Schleswig-Holstein

Jannes Seemann kleidet sich als Frau – über eine Angst, die immer bleibt

Jannes Seemann kleidet sich als Frau – über eine Angst, die immer bleibt

Die Angst bleibt: Jannes Seemann kleidet sich als Frau

Dania Isabell Martin/SHZ
Schleswig-Holstein
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Jannes Seemann hat, seit er denken kann, einen femininen Kleidungsstil. Foto: Dania Isabell Martin

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Jannes Seemann trägt Klamotten, die eher Frauen zugeordnet werden. Im Gespräch erzählt der BBZ-Schüler aus Ellingstedt, warum er die Schule gewechselt und mit welchen Herausforderungen er zu kämpfen hat.

„Die Angst in mir ist immer da“, sagt Jannes Seemann. Angst, dass doch wieder jemand Bemerkungen macht, ihn attackiert und diskriminiert. An diesem Tag trägt der 16-Jährige ein schwarzes Netzoberteil mit einem kurzen Spitzentop darunter, um den Hals eine Perlenkette. Mit seinem Kleidungsstil fällt er auf – manchmal positiv, manchmal negativ. Letztere Erfahrung habe der Ellingstedter schon des Öfteren gemacht. Es sei der Grund, warum er die Schule gewechselt hat. Dort sei er von Lehrern und Schülern gemobbt worden, sagt er.

Noch nie anders gekleidet

Jannes Seemann kleidet sich, seit er denken kann, weiblich. Schon als Kind habe er nur Leggings und Glitzeroberteile getragen, sagt seine Mutter Anja Hoyer. Als Transgender sieht er sich jedoch nicht. Über eine Umwandlung zur Frau habe er zwar nachgedacht. Sicher, ob er diesen Schritt wagen will, ist er sich nicht. „Ich weiß selber nicht ganz, wie ich mich in meinem Körper fühle“, sagt der Schüler.

Auch in seinem Zimmer machen sich die femininen Züge bemerkbar: blassrosa Wände, ein großer Schminktisch und glitzernde Absatzschuhe. „Er hat noch nie in seinem Leben mit einem Auto gespielt“, sagt seine Mutter.

Am Anfang habe sie wegen seiner Kleidung auch Bedenken gehabt, wollte ihn schützen vor Bemerkungen und Diskriminierung. „Bei der Konfirmation haben wir uns noch geeinigt, dass er kein Kleid trägt“, sagt Hoyer.

Im Dorf habe es auch einige Leute gegeben, die nicht verstehen konnten, warum sie das zulässt. Doch wirklich unterbunden habe sie seinen Kleidungsstil nie. „Jannes polarisiert mit seinem Aussehen, aber das hat er sich nicht ausgesucht“, sagt die Ellingstedterin. Zu seinem Vater hat der 16-Jährige aktuell keinen Kontakt. Die Eltern leben seit seinem sechsten Lebensjahr getrennt.

Panikattacken beim Gedanken, in die Schule zu gehen

In der alten Schule habe er sich von abfälligen Bemerkungen provozieren lassen und sei hin und wieder auch ausgerastet. „Das hat was mit meiner Psyche gemacht“, sagt der Schüler. „Ich wurde von Menschen heruntergemacht, von denen ich dachte, dass sie mich mögen“, sagt der 16-Jährige. Wochenlang sei er gar nicht mehr zur Schule gegangen.

Dann sei er abgerutscht, habe Panikattacken bekommen, wenn er zur Schule musste. Es sei wie eine Blockade im Kopf gewesen.

Noch keine Vorfälle an der neuen Schule

Nach seinem Hauptschulabschluss ist der Ellingstedter an das Berufsbildungszentrum (BBZ) nach Schleswig gewechselt, gemeinsam mit seinen langjährigen Freundinnen, die ebenfalls wechseln wollten. Hier habe es noch keine Probleme gegeben. „Klar wird über mich geredet, aber es hat mich noch niemand fertig gemacht“, sagt der 16-Jährige.

Er will sich nicht mehr provozieren lassen, möchte mit einer anderen Denkweise herangehen: „Ich lebe nur einmal. Wenn andere Menschen ein Problem damit haben, sollen sie mir einfach aus dem Weg gehen“, sagt der Schüler – auch wenn die Angst immer bleibe.

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