Neue Ausstellung auf Föhr

Ein Mord und andere Dramen in Schwarz-Weiß – spannende Bildergeschichten in Wyk

Spannende Bildergeschichten in Wyk

Spannende Bildergeschichten in Wyk

Martin Schulte/shz.de
Wyk auf Föhr
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Eindrucksvolle Farben: Kuratorin Pia Littmann vor Are Andreassens „Røst N556“. Foto: dpa/shz.de

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Das Museum Kunst der Westküste (MKdW) auf Föhr zeigt mit der Ausstellung „Dampfer, Deiche, Dramen“ erstmals Druckgrafik aus dem eigenen Bestand – und erzählt spannende Geschichten.

Dem armen Aal nützt die ganze Aufmerksamkeit nicht mehr. Er ist tot und verspeist. Aber seine Gräten entwickeln gerade eine Art Nachruhm, weil sie postum als Zeichengeräte gedient haben. Henrieke Strecker hat mit ihnen ihre kleinformatigen, sehr feinen Bilder geschaffen, die auf den zweiten Blick viele Assoziationen wecken: Schiffsrümpfe, die organisch überwuchert werden, Küstenvegetation, Soldaten unter Friedhofskreuzen. Oder sind es doch Segelmasten?

Mit Strecker, die als Artist in Residence im Oktober auf Föhr zu Gast war, beginnt die neue Ausstellung im Museum Kunst der Westküste (MKdW) mit dem spannenden Titel „Dampfer, Deiche, Dramen“ ganz leise. Erstmals zeigt das MKdW dabei Druckgrafik aus der eigenen Sammlung und stellt – das ist geübte und geschätzte Praxis – zeitgenössische Positionen dazu.

In der Schau werden viele Geschichten erzählt und einige spektakuläre Werke zueinander in Verbindung gesetzt. „Wir haben den grafischen Teil der Sammlung in den vergangenen Jahren stark ausbauen können“, sagte MKdW-Direktorin Ulrike Wolff-Thomsen während der Präsentation der neuen Ausstellung. Und natürlich fehlen dabei die großen Namen nicht: Liebermann, Munch, Nolde, auch der Brücke-Künstler Otto Mueller.

Max Liebermann und Emil Nolde, die ewigen Rivalen, hängen an gegenüberliegenden Wänden; Liebermann mit seinen berühmten Strandszenen, deren Dynamik er aus der Malerei in die Grafik übertragen hat. „Er hat früh erkannt, dass ihm die Verbreitung von Druckgrafik eine größere Bekanntheit ermöglichen würde“, sagt Kuratorin Pia Littmann. In Noldes dunklen Hafenansichten scheint immer noch der atmosphärisch dichte Impressionismus durch.

Dann folgen die Norweger, keine Rivalen, aber aus unterschiedlichen Generationen. Edvard Munchs Grafikzyklus „Alpha & Omega“ erzählt nicht weniger als die Geschichte eines Beziehungsmordes – auf einer Insel natürlich. „Diese Werke sind eine psychische Kompensationsleistung“, sagt Wolff-Thomsen. Munch hatte Anfang des 20. Jahrhunderts einen Zusammenbruch, Grund war unter anderem übermäßiger Alkoholkonsum. Er arbeitete sich gesund und brachte die inneren Dämonen mit „Alpha & Omega“ zu Papier. Und zum Schweigen. Eine fantastische Geschichte und ganz offensichtlich eine nützliche Medizin.

Ganz nah bei Munch hängt dann Are Andreassens „Røst N556“, benannt nach einer Inselgruppe in den norwegischen Lofoten. Dorthin verirrten sich 1432 drei venezianische Schiffe, die an ihrem unfreiwilligen Ziel nicht nur die Großherzigkeit der Einheimischen erfuhren, sondern auch den Geschmack von Stockfisch zu schätzen lernten. Daraus wuchs nicht nur eine lohnende Handelsbeziehung, sondern die wunderbare Grafikreihe von Andreassen, der die historische Erzählung mit den Themen der Gegenwart zusammenbringt: Überfischung, Artenschwund, Klimawandel. Eine echte Entdeckung.

Gleiches gilt für die Bilder Max Kahlkes. Der gebürtige Glückstädter, der als Soldat im Ersten Weltkrieg war, verarbeitete seine Traumata in seinen stark expressiven Landschaftsgrafiken. Da beugen sich bedrohliche Himmel über die Landschaft und alles ist in Bewegung. Unruhige und nervöse Landschaften, die das Innenleben ihres Schöpfers spiegeln. Kahlke teilt sich den Raum mit dem Schimmelreiter-Zyklus des Flensburgers Alexander Eckener, auch das ein schwarz-weißes Drama an der Nordsee.

Dann, am Schluss, wird es wieder leiser. Vielleicht sogar etwas zu leise. Die reduzierten und verspielten Grafiken der Dänin Marie-Louise Exner gehen in dem Raum mit tosender Brandung, geisterhaften Reitern und schreienden Himmel unter. Aber das ist am Ende kein Drama, sondern nur eine von vielen Geschichten in dieser sehenswerten Ausstellung.

Dampfer, Deiche, Dramen: Museum Kunst der Westküste, Hauptstraße 1, Alkersum, Föhr. Vom 19. Februar bis 31. Oktober.

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