Ehrenamt

Kuh im Brunnen bis tödlicher Unfall: Was Feuerwehrleute im Amt Hürup erleben

Kuh im Brunnen bis tödlicher Unfall: Was Feuerwehrleute im Amt Hürup erleben

Kuh im Brunnen bis Unfall: Was Feuerwehrleute erleben

Benjamin Nolte
Hürup
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Benjamin NolteZ/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Wer sind eigentlich unsere Freiwilligen Feuerwehrleute und welche Einsätze sind ihnen besonders im Gedächtnis geblieben? Das erzählen uns in dieser Folge drei Mitglieder der Amtsfeuerwehr Hürup.

Sie packen an, wenn wir in Not sind. Sie sehen Dinge, die man nicht sehen will. Die Frauen und Männer der Freiwilligen Feuerwehren. Rund 7000 Kameradinnen und Kameraden bilden die Einsatzabteilung der 188 Freiwilligen Feuerwehren im Kreis Schleswig-Flensburg.

Doch wer sind die Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner eigentlich und warum engagieren sie sich ehrenamtlich in der Feuerwehr? Wir haben uns einmal im Amt Hürup umgehört.

Amtswehrführer: Michael Carstensen (53), Bankkaufmann, engagiert sich seit 26 Jahren für die Feuerwehr

Ich bin in der Freiwilligen Feuerwehr, weil…

„Als ich von Flensburg aufs Land gezogen bin, war für mich sofort klar, dann gehe ich auch in die Feuerwehr, um zu helfen. Mein Vater war in der Berufsfeuerwehr, eine gewisse familiäre Vorprägung war somit auch da. Zu helfen stand für mich stets im Vordergrund. Ohne Feuerwehr ist im Notfall niemand da, der hilft. Ich möchte auch selber, dass mir geholfen wird, dass im Ernstfall jemand kommt, dann muss ich der Gesellschaft gleiches auch zurückgeben.

Auf einmal reizte es mich, dann auch innerhalb der Feuerwehr weiterzukommen. Gruppenführer, stellvertretender Ortswehrführer und dann war ich auf einmal Amtswehrführer. Führung zu übernehmen, nicht nur beruflich, sondern auch in der Feuerwehr, das Ehrenamt hat mich einfach gepackt.“

An diesen Einsatz erinnere ich mich besonders:

„Am meisten bewegt hat mich ein Einsatz, bei dem am Ende zwar keiner zu Schaden kam, aber der einem doch bewusst gemacht hat, wie nah dran es sein kann. Nachts ging mein Melder, ich wohne in der Hausnummer drei und auf dem Melder stand die sieben als Einsatzort. Stichwort Wohnhausbrand. Ich schaute aus dem Fenster und sah bereits die Flammen.

Ein solches Feuer in unmittelbarer Nachbarschaft, man kennt sich, da schießen einem gleich unzählige Gedanken in den Kopf. Ich bin sofort zu dem brennenden Haus gelaufen, habe nach dem Bewohner geschrien. Erst hatte sich keiner gemeldet, doch dann stand er neben mir. Ihm ging es gut. Wie schnell etwas passieren kann, da hab ich das besonders realisiert. Häuser kann man ersetzen, Menschenleben nicht. Wenn Personen betroffen sind, die man persönlich kennt, dann sind Einsätze noch einmal mehr belastend.“

FF Bistoft-Mühlenbrück: Finja Haar (23), Agrarwissenschaftlerin, in der Wehr seit 2019

Ich bin in der Freiwilligen Feuerwehr, weil…

„Ganz klar ein Familien-Ding. Mein Opa war Maschinist in der Feuerwehr, hat mich schon als kleines Kind mitgenommen, hab ihm beim Waschen des Feuerwehrautos geholfen. Auch mein Vater ist in die Wehr eingetreten, schon als Kind war ich bei Übungen mit eingebunden, spielte Unfallopfer. Das macht etwas mit einem Kind, man hat ein gewisses Heldenbild vor Augen, wächst da mit rein, Feuerwehr ist für mich meine zweite Familie.

