Krankheit

Long-Covid-Patienten auf Föhr über Corona: „Es fehlt an Sensibilität!“

Long-Covid-Patienten auf Föhr über Corona: „Es fehlt an Sensibilität!“

Long-Covid-Patienten auf Föhr: „Es fehlt an Sensibilität!“

Anna Goldbach/shz.de
Föhr
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Stefan Borg (42) und Carina Kratz (27) sind beide Rhabilitanden im Reha-Zentrum Utersum auf Föhr. Träger des Zentrums ist die Deutsche Rentenversicherung Bund. Foto: Anna Goldbach

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Auf den ersten Blick haben Stefan Borg (42) und Carina Kratz (27) nicht viel gemein. Auf den zweiten verbindet sie eine Menge – vor allem das Verständnis für einander. Denn Stefan und Carina leiden an Long-Covid. Unsere Reporterin hat sie im Reha-Zentrum in Utersum getroffen.

Ausgiebige Spaziergänge mit dem Hund. Die haben sowohl Carina Kratz (27) aus Dudenhofen als auch Stefan Borg (42) aus der Nähe von Flensburg gerne unternommen. Damals. Heute sind die beiden fertig, wenn sie mit ihren Vierbeinern auch nur zehn Minuten vor der Tür waren. „Da muss ich mich erstmal umziehen und ein paar Stunden hinlegen“, berichtet Borg. Der Grund: Long-Covid.

„Es ist tatsächlich, wie ein Schlag aus dem Leben“, sind beide sich einig. Stefan, der durch die Erkrankung Rheuma bekommen hat, erzählt, wie er einen Freund in Pinneberg besucht hat. Schon auf der Rückfahrt nach Flensburg habe er gemerkt, wie ihn die Kraft in den Beinen verließ. „Ich saß vier Stunden in meinem Auto zu Hause vor der Tür, bis ich aussteigen konnte“, erzählt er. Durch die Rheumaerkrankung und Long-Covid kann er seinem Job nicht mehr nachgehen. „Der Körper spielt nicht mehr mit“.

Langer Weg zur Diagnose

„Ich habe sofort gemerkt, da stimmt etwas nicht“, erzählt Carina, die im April an Corona erkrankte. Schüttelfrost, Fieber – das komplette Programm. Zwei Wochen nach der Infektion lag sie „komplett flach“. Die 27-Jährige, die sonst gerne Sport gemacht hat, ist plötzlich mit dem Alltag überfordert. Stößt körperlich an ihre Grenzen. „Ich habe Asthma bekommen und 15 bis 20 Kilo zugenommen“, sagt sie. Was dazukommt, ist die psychische Belastung: Denn zunächst heißt es überall nur abwarten. So kurz nach der Infektion könne man noch nicht sagen, ob es sich um Long-Covid handele oder, ob es „nur“ ein schwerer Verlauf sei. Das Tingeln von Arzt zu Arzt begann – Lungenfacharzt, Cardiologe und dann das lange Warten bis zu Diagnose.

Das kennt auch Stefan Borg. Weil er eine „depressive Vorgeschichte“ hat, hätten ihn viele Ärzte nicht ernst genommen. Denn die Symptome einer Long-Covid-Erkrnakung ähneln zu Teilen denen einer Depression. Vielmals sei er abgewiesen worden: Es sei ein depressiver Schub, kein Long-Covid. „Aber ich weiß ja, wie sich das anfühlt“, beschreibt Borg. „In einer depressiven Phase bin ich auch müde und antriebslos, aber eher vom Kopf her. Bei Long-Covid konnte der Kopf zwar, aber mein Körper hat versagt – was für den Kopf jetzt auch nicht so gut ist“. Um so wohler fühlt sich Borg in Utersum, wo er für vier Wochen er im Reha-Zentrum der Deutschen Rentenversicherung Bund ist. Hier nimmt man ihn ernst. Sowohl was das Personal angehe, als auch die anderen Rehabilitanden.

„Ich musste mich hier in der Klinik erstmal an den geregelten Tagesablauf gewöhnen“, erzählt er dann. Schließlich stehen täglich verschiedene Anwendungen und Therapien auf dem Programm. „Wenn man wirklich mal nicht kann, haben alle Verständnis“. Carina nickt zustimmend. Auch, dass die Reha psychologische Betreuung beinhaltet, findet er gut. „Eine schöne Sache“, wie er sagt.

Das gilt auch für den „Stammtisch“, an dem sich die Long-Covid-Patienten ohne Betreuung durch Klinik-Personal austauschen können. „Da ist es auch okay, wenn jemand den Stammtisch während eines Gesprächs verlässt, weil man es emotional gerade nicht aushält“. Verständnis dominiere hier. „Auch in den Gruppen und Therapien kann man immer sagen: Das ist mir gerade zu viel, ich muss jetzt hier raus. Das ist gar nicht so üblich“, so die 27-Jährige.

Darüber freut sich auch Carina. Wie oft sie gehört habe, dass sie einfach nur mehr Sport machen müsse, kann, lässt sich nicht an einer Hand abzählen. „Man will ja, aber es funktioniert einfach nicht“, sagt sie. Was ihr hier auf Föhr wirklich hilft, ist die Atemtherapie. „Ich merke, dass es mir, seit ich hier bin, kontinuierlich besser geht“, sagt sie, lächelt. „Hier ist sie viel, viel besser als zu Hause“, fügt sie hinzu.

Es mangele an Sensibilität, sagen beide. Gerade von Personen, die einen milden Verlauf hatten, von sich auf die Long-Covid-Patienten schließen und erwarten, dass sich alles mit der Zeit ja geben würde. „Die Leute sehen nur, dass man auf der Couch liegt und denken: die machen ja nichts. Sie verstehen aber nicht, dass ich nichts machen kann“.

Was ihr sonst noch auf dem Herzen liegt? „Es ist alles nur noch Corona. Du hast Kopfschmerzen? Es ist Corona! Hier wurden Untersuchungen gemacht, von denen habe ich noch nie gehört“, um eben zu schauen, ob die Leiden und Symptome wirklich an der Long-Covid-Erkrankung liegen oder andere Ursachen haben.

Mittlerweile sind Carina und Stefan wieder abgereist. Mit einem guten Gefühl, wie sie sagen. Und auch, wenn, die Entscheidung nach Föhr zu kommen, „die Beste“ war, Carina freut sich wieder auf Zuhause.

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