Flensburg

Künstlerin will mit Flügeln auf Flüchtlingskrise aufmerksam machen

Künstlerin will mit Flügeln auf Flüchtlingskrise aufmerksam machen

Künstlerin will auf Flüchtlingskrise aufmerksam machen

SHZ
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Die Flügel sind ein Projekt der Flensburger Künstlerin Christiane Limper. Foto: Michael Staudt / SHZ

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die Künstlerin Christiane Limper hat Flügel entworfen, um auf die ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer aufmerksam zu machen. Wie es dazu und zu der Kooperation mit der Band „Quadro Nuevo“ kam, erzählt sie shz.de.

Anmutig und graziös steht Christiane Limper mit ausgebreiteten Armen an der Kaikante des Flensburger Hafens. Ihre Arme schmücken große weiße Flügel. Doch der zunächst engelhafte Anblick trügt: die Flügel sollen auf die Flüchtlingskrise im Mittelmeer aufmerksam machen. Sie stehen symbolisch für die Flüchtlinge, die es nicht über das Meer geschafft haben.

Die Flügel sind das erste Projekt der freischaffenden Künstlerin nach einer langen Corona-Pause. Sie kooperiert dafür zusammen mit dem Akustik-Quartett Quadro Nuevo. Die Band ist zusammen mit weiteren 22 Künstlern bis Ende September auf einer multimedialen Segelschiff-Reise rund um das Mittelmeer. Ziel der Reise, neben der Musik, ist die Erkundung aktueller sowie historischer Themen und Fragestellungen.

In Anlehnung an die Sage des Ikarus

Auf dieser Reise möchte die Band ein Musikvideo zu ihrem Song „Ikarus Dream“ produzieren, der den „Traum der Menschheit thematisiert, aus dem eigenen Schicksal auszubrechen“, heißt es auf der Website. Die Flügel des Ikarus sollen dafür ein zentraler Teil des Videos werden.


Die Idee für die Zusammenarbeit entstand bei dem Konzert der Band im Schifffahrtsmuseum Anfang August dieses Jahres. Bei einem gemeinsamen Essen und Austausch erzählte die Band von ihrer Idee des Musikvideos. Aufgrund Limpers künstlerischen Know-Hows und Interesse fragte sie der Frontmann der Band Mulo Francel, ob sie die Flügel entwerfen und bauen könnte.

Rettungswesten als Material

Eine Bedingung war dabei, dass die Flügel funktional und wasserfest sein mussten. Die 44-Jährige kam dann auf die Idee, Rettungswesten zu verwenden, die Flüchtlinge auf den Rettungsboten tragen. Beim Aufschneiden der Westen wurde ihr dann bewusst, „wie passend und ideal die Westen für die Verarbeitung waren“, wie sie es formuliert.


Die Form des Westenfutters gleicht der Form einer Feder – ein passender Zufall für die Künstlerin. Sie musste somit nichts zerschneiden und konnte die Einzelteile des Innenfutters, so wie sie waren, zu den Flügeln zusammenlegen. Bei der Produktion verwendete sie „um die vier bis fünf“ Westen. Als Vorlage orientierte sie sich dabei an historische Abbildungen des Ikarus. Insgesamt stellte sie die Flügel in drei Wochen fertig.


Als Grund für ihre Idee gibt Limper an, dass die Flüchtlingskrise neben den anderen Krisen in den Hintergrund gerückt sei. Eine weitere und viel größere Motivation sei ihr persönlicher Bezug, den sie zu der Krise habe. „Als Künstlerin frage ich mich dann immer: Wie ist mein Beitrag dazu?“

Angespülte Rettungswesten am Strand

Über die Flüchtlingskrise zeigt sie sich entsetzt: „Es ist einfach unmenschlich, was da passiert.“ Sie selbst habe schon 2015 am Flensburger Bahnhof bei der Ankunft der Flüchtlinge mitgeholfen. Neben der lokalen Auseinandersetzung mit dem Thema, erlebte sie bei einem Türkei-Aufenthalt vor einigen Jahren einen weiteren Schlüsselmoment.

Sie half in einem Flüchtlingscamp aus. Bei einem abendlichen Strandspaziergang außerhalb der Touristenmeile sah sie angespülte orangefarbene Westen von Flüchtlingen. Ein Moment, der ihr in Erinnerung blieb und ihr das Ausmaß der Krise vor Augen führte.


Symbolischer Zusammenhang von Krise und Sage

Für Limper gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen der Sage und ihrem Kunstprojekt: „Man fragt sich: Warum gehen die Flüchtlinge auf die Boote? Aber der Gang auf diese ist für viele einfach der letzte Ausweg.“ Auch in der Sage des Ikarus möchte er der Gefangenschaft entfliehen – welches für ihn auch einen letzten Ausweg darstellt.

Die Flügel sollen im Musikvideo bei einer Szene im Mittelmeer zum Einsatz kommen. Genau in dem Gewässer, in dem viele der Flüchtlinge ihre letzte Reise antraten. Sie finde es schön, mit diesem Projekt einen direkten Bezug zur Krise zu nehmen und auf das Thema auf diese Art aufmerksam zu machen. „Das Schicksal und wie man diesem entkommt, ist bei dem Song als auch bei der Flüchtlingskrise eine zentrale Thematik“, so Limpert.

Nähere Informationen zu der Reise gibt es auf der Website des Künstlervereins oder auf der Website des Fotografens René van der Voorden, der die Reise fotografisch festhält.

Mehr lesen