Auch nach schweren Einsätzen sitzt du zusammen, redest darüber, es ist immer jemand für dich da, wenn du ihn brauchst. Bei uns im Dorf sieht man immer wieder, welch hohen Stellenwert die Feuerwehr hat. Als mein Opa verstorben ist, da stand die ganze Wehr Spalier, erwies ihm die letzte Ehre, mit Tränen in den Augen. Familie eben.“

An diesen Einsatz erinnere ich mich besonders:

„Es ist eher ein kurioser Einsatz, viele haben wir im Jahr glücklicherweise ohnehin nicht. Auf dem Melder stand „Kuh in Brunnen“. Das kann man sich erst einmal gar nicht so wirklich vorstellen und ein solches Szenario trainiert und übt man auch nicht. In Lehrgängen kommt es nicht vor.

Tatsächlich fanden wir vor Ort eine Kuh, die in einen Gulli eingebrochen war. Gemeinsam mit der Leitstelle haben wir beratschlagt, was man tun kann. Letztlich wurde das Tier durch einen Tierarzt sediert und mit Hilfe eines Krans des Abdeckers herausgehoben. Die Kuh hat das Ganze gut überstanden. Auch das ist Feuerwehr, nicht nur Menschen helfen und Menschenleben retten, auch Tierrettung ist ein wichtiger Bestandteil.“

FF Freienwill: Björn Dreyer (48), Kfz-Meister und Lehrer, seit 1989 in der Feuerwehr

Ich bin in der Freiwilligen Feuerwehr, weil…

„Ich bin ein Gewächs aus der Jugendfeuerwehr, bin mit 18 in die Einsatzabteilung übergetreten. Zunächst in Flensburg und nach einem Umzug und einer längeren Pause nun seit 2019 in der Wehr. Adel verpflichtet sage ich immer. Unsere Familie ist seit Generationen in der Feuerwehr aktiv. Urgroßvater, Großvater, mein Vater und nun ich.

Männer, Maschinen, Uniform, irgendwie passt das für mich gut zusammen. Den Drang, etwas für die Gemeinde zu tun, etwas zurückzugeben und Menschen in Not zu helfen, den hatte und habe ich. Ich habe ausreichend Zeit, die investiere ich gerne für das Dorf und finde das auch angebracht. In Anspruch nehmen will die Feuerwehr im Ernstfall jeder, aber dann sollte auch jeder, der kann, selbst etwas dafür tun.“

An diesen Einsatz erinnere ich mich besonders:

„Da gibt es viele, aber einer, der mir vermutlich noch lange nicht aus dem Kopf gehen wird, ist erst ein paar Tage her. Wir wurden zu einem Einsatz gerufen, bei der ein Landwirt zwischen Maschine und Trecker eingeklemmt war. Alle Hilfe kam zu spät. Viele in der Wehr kannten ihn, ich kannte ihn auch flüchtig. Das geht einem besonders nah.

Nicht nur die Tatsache, helfen zu wollen, aber nichts mehr tun zu können, sondern auch, dass ein Mensch betroffen war, den man kannte. Das Allerwichtigste ist dann, sich gemeinsam hinzusetzen und darüber zu reden. Zudem wurde vom Amt das PSNV-Team (Anm. der Red.: Team für die Psychosoziale Notfallversorgung) angefordert, zur Seelsorge. Hier spielt aber in erster Linie der Zusammenhalt in der Wehr eine Rolle. Jeder geht mit so etwas anders um, verarbeitet das Erlebte unterschiedlich, wenn man sich in der Wehr gut kennt, die Kameradschaft stimmt, dann erkennt man das auch und kann sich gegenseitig helfen.“

Mehr lesen

Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenhalt: Es geht noch viel mehr in Nordschleswig“