinde im November eine Belohnung in Höhe von 8000 Euro für Hinweise ausgelobt haben, ist es zu keinem weiteren Brand gekommen. Der Brandstifter bleibt aber weiterhin unerkannt.

Kinderwagen brennt

In Flensburg begann die Brandserie mutmaßlich am 19. Juni in der Harrisleer Straße. Am frühen Morgen brennt im Eingangsbereich eines Hauses ein Kinderwagen. Noch vor Eintreffen der Feuerwehr löschen Polizisten den Brand mit einem Feuerlöscher. Am Folgetag brennt es wenige Häuser entfernt im Keller eines Mehrfamilienhauses. In den darauffolgenden Wochen kommt es immer wieder zu Kleinbränden von Mülleimern.

Die ersten Autos in der Stadt gehen am 19. Juli am Harniskai in Flammen auf. Zwei Fahrzeuge brennen aus, nachdem eines davon an einem der Hinterreifen in Brand gesteckt worden war. Ein Detail, das sich oft wiederholen wird.

23 Autobrände

Ab dem 9. August geht es Schlag auf Schlag. Im Tagestakt und teilweise mehrmals am Tag kommt es zu Bränden, zunächst vornehmlich in der Innenstadt. Mindestens einer der Brandstifter hat eine Vorliebe für die Brandlegung an Autos entwickelt. Immer wieder brennen Fahrzeuge jeglicher Größe und Marke ohne erkennbares Muster. Bis zu fünf Autos in einer Nacht. Am Ende werden es mindestens 23 Fahrzeuge sein, die beschädigt werden. Die Tatausübung ist oft die gleiche: Bei missglückten Brandlegungen werden Spuren eines flüssigen Brandbeschleunigers auf den Reifen gefunden.

Großbrand in der Neustadt

Die Eskalationsspirale schraubt sich nach oben. In der Nacht zum 20. September müssen 20 Bewohner eines Mehrfamilienhauses in der Neustadt mit der Drehleiter gerettet werden, nachdem jemand im Hausflur einen Kinderwagen angezündet hat. Dank der Feuerwehr sind die Bewohner einer Katastrophe entgangen. Da sowohl die Treppe als auch die Wohnungstüren aus Holz sind, hätte das gesamte Treppenhaus Feuer fangen können.

In dieser Nacht können 16 Menschen nicht in ihre Betten zurück. Sie werden mit Verdacht auf Rauchvergiftungen in Krankenhäuser eingeliefert. Die Rettungswagen fahren im Pendelverkehr. Doch auch das hat offenbar keine einschüchternde Wirkung auf den oder die Brandstifter. Am 2. Oktober kommt es zum Feuer in der Diako. Ein Wäschewagen im Verwaltungstrakt brennt. Das Feuer verläuft glimpflich. Niemand wird verletzt und eine Evakuierung ist nicht nötig, da sich in dem Bereich keine Patienten befinden.

Eine erste Festnahme

Die Polizei hält sich während der Brandserie ausgesprochen bedeckt - doch im Hintergrund laufen die Ermittlungen. Mit Erfolg: Am 13. Oktober klicken die Handschellen. Ein 35 Jahre alter, polizeibekannter Mann, wird festgenommen. Ihm lasten die Ermittler Fahrzeugbrände sowie eine brennende Plane an einem Baugerüst an.

Gut vier Wochen später, am 17. November, erfolgt die nächste Festnahme. Einem 32-Jährigen werden zwei Kellerbrände am Hafermarkt und versuchte Brandlegung an einem Auto in der Tiefgarage an der Angelburgerstraße angelastet.

Auch wenn den Tatverdächtigen vorerst nur ein Bruchteil der Brände zur Last gelegt werden kann, nimmt die Frequenz der Feuer ab. Doch ganz vorbei scheint die Brandserie nicht zu sein: Sie konzentriert sich jetzt auf die Stadtteile Sankt Jürgen, Engelsby und Mürwik, wo Müllcontainer, Kinderwagen und ein Altkleidercontainer brennen. Die Suche geht für die Polizei also weiter - auch im neuen Jahr.

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“