Umstrittene Corona-App

Luca-App in SH: Niemand weiß, ob sich der Kauf gelohnt hat

Luca-App in SH: Niemand weiß, ob sich der Kauf gelohnt hat

Luca-App in SH: Niemand weiß, ob sich der Kauf gelohnt hat

SHZ
Berlin
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Die Luca-App und ihre QR-Codes sind in vielen Bundesländern weitverbreitet – über den Nutzen des Systems gehen die Meinungen jedoch auseinander. Foto: Christoph Söder/dpa

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Das System rund um die Luca-App hat SH viel Geld gekostet. Bei der Bewertung nach dem Nutzen prallen Ungewissheit auf PR-Aussagen.

Die Versprechungen des Herstellers waren mindestens so groß wie die Hoffnungen der Menschen und Politiker: Mit der Luca-App und dem System dahinter sollten Corona-Infektionsketten durchbrochen, die Zettelwirtschaft bei Veranstaltungen ersetzt, Gesundheitsämter entlastet und der Weg für Lockerungen der Schutzmaßnahmen geebnet werden.

Verließen sich Länder allein auf Mecklenburg-Vorpommern?

Als erstes Bundesland hatte Mecklenburg-Vorpommern eine Luca-Lizenz gekauft, um seine acht Gesundheitsämter an das System anzuschließen. Bereits damals äußerten Experten Zweifel am Nutzen des Systems und kritisierten, dass bei der Vergabe nicht ausreichend auf Sicherheit, Datenschutz und Alternativen geprüft worden sei.


Nach Informationen unserer Redaktion sollen sich mehrere Bundesländer bei ihren Entscheidungen für Luca zu großen Teilen auf die Marktanalyse Mecklenburg-Vorpommerns verlassen haben, ohne eigene Untersuchungen angestellt und ernsthaft Alternativen geprüft zu haben. Auf Nachfrage haben verschiedene Ministeriumssprecher dieser Darstellung widersprochen oder diese Frage nicht beantwortet.

22 Millionen Ausgaben – Nutzen unbekannt

13 Bundesländer gaben in Summe rund 22 Millionen Euro für das Luca-System aus. Ob sich diese Ausgaben gelohnt haben und das System seinen Zweck erfüllt, ist jedoch unklar.

Die Länder können auf Nachfrage kaum handfeste Ergebnisse vorlegen. Die jeweils zuständigen Stellen – das sind je nach Bundesland mal ein oder mehrere Ministerien oder auch Landkreisvertretungen – wissen höchstens grob, wie oft ihre Gesundheitsämter das Luca-System genutzt haben und wie zufrieden sie damit sind. Wenn überhaupt.



Luca-Erfahrungen in SH

In SH ist der Landkreistag für das Luca-System verantwortlich. Ein Sprecher sagte unserer Redaktion, dass die Gesundheitsämter bisher nur selten darauf zugegriffen hätten. Eine genau Zahl der Zugriffe ist nicht bekannt. Die Ämter seien jedoch mit der Qualität der Daten zufrieden gewesen. Für eine finale Bewertung sei es jedoch zu früh, so der Sprecher.

In dieses Fazit gehört ein Pannen-Fall von der Insel Sylt. Dort war im Juli der Besucher einer Bar positiv auf das Corona-Virus getestet worden, doch trotz Luca-App konnten rund 80 weitere Besucher nicht ermittelt werden. Der Barbetreiber spricht von einem "technischen Fehler" im Luca-System, der Hersteller dementiert das.

Ist Luca ein Erfolg oder ein Flop?

Dass der Nutzen von Luca bisher allgemein sehr überschaubar sein könnte, hatte eine Umfrage des Magazins "Spiegel" bei 114 befragten Gesundheitsämter gezeigt. Rund die Hälfte der Ämter gab demnach an, noch nie Daten über das Luca-System abgefragt zu haben. Lediglich in rund 60 Fällen bundesweit hätten die Daten dabei geholfen, Infektionsketten nachzuvollziehen.

