Vulkanausbruch auf La Palma

Lava bedroht das Haus von Flensburgerin Karen Schimming

Lava bedroht das Haus von Flensburgerin Karen Schimming

Lava bedroht das Haus von Flensburgerin Karen Schimming

SHZ
Flensburg
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La Palma: Glühende Lava fließt bei einem weiteren Vulkanausbruch in einer Nacht Ende November einen Berg hinunter. Mehrere neue Vulkanschlote hatten sich geöffnet und setzten neue Lava frei. Foto: Emilio Morenatti/shz.de

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Vor 30 Jahren hat Karen Schimming gespürt, dass ihr Rheuma auf La Palma besser auszuhalten ist als im Norden. Ob sie je ihr Haus, das die 83-Jährige seit 25 Jahren dort besitzt, wieder besuchen kann, weiß sie nicht.

La Palma kommt nicht zur Ruhe. La isla bonita, die schöne Insel, oder auch die Grüne, la isla verde, bebt seit dem 11. September. Eine gute Woche später, am 19. September, brach der Vulkan Cumbre Vieja im südlichen Teil der spanischen Kanareninsel aus. Seither melden Behörden regelmäßig neue Lavaströme und Deltas, die Flora und Fauna zerstören, Häuser unbewohnbar und Straßen unpassierbar machen.

„Es sieht schlimm aus“, sagt Karen Schimming aus Flensburg. Sie verfolgt die Nachrichten auf allen möglichen Kanälen, insbesondere im Internet über spanische Online-Medien und über EU-Programme wie Copernicus, die unter anderem mit Radar- und Satellitenbildern tagesaktuelle Informationen und Karten liefern. Auch das Geologische und Bergbauinstitut von Spanien (Instituto Geologico y Minero de Espana – IGME) bietet dichte Informationen. Zahlreiche Wissenschaftler seien vor Ort, weiß die 83-Jährige, und interessieren sich für die Umstände.


Außerdem hält sie regen Kontakt zu ihren Freunden vor Ort auf der Insel. Und trotzdem wisse niemand so recht Bescheid, sagt Schimming, weil der Zutritt in die Sperrzonen verboten sei.

Ihren 80.Geburtstag, so erinnert sich die gebürtige Husumerin, Jahrgang 1938, habe sie noch mit 30 Gästen auf der Insel gefeiert. Ihr letzter Besuch auf La Palma liegt bald zwei Jahre zurück; kurz bevor die Corona-Pandemie auch Europa erreichte, war sie im Januar 2020 auf der Kanareninsel.


Sie bereise sie bereits seit drei Jahrzehnten. „Wenn ich dort unten war, ging es mir immer besser“, sagt die Norddeutsche, die an einer rheumatischen Erkrankung leidet. Gerade den Winter habe sie fast immer auf La Palma verbracht. Sie habe nie viel Geld gehabt, verrät die ehemalige Bankmitarbeiterin, doch sie habe gespart. Vor 25 Jahren konnte sie sich ein bescheidenes Haus von 40 Quadratmetern mit großzügiger Terrasse unweit von Tazacorte kaufen.


Auch dank der Nachbarschaftshilfe der Palmeros schuf sie sich ein Domizil, an dem sie sehr hängt, erzählt Schimming. Unter anderem habe sie selbst gemalte Bilder mit auf die Insel genommen für ihr zweites Zuhause. „Das ist mehr mein Wohnsitz als hier“, sagt sie sehnsüchtig in ihrer Flensburger Wohnung, schwärmt vom Garten mit Feigen und Papaya und dem Blick aufs Meer.

Mindestens die Hälfte im Jahr habe sie stets auf La Palma verbracht. Umso schmerzlicher, dass die Lava des Cumbre Vieja bis auf wenige Meter an ihre Finca herangekommen ist. „Das Haus steht, aber man kann es nicht mehr betreten“, berichtete sie schon vor Tagen. Rundherum strömt Lava, auf dem Dach lande immer mehr Asche, weiß sie von befreundeten Nachbarn, so dass es einstürzen könnte.


Karen Schimming ist bestens vernetzt auf der Insel. Sie habe nur spanische Nachbarn, erzählt sie und, dass sie deshalb selbstverständlich die Sprache lernte. „Man ist Gast im Land.“ Die meisten Menschen, die ihr Zuhause an den Vulkan verlieren, seien bei Verwandten untergekommen. „Es ist eine Tragödie“, resümiert Schimming und berichtet von Tränen, die in vielen Telefonaten mit Palmeros fließen.

Hallen und leer stehende Ferienwohnungen dienten als vorübergehende Zufluchtsorte, im Supermarkt werde warmes Essen angeboten. Das ewige Grummeln im Erdboden zerrt an den Nerven, die Luft sei jetzt sehr schlecht. Die Insel habe alles, schwärmt Schimming und zählt auf: Wasser, Berge, Bananenplantagen, Wälder und Weinhänge. „Doch es wird nie wieder so wie früher“, fürchtet sie.


Der letzte große Vulkanausbruch auf der Vulkaninsel im Oktober vor 50 Jahren verlief vergleichsweise kurz; manche, die ihn miterlebt haben, kennt die Flensburgerin. Mit einem Ausbruch wie jetzt haben wohl nicht einmal viele Einheimische gerechnet.

Verletzte scheint es, wie durch ein Wunder, keine zu geben. Das Warnsystem funktioniere sehr gut, beobachtet die Flensburgerin und fühlt mit den Menschen. „Mir tun die Leute leid: Sie haben ein Leben lang gearbeitet und stehen jetzt vor dem Nichts.“ Sie selbst würde gern, „jederzeit“, wieder auf die Insel, sobald der Vulkan Ruhe gibt. „Weil mir die Menschen lieb sind“, sagt Karen Schimming.

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