Gesundheit

Martin Kreetz erzählt, warum es ihn als jungen Arzt auf die Insel verschlagen hat

Ein Arzt erzählt, warum es ihn auf die Insel verschlagen hat

Ein Arzt erzählt, warum es ihn auf die Insel verschlagen hat

Anna Goldbach/shz.de
Wyk auf Föhr
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Über seinem Tisch steht ein Bild seines Opas. Der war lange Zeit im Rehazentrum Utersum als Arzt tätig.  Foto: Anna Goldbach/shz.de

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Häufig hört man, dass die Insel für junge Ärzte nicht sonderlich attraktiv sei. Als Hausarzt habe man keine Aufstiegsmöglichkeiten. Doch es gibt Menschen, die das Hausarztdasein lieben. Einer von ihnen ist Martin Johann Kreetz.

In dem Regal über seinem Schreibtisch steht eine Fotografie. In schwarz-weiß eingefroren, schaut der Mann im weißen Kittel freundlich auf den am Schreibtisch Sitzenden herab. „Das ist mein Opa, den ich leider nie habe kennenlernen dürfen; er ist drei Wochen vor meiner Geburt gestorben“, erzählt Johann Martin Kreetz, „aber vielleicht habe ich von ihm meinen Hang zur Medizin geerbt“.

Martin Johann Kreetz wurde 1986 auf Föhr geboren. Nach dem Abitur absolvierte der Föhrer ein Freiwilliges soziales Jahr in der Inselklinik, weil er „einfach mal schauen wollte, ob das was für mich ist, der Gesundheitssektor“. Dem war so – und so verließ der junge Mann 2007 seine Heimatinsel für das Studium in Hannover. „Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich gerne da gelebt habe“, erzählt Kreetz lachend. Die Lebensqualität habe sich dort in Grenzen gehalten – anders als auf Föhr, wo es den Facharzt für Innere Medizin 13 Jahre nach seinem Weggang wieder hin verschlagen hat.

Er habe sich immer gewünscht zurück auf die Insel zu kommen, sagt Kreetz dann, „weil ich dachte, wo kann man seine Kinder schöner aufwachsen lassen als hier“, er pausiert kurz, „aber man muss natürlich auch erstmal eine Partnerin finden, die das mitmacht“. Und die hat er. Seine Frau Julia Sophie hat der Mediziner während des Studiums kennengelernt – und das, obwohl sie selbst von der Insel ist.

Nach seiner Zeit als junger Assistenzarzt in Husum und einem „Ausflug in die Pneumologie in Heide“ kehrte Kreetz also Anfang 2020 zurück nach Föhr. Direkt zu Beginn der Pandemie. Und die begleitet ihn bis heute. Als „nach wie vor schwierig und herausfordernd“ beschreibt Martin Johann Kreetz, der in der Westfalenklinik auch noch als Oberarzt der Pneumologie tätig ist, die Behandlung von Long-Covid-Patienten. Das liege dran, dass sich die Beschwerden der Menschen in der Diagnostik häufig nicht abbilden würden. „Auch hier in der Praxis haben wir Long-Covid-Patienten und versuchen das hier so gut es geht, mit den Möglichkeiten, die wir haben, hinzubekommen, aber oft brauchen sie dann doch eine Reha“, erzählt er. Übrigens: Noch ist Kreetz auch Oberarzt in der Westfalenklinik in Wyk. „Das ist aber befristet. Mir gefällt die Arbeit dort sehr gut, aber das Hausarztdasein gefällt mir besser“.

Oft hört man, dass die Inseln für junge Ärzte nicht so attraktiv sei. Kreetz, der Mann mit dem immer freundlichen Blick, bestätigt das für viele seiner Kollegen. „Das ist wohl abhängig von dem, was man will“. Er persönlich habe bereits während des Studiums nicht verstehen können, warum seine Kommilitonen das Hausarztleben abgelehnt hätten. Denn Martin Johann Kreetz schätzt das Kleine, das Persönliche. Er mag, dass er geschätzte 95 Prozent seiner Patienten duzt, man sich kennt und durchaus auch Friesisch und Plattdeutsch geschnackt wird. „Wenn man das nicht mag, ist es in der Tat schwierig, hier auf Föhr als Arzt Fuß zu fassen“.

Die Arbeit als Hausarzt beschreibt er außerdem als selbstbestimmter: „Dann kann man auch bessere Medizin machen als, wenn man gezwungen irgendwo eingesetzt ist“. In der „Gemeinschaftspraxis-Midlum“ arbeitet er mit zwei weiteren Ärzten und einer Ärztin. In diesem Modell sieht er auch die Zukunft. „Die Einzelpraxis ist ein Auslaufmodell, alleine schon wegen der gestiegenen Personal- und Gerätekosten, dazu kommt die Inflation“.

„Aktuell sind wir sehr gut aufgestellt“, sagt Kreetz über die Ärzteversorgung auf der Insel. Die Frage sei mehr, ob das in Zukunft auch noch so sein wird. „Es geht wirklich maßgeblich darum, Nachfolger zu finden – das fällt den einen leichter als den anderen“. Auf dem Festland würde man Praxen „hinterher geschmissen“ bekommen, es gebe „massenhaft freie Sitze“. „Im Zuge des demografischen Wandels, könnte das die Lage auch hier verschärfen“, sagt er, „es wird sicherlich nicht jeder einen Nachfolger finden und das Problem ist, dass diese Sitze dann irgendwann verfallen“.

Da die Infrastruktur der Insel für Menschen, die nach Föhr ziehen wollen, auch eine Rolle spielt, glaubt Kreetz, dass es künftig auch schwieriger wird, Menschen auf die Insel zu bekommen. Dazu kommt, dass „das Leben eben immer teuer wird und elementare Dinge wie Wohnraum Mangelware sind“. Kreetz erzählt von einem älteren Patienten, der die Insel verlassen musste, weil er sich das Föhrleben nicht mehr leisten konnte. „Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird auch das Freizeitangebot kleiner, weil es sich nicht mehr rechnet“.

Von den 30 Insulanern, mit denen Kreetz 2006 Abitur machte, seien noch sechs auf der Insel, erzählt er. Dass er damals weggegangen ist, war für ihn die richtige Entscheidung. „Man weiß die Insel auch anders zu schätzen, wenn man mal woanders gelebt und das Meer nicht vor der Haustür hat“. Würde er also wieder Medizin studieren? „Ja“, so Kreetz und wie aus der Pistole geschossen hinterher: „Aber nicht in Hannover“.

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