Die Luca-Macher, die Culture4Life GmbH, zogen als Reaktion eine positive Zwischenbilanz. Demnach hätten die Gesundheitsämter allein in den zehn Wochen zwischen dem 1. Juni und dem 23. August 1750-mal von Betrieben gesammelte Kontaktdaten der per QR-Code eingecheckten Besucher angefordert. Geschäftsführer Patrick Hennig sagte: "Das entspricht 126.000 möglichen Infektionsketten, die potenziell unterbrochen wurden."


Luca-Pflicht wird oft nicht eingehalten

Ende Juli hatte die Polizei bei Stichproben in Lokalen im niedersächsischen Hameln festgestellt, dass viele Besucher gar nicht eingecheckt waren und die Betreiber nicht überprüft hatten, ob die Gäste die ausgelegten Luca-QR-Codes eingelesen hatten. Die Kontaktdaten waren gar nicht erfasst worden.

Das lässt darauf schließen, dass auch bei anderen Zusammenkünften kaum bis keine Daten erhoben werden. Dabei sind Betreiber von Lokalen und Veranstaltungen laut Corona-Verordnung dazu verpflichtet, die Daten ihrer Gäste zu erfassen – schriftlich oder digital, zum Beispiel über die Luca-App.

Bekannt ist außerdem, dass App-Nutzer immer wieder vergessen, mit der App ein- oder auszuchecken. Das erschwert die Arbeit der ohnehin überlasteten Gesundheitsämter. Ein weiteres Problem für Gesundheitsämter: Wenn in Betrieben oder bei Veranstaltungen nur wenige QR-Codes für größere Räume gelten, fällt die Risikobewertung sehr schwer.


Luca in der Dauerkritik

Luca steht seit Monaten in der Kritik. Im April forderte die Hackervereinigung Chaos Computer Club (CCC) wegen schwerer Sicherheitslücken eine "Bundesnotbremse" von Steuerausgaben für das Programm. Die entdeckte Schwachstelle zeuge laut CCC-Sprecher Linus Neumann von einem "fundamentalen Unverständnis grundlegender Prinzipien der IT-Sicherheit." Kurz darauf sprachen sich rund 80 führende IT-Sicherheitsforscher in einer gemeinsamen Erklärung gegen das Luca-System aus. Sie stellten dessen Nutzen in Frage und warnten vor Risiken.

Eigentlich hätte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die App und das System überprüfen sollen. Das hatte das Land Hessen gefordert. Doch dann schaltete sich das Bundesinnenministerium und lehnte den Antrag ab. Die Ländern könnten als Käufer der Luca-Lizenzen selbst eine Überprüfung anstoßen, so die Begründung.

Luca-Macher streiten Vorwürfe ab – immer wieder

Die Reaktion der Luca-Verantwortlichen auf die Kritik war stets identisch. Die Firma betonte, die App sei sicher, die Kritik unbegründet und von Neid getrieben. Im Interview mit unserer Redaktion hatte Hennig gesagt: "Alle die, die Kritik üben, können das gerne tun – aber dann sollen sie es doch erstmal besser machen." Auch Missgunst machte der Geschäftsführer aus: "Natürlich gibt es da Frust, wenn andere nicht berücksichtigt werden." Anbieter anderer Kontaktnachverfolgungs-App gehen in mehreren Ländern rechtlich gegen die Vergaben und Bewerbung von Luca durch Politik und Verwaltung vor.

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ZDF-Moderator und Satiriker Jan Böhmermann hatte bereits Anfang April die Schwächen des Systems aufgedeckt. Dazu checkte er sich nachts aus Berlin und unter falschem Namen im Osnabrücker Zoo ein, viele Hunderte Nutzer folgten seinem Beispiel. Die Luca-Macher sahen darin kein Problem sondern appellierte an die Eigenverantwortung der Nutzer, nur korrekte Daten in der App zu hinterlegen.

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