Corona-Folgen in SH-Wirtschaft

Kampf um Rohr und Kabel: Wozu knappe Rohstoffe und Lieferengpässe führen?

Kampf um Rohr und Kabel: Wozu knappe Rohstoffe und Lieferengpässe führen?

Knappe Rohstoffe: Kampf um Rohr und Kabel

SHZ
Brunsbüttel / Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Am Vorrat an einfachen Kabeln kann eine komplette Großbaustelle scheitern. Foto: Hildegard Wekenborg-Placke/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Bau- und Elektroindustrie in Schleswig-Holstein klagen über Rohstoffknappheit, Preisexplosion und Lieferprobleme – und fürchten die vierte Corona-Welle

Manchmal geht es nur um Kabel. Ganz einfaches Kabel, mit dem Handwerker Leitungen verlegen. „Aber das ist ein Riesenthema“, sagt Oliver Magnussen vom Brunsbütteler Automatisierungstechnik-Unternehmen EMSR-Technik. Materialengpässe, Rohstoffmangel und wegbrechende Lieferketten sind längst kein Exklusivthema der Baubranche mehr, wo Holz für Rohbauten und Dachstühle oder Dämmstoffe für energieeffiziente Sanierung fehlen.

Weiterlesen: Zwei Drittel der Industriefirmen leiden unter Materialmangel

Magnussen zum Beispiel musste für seinen 18-Mitarbeiter-Betrieb in der Steuer- und Regeltechnik zum Stichtag 30. Juni entscheiden, ob er vom Großhändler zum 31. Oktober eine gewisse Mindestmenge Kabel kauft. „Sonst muss man Preiserhöhungen hinnehmen, die enorm sind“, sagt der Unternehmer.

Kabel etwa wird tagesaktuell nach der Kupferdotierung gehandelt und geliefert. Und die sei explodiert, berichtet der Brunsbütteler. Preissteigerungen von 20 bis 25 Prozent seien plötzlich normal gewesen.


Magnussen nennt noch zwei andere Beispiele aus der Elekrotechnik: Kunststoffinstallationsrohre und Verteiler-Gehäuse. Was im Stückpreis von Pfennigbeträgen gehandelt wird, lässt beim Abreißen der Lieferketten ganze Großbaustellen auf dem Schlauch stehen. „Sicherungsautomaten sind beim Großhandel mit 8000 Stück im Rückstand.“

Das führt zu seltsamen Blüten: Manch ein Elektrobetrieb soll deshalb aktuell soviel Kabel auf Lager haben wie nie in seiner Unternehmensgeschichte.

Weiterlesen: Lieferengpässe bei Baumaterial lassen die Preise explodieren – und Ausschreibungen platzen

Andernfalls ruht eben die Baustelle. Der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV SH) etwa musste im Juli die komplette Langzeitbaustelle an der B200 zwischen Husum und Viöl für zwei Wochen stilllegen. Als Grund nannte der LBV: „Lieferschwierigkeiten zusätzlicher Rohrmaterialien“.

Der Kieler Wirtschaftsminister Bernd Buchholz sieht aktuell manche Betriebe in der Zwickmühle: „Bauunternehmer, die lange vor Baubeginn auf Basis niedrigerer Preiserwartung ein Angebot kalkuliert und vertraglich fixiert hatten, beschaffen nun zu einem deutlich gestiegenen Preis ihr Material, was ohne Nachverhandlungen oder anderweitige Absicherung ihre Marge schmälert, bis hin zu einem Verlust der Kostendeckung.“

Rohstoffpreise teilweise um 100 Prozent gestiegen

Ken Blöcker vom Unternehmensverband Unterelbe-Westküste hatte bereits in seinem jüngsten Konjunkturbericht vor Wochen Alarm geschlagen und vor „exorbitant gestiegenen Rohstoffpreisen“ gewarnt, die teilweise um 100 Prozent gestiegen seien. Mehr als jedes zweite Unternehmen zwischen Unterelbe und dänischer Grenze habe seinerzeit branchenübergreifend von Rohstoffknappheit und Lieferengpässen berichtet. Und heute, anderthalb Monate später, sagt er: „Die Situation an der Westküste hat sich leider nicht entspannt.“


Blöcker geht davon aus, dass auf Kosten der Liquidität zukünftig wieder mehr Material in den lokalen Lagern vorgehalten werden müsse. Und: „In den Verträgen werden auch vermehrt Klauseln zu finden sein, die die Festlegung des Preises auf einen späteren Zeitpunkt möglich machen oder eine spätere Änderung des vereinbarten Preises vorbehalten wird.“

Immerhin, Marcel Müller-Richter vom Handwerk Schleswig-Holstein, dem Dachverband der Innungen und Kreishandwerkerschaften im Land, sieht aktuell eine leichte Entspannung am Bau – bei Bauholz, Dämmstoffen, Kupfer und Elektromaterialien. Wie nachhaltig das ist, vermag er nicht zu schätzen: „Das ist gekoppelt an die vierte Corona-Welle. Wir hoffen, dass wir keinen erneuten Lockdown bekommen.“

Mehr lesen

Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Die Bonus-Milliarden für die Minkzuchten sind eine Farce“