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Katastrophenschutz in Schleswig-Flensburg: Das sind die großen Schwachstellen

Schleswig-Flensburg: Schwachstellen im Katastrophenschutz

Schleswig-Flensburg: Schwachstellen im Katastrophenschutz

SHZ
Schleswig
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Im Bereich um die Oeverseer Wassermühle glich die Treene beim Jahrhundert-Hochwasser im Januar 2015 zeitweise einem reißenden Strom. Foto: Peter Mai/shz.de

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Eine Anfrage der FDP brachte es ans Licht: Um den Katastrophenschutz im Kreisgebiet ist es nicht zum Besten bestellt – schon gar nicht, wenn der Strom ausfällt.

Die Flut im Ahrtal und in Nordrhein-Westfalen Mitte Juli kam unglaublich schnell und hat die Menschen vor Ort überrascht. Auch wenn derartige Überschwemmungen hierzulande nicht auftreten können, weil es keine vergleichbaren Anhöhen mit engen Tälern gibt, in denen sich Wasser in ähnlichen Mengen sammeln und zu Tale schießen könnte, bleibt die bange Frage: Ist der Katastrophenschutz im Kreis Schleswig-Flensburg bei ähnlich unerwartet eintretenden Ereignissen ausreichend vorbereitet? Die FDP forderte deshalb vom Landrat einen Bericht über die Situation des Katastrophenschutzes im Kreis.

Probleme offenbarte der Bericht des Landrates bei einem flächendeckenden Stromausfall: Dies betrifft auch die Funktionsfähigkeit der Sirenen, die noch überwiegend direkt am allgemeinen Stromnetz hängen und bisher nur in wenigen Ausnahmefällen über einen Akku betrieben werden. „Im Fall eines flächendeckenden Blackouts sind die örtlichen Strukturen zu nutzen, dies ist derzeit nicht sichergestellt“, heißt es in dem Bericht.

Schwierige Zusammenarbeit

Auch im Bereich der Zusammenarbeit der verschiedenen Katastrophenschutzeinheiten könnte es laut Bericht zu Schwierigkeiten kommen. Zu den Einheiten zählen die Bereitschaften der Feuerwehren (Brandschutz, Technische, Wasserförder- und ABC-Bereitschaft) sowie des Deutschen Roten Kreuzes und der Johanniter Unfallhilfe (Sanitätsdienst, Betreuungsdienst und Logistik). „Die Einheiten können für sich betrachtet als einsatzbereit angesehen werden. Führungs- und Kommunikationsstrukturen sowie abgestimmte Ausbildungs- und Einsatzplanungen fehlen derzeit“, wird im Bericht festgestellt. Die Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk, dessen Träger der Bund ist, sei sichergestellt.

Probleme bei der Unterbringung

Die technische Ausstattung des Katastrophenschutzes wird zwar als ausreichend betrachtet. Handlungsbedarf wird aber angemahnt bei der Unterbringung bestimmter Einheiten, denn sie „stellt mittlerweile ein großes Problem dar“. Hiervon betroffen sind die Johanniter Unfallhilfe, die Technische Einsatzleitung, der Löschzug Gefahrgut und die Einheit des Rettungsdienstes des Kreises, die bei einer großen Zahl von Verletzten oder Erkrankten zu Hilfe gerufen wird.

Software soll Kooperation verbessern

Die Katastrophenschutzbehörde überarbeite derzeit die Strukturen und die technische Ausstattung, heißt es dazu im Bericht. Dazu zähle auch die Einführung einer Software, die die engere Zusammenarbeit mit den Ämtern und Gemeinden bei Flächenlagen wie Sturm, Hochwasser oder Blackout verbessern soll. Helfen soll dabei auch die Beschaffung eines Einsatzleitwagens für die Technische Einsatzleitungen für rund 500.000 Euro.

Nicht auf alle möglichen Szenarien gut vorbereitet

Als überarbeitungswürdig bezeichnet werden die im Kreis möglichen Katastrophenszenarien und deren Bewältigungsplanung, darunter Chemie- oder Gefahrgutunfälle, Ölalarme, Unfälle mit radioaktiven Stoffen, Schneeverwehungen, Sturmfluten und Hochwasser, Überschwemmungen, Seuchen- und Tierseuchenalarme sowie sonstige Unfälle. Ähnliches gilt für die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, die in besonderen Gefahrenlagen zu Unterstützung angefordert werden kann, wenn etwa die eigenen Kräfte und Mittel nicht mehr ausreichen.

Systeme zur Warnung der Bevölkerung einsatzfähig

Immerhin, es gibt auch Bereiche in denen der Kreis sich unmittelbar gewappnet sieht. So gibt es keine Beanstandungen an den Kommunikationswegen, wie die Bevölkerung in Katastrophenfällen informiert wird: Das Warnsystem der Leitstelle Nord übermittelt amtliche Gefahrendurchsagen des Landrates an die meisten privaten Radio- und Fernsehsender und fordert zur Übertragung der Warnung auf. Außerdem werden die Warn-Apps „Nina“, „Biwapp“ und „Katwarn“ sowie die Sirenen zur Warnung oder als Weckruf „Radio einschalten!“ ausgelöst. Auch die Situation der Alarmsirenen in den Gemeinden wurde als funktionsfähig erachtet – sofern der Strom nicht flächendeckend ausfällt. Im Kreisgebiet sind zirka 280 Sirenen betriebsbereit.

FDP sieht neue Herausforderungen

„Sicher ist, dass der Kreis vor alten und neuen Herausforderungen steht, auf die wir uns vorbereiten müssen“, sagt Lars Johnsen, der für die FDP im Kreistag sitzt und die Anfrage angestoßen hat. „Ein Problem ist nach meiner Ansicht, dass die Bevölkerung es verlernt hat, Vorsorge zu betreiben“, so Johnsen weiter. „Die vom Landrat vorgelegte Übersicht benennt ja bereits Handlungsbedarfe im Bereich der Planungen sowie im Bereich der Ausbildung und der Vernetzung mit anderen Akteuren. Das sind alles Felder, die auf nicht ausreichende Personalressourcen zurückzuführen sind“, sagt Johnsen.

Personelle Ausstattung verbessern

Im Bereich des Katastrophenschutzes seien die Handlungsmöglichkeiten des Kreistages zwar begrenzt. „Gleichwohl kann auch der Kreistag mittelbar Einfluss nehmen und die personelle Ausstattung der unteren Katastrophenschutzbehörde verbessern“, fordert Johnsen. Landrat Wolfgang Buschmann habe regelmäßige Berichte zum Sachstand in Aussicht gestellt sowie eine personelle Verstärkung der Katastrophenschutzbehörde angekündigt. „Beides wären auch die weiteren Ansatzpunkte der FDP-Fraktion gewesen. Insofern begrüßen wir ausdrücklich die Entwicklung und den Weg, den der Landrat vorschlägt.“

„Beim Kreis sind die Probleme bekannt“, bekräftigt Martin Potztal, Pressesprecherin des Kreises. „Das steht auf unserer Agenda. Da sind wir dran.“

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