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Mehr junge Drogentote in SH – Land will kein Drug-Checking

Mehr junge Drogentote in SH – Land will kein Drug-Checking

Mehr junge Drogentote in SH – Land will kein Drug-Checking

Inga Gercke/shz.de
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Die Ecstasypille „Blue Punisher“ ist durch ihre hohe Dosierung besonders gefährlich. Auch in SH gibt es bereits Fälle. Foto: Polizei M-V

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In Schleswig-Holstein sterben immer mehr junge Menschen aufgrund ihres Drogenkonsums. Vor allem synthetische Drogen werden immer beliebter, doch die sind auch besonders gefährlich. Der Bund hat nun den Weg für ein Drug-Checking freigemacht –...

Bundesweit steigt die Zahl der Drogentoten. 2022 kamen laut Bundeskriminalamt 1990 Personen infolge des Konsums illegaler Substanzen ums Leben. Das sind neun Prozent (164 Tote) mehr als im Vorjahr. Auch in Schleswig-Holstein wächst die Zahl. Laut Angaben des Landeskriminalamts (LKA) gab es 2022 insgesamt 56 Drogentote. Das sind zwar zwei weniger als im Vorjahr, zum Vergleich vor fünf Jahren allerdings eine Steigerung von rund zehn Prozent (2018: 51 Drogentote in SH). 

Mehr Drogentote unter 30 Jahren

Unter diesen Drogentoten sind immer mehr Menschen, die ihr 30. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Seit 2018 hat sich deren Zahl fast verdoppelt. Nach LKA-Angaben gab es 2018 acht Rauschgifttote unter 30 Jahren, 2021 waren es 23, im letzten Jahr 14.

Synthetische Drogen immer beliebter

Laut Bundeskriminalamt (BKA) spielen bei jungen Menschen besonders synthetische Drogen eine „bedeutende Rolle“. Die ständige Verfügbarkeit von Amphetamin und Ecstasy auf dem nationalen und internationalen Markt sei durch die großen Produktionskapazitäten in den Niederlanden gewährleistet. Auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik aus Schleswig-Holstein heißt es: „Einen weiterhin hohen Anteil nimmt die Zahl der allgemeinen Verstöße mit Amphetamin und seinen Derivaten in Pulver- oder flüssiger sowie in Tabletten- bzw. Kapselform (Ecstasy) ein.“

Todesfälle in Zusammenhang mit „Blue Punisher“

Wie gefährlich diese Drogen sein können, zeigen Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. Erst im Juni sorgte der Tod einer 13-Jährigen aus Mecklenburg-Vorpommern und der einer 15-Jährigen aus Brandenburg für Schlagzeilen. Nach Medienberichten zufolge sollen die Mädchen nach dem Konsum der Droge „Blue Punisher“ („blauer Bestrafer“) gestorben sein.

„Blue Punsiher“ auch in SH

Wie jetzt aus einer Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP deutlich wird: Auch in Schleswig-Holstein wird mit „Blue Punisher“ gehandelt. Das Erkennungsmerkmal der kleinen blauen Pille: ein eingestanzter Totenkopf. „Seit 2019 sind in Schleswig-Holstein mindestens 20 Fälle polizeilich bekannt geworden, in denen blaue Ecstasy-Tabletten mit dem „Punisher“-Logo sichergestellt wurden. Vereinzelt sind auch Pillen mit dem gleichen Emblem in anderen Farben aufgefallen“, heißt es in der Antwort der Landesregierung. 

Drogen sind immer häufiger besonders hoch dosiert

Mit einer deutlich höheren Dunkelziffer rechnet Björn Malchow, Geschäftsführer der Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein. „Blue Punisher ist MDMA, ist also Ecstasy“, sagt er. MDMA ist die Abkürzung für Methylendioxymethylamphetamin. Die Einnahme von MDMA verursacht vor allem Euphorie und erhöhte die Sinnesempfindlichkeit. Gefährlich ist diese Pille, weil die Inhaltsstoffe darin sehr hoch konzentriert sind. „Das wird gerade für Konsumenten gefährlich, die nicht geübt sind“, sagt er. Er sagt aber auch: „Bei fast allen Drogen steigt der Reinhaltsgehalt.“ Dealer könnten es sich schlicht nicht mehr leisten, minderwertige Drogen zu verkaufen. „Das spricht sich schnell herum. Außerdem gibt es auch Bewertungen im Darknet. Das ist ein richtiges Geschäft.“

Bund macht Weg zum Druck-Checking frei

Um herauszufinden, ob Drogen gestreckt werden, was zu gefährlichen Mischkonsum führen kann, oder ob die Substanz überdosiert ist, hat der Bundestag nun den Weg für ein sogenanntes Drug-Checking freigemacht. Kostenlos und anonym können Konsumenten ihre Drogen testen lassen. In Berlin und Thüringen gibt es bereits erste Modelle. 

Schleswig-Holstein bietet kein Druck-Checking an

Und in Schleswig-Holstein? „Konkret geplant ist Drugchecking in Schleswig-Holstein derzeit nicht“, sagt ein Sprecher das Gesundheitsministerium auf Nachfrage. Schleswig-Holstein setze in erster Linie auf Aufklärung und Prävention. „Drugchecking könnte die Gefahr des Konsums verunreinigter Drogen verringern, jedoch kann das Risiko bestehen, dass sich Konsumenten irrtümlich in einer falschen Sicherheit wiegen. Drogen gefährden die Gesundheit, gesunde Drogen gibt es nicht“, heißt es weiter.


Zuletzt forderte der SSW, solch ein Angebot auch in Schleswig-Holstein umzusetzen. „Es wird Zeit, dass die schwarz-grüne Koalition ihre konservativen Scheuklappen abnimmt und endlich auf eine zeitgemäße Drogenpolitik setzt, die Leben rettet“, so der SSW-Chef Christian Dirschauer.

Auch Björn Malchow begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung: „Das ist wirklich sehr, sehr löblich“, sagt er. „Gerade mobile Testmobile, die gezielt Hotspots anfahren, kann ich mir sehr gut vorstellen. Das wäre sicher eine sinnvolle Sache.“

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