Vergleichsarbeit Vera 3 und 8

Lerneinbußen trotz Schulschließungen nur moderat

Lerneinbußen trotz Schulschließungen nur moderat

Lerneinbußen trotz Schulschließungen nur moderat

SHZ
Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Distanzunterricht hat offenbar doch nicht so viele Einbußen gebracht wie befürchtet. Foto: Guido Kirchner / SHZ

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die erste landesweite Lernstandserhebung offenbart weniger Einbußen bei Schülern durch Verzicht auf Präsenzunterricht als befürchtet.

Der Verzicht auf Präsenzunterricht teils bis Anfang Mai zeigt in der ersten landesweiten Lernstandserhebung nur geringe Folgen. „Die Lernrückstände sind demnach erfreulicherweise moderat und bei weitem nicht so stark wie man hätte annehmen können“, sagt Bildungsministerin Karin Prien (CDU) über die Auswertung der diesjährigen Vergleichsarbeiten, kurz „Vera“, in den Jahrgängen 3 und 8. „Tendenziell fallen Lücken bei Grundschülern stärker aus. Und in Mathe stärker als Deutsch.“

Digitale Mediennutzung steigert die Englischkenntnisse

In den achten Klassen sind weder bei Lesen noch Rechtschreibung Veränderungen feststellbar. Konstant auch die Lage bei Mathe. In Englisch haben sich die Gymnasiasten bei Lesen und Zuhören um deutliche zehn Prozent verbessert. Das führt Prien darauf zurück, „dass sich viele in ihrer Freizeit zunehmend auf digitalen, vor allem englischsprachigen Kanälen bewegen, etwa Youtube, Streamingdiensten oder Podcasts.“ An den Gemeinschaftsschulen haben sich die Englisch-Ergebnisse kaum verändert.


Bei den Drittklässlern haben die Fähigkeiten in Deutsch beim Lesen tendenziell ab-, beim Zuhören zugenommen. „Lesen muss man gerade am Anfang mit gezielten Strategien üben. Diese Expertise der Lehrkräfte können Eltern naturgemäß nicht so gut ersetzen wie vielleicht andere Dinge“, stellt die Ministerin fest. Auch in Mathe hänge sehr viel von der Art der Vermittlung ab, gerade bei schwachen Schülern. Deshalb erstaunt es Prien nicht, dass in den dritten Klassen die Gruppe, die nicht mal Minimalanforderungen erreicht, um fast zehn Prozent gewachsen ist. Sofern es überhaupt Veränderungen gab, sind Schüler mit und ohne Migrationshintergrund meist gleich betroffen. Einzige Ausnahmen: In Mathe in Klasse 8 haben Jugendliche mit ausländischen Wurzeln in der untersten Kompetenzstufe sogar besser abgeschnitten. Wohingegen in Englisch Achtklässler ohne Migrationshintergrund ihre Zuhör-kompetenz deutlicher verbessert haben als solche mit.

Individuell wissen die Schulen jetzt, was Sache ist

Auch wenn die Gesamtauswertung keine gewaltigen Verschiebungen offenbart, betont Prien: „Intern leiten die Schulen aus den Ergebnissen viele Hinweise ab, welche Schüler individuell jetzt stärker gefördert werden müssen.“ Außerdem läuft bis zu den Weihnachtsferien noch eine vertiefende Umfrage des Lands bei Lehrkräften, Schülern und Eltern zu Lernrückständen.


Alles halb so schlimm? Dass die „Vera“-Vergleichsarbeiten im dritten und achten Schuljahr nur moderate Einbußen beim Lernstand durch die Schulschließungen nahelegen, will Bildungsministerin Karin Prien keinesfalls so verstanden wissen, dass sich das Thema abhaken lässt.

„Die Frage der Lernrückstände ist natürlich auch von der Dauer abhängig, in der Schulen geschlossen waren, und da hat Schleswig-Holstein vergleichsweise Glück gehabt“, stellt die CDU-Politikerin fest. „Aber erst einmal sind die psychosozialen Folgen erheblich, weil Kinder und Jugendliche in der Pandemie in ihrer Entwicklung gehemmt worden sind. Zum anderen heißt beim Lernstoff ein im Durchschnitt relativ unauffälliges Gesamtbild nicht, dass einzelne Schüler nicht doch erheblich im Rückstand sind.“


Die Aufholbemühungen müssten deshalb „auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen“. Das bedeute: „Es verbietet sich, dabei mit der Gießkanne durchs Land zu gehen. Es geht darum, dass unsere Expertinnen und Experten, und damit meine ich die Lehrkräfte, auf jedes einzelne Kind zu schauen, was zu tun ist.“

Programm „Lernchancen“ hat bisher 13 000 Schülern geholfen

Dazu können sie entweder aus dem auf 14,35 Millionen Euro aufgestockten „Vertretungsfonds“ des Landes zusätzliche Lehrkräfte anheuern. Davon sind elf Millionen abgerufen worden. Oder die Schulen greifen auf das Programm „Lernchancen:SH“ zurück. Darüber wurden laut Ministerium bisher 13000 Schüler erreicht. Externe Kräfte kommen so für Zusatzangebote in Schulen, etwa Studenten, Volkshochschul-Dozenten oder Kulturschaffende. Sie geben kleinen Gruppen Nachhilfe im Schulgebäude oder fangen andere Defizite auf. Parallel haben die Schulen bisher mehr als 12000 „Bildungsgutscheine“ verteilt. Damit können Schüler auf Kosten des Landes 30 Stunden bei privaten Nachhilfeinstituten nehmen.

Nur jede zweite Schule hat Interesse

Bis Ende der Herbstferien hat jede zweite Schule Leistungen aus den „Lernchancen“ genutzt. Während manche Beobachter fragen, warum nur jede zweite, bewertet Prien das als „sehr umfangreiche Inanspruchnahme“. Man müsse „auch bedenken, dass wir die Schulen gebeten haben, in den ersten Wochen des Schuljahrs zunächst auf das Psychosoziale zu achten. Denn wer sich nicht wohl fühlt, kann nicht lernen. Erst danach haben die Schulen zusätzliche Förderangebote gestrickt.“

Verschärfte Aufmerksamkeit möchte die Ministerin darauf lenken, wie sich Bildungsgutscheine und Zusatzkräfte über das Lernchancen-Programm auch für die Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen nutzen lassen.

Mehr lesen