Corona-Krise in Nordfriesland

Jetzt kommt es heraus: Amtsleiter scheiterte mit Covid-Software Sormas

Jetzt kommt es heraus: Amtsleiter scheiterte mit Covid-Software Sormas

Amtsleiter scheiterte mit Covid-Software Sormas

SHZ
Nordfriesland
Zuletzt aktualisiert um:
Zu der Zeit, als Sormas installiert werden sollte, mussten die Mitarbeiter von Dr. Peter Tinnemann auch noch einen Umzug bewältigen. Foto: Volkert Bandixen/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Nur kurz war Peter Tinnemann Leiter des Gesundheitsamtes Nordfriesland. Mitten in der Corona-Pandemie kam es zu einem Software-Desaster. Er wollte, wie von Minister Jens Spahn gefordert, das Programm Sormas durchsetzen.

Nein, der Kreis Nordfriesland gibt weiterhin keine Auskunft, warum Peter Tinnemann nur sehr kurze Zeit als Leiter des Gesundheitsamtes tätig war – nicht einmal der genaue Zeitraum seiner Beschäftigung ist zu erfahren. Fest steht nur, dass er auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie, am 1. November 2020, die Leitung übernommen hatte und im Mai die Stelle bereits „seit mehreren Monaten“, wie es auf shz.de heißt, wieder ausgeschrieben war.

Amtsleiter Peter Tinnemann wollte Sormas durchsetzen

Über die Gründe seines Ausscheidens lässt sich somit nur spekulieren. Fest steht aber, dass in seine kurze Dienstzeit ein Software-Desaster der besonderen Art ausgerechnet in seinem Gesundheitsamt gefallen ist. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte im November verkündet, dass angesichts der Corona-Pandemie die Zeit des Faxens in den Gesundheitsämtern ein Ende haben müsse und die flächendeckende Installation der Software Sormas angeordnet. Mit ihr könnten Daten erfasst, Bürger informiert und in Isolation geschickt werden. Für ihn das IT-Werkzeug erster Wahl.

Weiterlesen: Kein halbes Jahr im Amt: Leiter des Gesundheitsamtes verschlägt es in die Großstadt

Tinnemann soll nach Informationen Beteiligter großer Sormas-Fan gewesen sein und dafür gesorgt haben, dass das Programm installiert und genutzt werden konnte. Das sei mit großem Aufwand geschehen. Auf dem Höhepunkt der Testphase sollen nach Recherchen von shz.de fünf Mitarbeiter eine ganze Woche lang sich ausschließlich mit dem Programm befasst haben, während draußen die Pandemie ihren Verlauf nahm und drinnen Bundeswehrsoldaten zur Kontaktverfolgung an PC und Telefon im Einsatz waren.

Kein Lagebericht zur Corona-Pandemie möglich

Das ernüchternde Ergebnis des Sormas-Versuchs teilte kürzlich Kreissprecher Hans-Martin Slopianka einem Team des Zweiten Deutschen Fernsehens mit: Es fehlten Schnittstellen, die digitale Archivierung sei mangelhaft, Daten hätten doppelt erfasst werden müssen und es sei nicht einmal möglich gewesen, tägliche Lageberichte zur Pandemie zu erstellen.


Ein ähnliches Bild zeichnete er im Fernsehinterview von den Erfahrungen, die seines Wissens auch mehrere der 15 Gesundheitsämter in Schleswig-Holstein mit Sormas gemacht hätten, mit denen man im Austausch stehe: „Sie haben es installiert und getestet – aber es läuft nicht.“

Kein Konzept zur Einführung von Sormas

Slopianka fügt auf Nachfrage von shz.de weitere Kritikpunkte hinzu. IT-Experten des Kreises beklagten demnach, dass es kein Konzept zur Einführung gegeben habe, nur generelle Schulungen, keine praktische Expertise und auch die Fortentwicklung von Sormas sei nicht transparent genug.

Trotz Survnet und Demis hastiger Wechsel

Im Sinne des altbekannten Spruches „Never change a running system“, also nie von einem funktionierenden System mitten im laufenden Betrieb auf ein neues, unbekanntes umzusatteln, habe Sormas viele Kräfte gebunden und Zeit gekostet, aber nichts gebracht.

Weiterlesen: Neue Software zur Kontaktverfolgung bei Gesundheitsämtern unerwünscht – auch in SH

Der Kreis nutzt Survnet, eine vom Robert-Koch-Institut kostenlos den Gesundheitsämtern zur Verfügung gestellte Software. Mit ihr würden die Daten ans RKI übermittelt. Ergänzend werde „eine passgenaue Eigenentwicklung als Datenbank“ eingesetzt, fügt Slopianka hinzu. Sämtliche Meldungen positiver Befunde gingen zudem über Demis ein, das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz.

Klare Vorgaben fehlten

Doch man sage niemals nie. Slopianka will Sormas nicht in Gänze verurteilen. Nur so wie die Lage bei der Einführung war, sei es nicht machbar. Die IT-Experten im Haus wünschten sich eine stärkere Fokussierung des Systems auf den Bedarf in einer solchen Pandemie und zentrale Vorgaben zur Bedienung und Nutzung. So sei es wichtig zu wissen, „welche Daten Bund und Länder eigentlich abziehen möchten, um faktenbasiert eine gezieltere Pandemie-Steuerung in Zukunft zu erreichen“, so Slopianka.

In der Sendung ZDF Zoom „Digitale Dilettanten – Wie unsere Behörden den Anschluss verlieren” geht es laut ZDF am Beispiel von Sormas und Programmen für andere Zwecke um die Gründe für das häufige Scheitern öffentlicher IT-Projekte.

Mehr lesen