Corona in Husum

Nach Koma kam Long-Covid: Darum hat Matthias Stahl kein Verständnis für Impfgegner

Darum hat Matthias Stahl kein Verständnis für Impfgegner

Darum hat Matthias Stahl kein Verständnis für Impfgegner

SHZ
Husum
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Heute kann Matthias Stahl aus Husum wieder lachen, auch wenn der 61-Jährige mit den schweren Folgen einer Corona-Erkrankung kämpft. Foto: Aline Farbacher/shz.de

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Nachdem der 61-Jährige selbst schwer am Virus erkrankt war, kämpft er noch heute mit den Folgen von Long -Covid. Auch in seinen Beruf als Krankenpfleger konnte er bisher nicht langfristig zurückkehren.

Es ist etwas, das Matthias Stahl aus Husum nur sehr schwer verstehen kann – Menschen die sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen. Als Reaktion auf ein Interview mit der Impfgegenerin Angelika Laurent aus Langenhorn, hat er einen Leserbrief an shz.de geschrieben. Denn er weiß genau, wie es ist, wenn die Luft knapp wird, wie es ist, beinahe zu ersticken.

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Der 61-Jährige kämpft seit einem dreiviertel Jahr mit den Folgen seiner schweren Covid-19-Erkrankung, kann bis heute nicht in seinen Beruf als Krankenpfleger zurück kehren. Sogar ins künstliche Koma wurde er versetzt. „Ich habe mich davor schon von meiner Frau verabschiedet, weil man ja nie weis, ob man wieder aufwacht“, sagt Stahl.

Der Alltag ist langsamer geworden

Im Januar 2021 erkrankte Matthias Stahl an Corona. Der Mann, der bisher als Krankenpfleger im Husumer Krankenhaus die Station fünf leitete, wurde von einem auf den anderen Tag aus seinem sonst so aktivem Leben ohne Vorerkrankung gerissen. Zwei Tage später musste die Klinik wegen eines großen Corona-Ausbruches schließen.

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Er landete auf der Intensivstation im Krankenhaus in Flensburg. Als klar war, dass er in ein Koma versetzt werden muss, nahm er mit einem Anruf bei seiner Frau und seinen zwei erwachsenen Kindern vorsorglich Abschied. „Es war das Schlimmste was ich jemals erlebt habe in meinem Leben, wenn man sich auf einmal verabschieden soll“, sagt seine Frau Andrea mit Tränen in den Augen. Auch sie selbst war an Covid erkrankt. Anfang Februar erwachte er nach elf Tagen aus dem Koma, sein Alltag ist seither gezwungenermaßen ruhiger und langsamer geworden. Essen, Zähneputzen, Sprechen, Schreiben – alles Dinge, die er wieder neu lernen musste.


„Ich war eigentlich immer ein sehr kommunikativer Mensch und jetzt überfordern mich Gespräche mit vielen Menschen, mir wird schwindelig“, sagt er. Dass sein neuronales Nervensystem durch die Viruserkrankung geschädigt wurde, hat ihm erst jüngst ein Experte aus Kiel bestätigt. Auch Autofahren und Einkaufen sind für ihn bis heute echte Herkulesaufgaben. „Ich bin am Montag mal nach Schleswig gefahren, ich kam da an und war fix und fertig, mir war so schwindelig, ich bin wie besoffen rumgelaufen“, beschreibt er.

Dankbarkeit für viele alltägliche Dinge ist gewachsen

Nach einer Reha kehrte er kurz mit dem Hamburger Modell zurück in seinen Beruf. „Doch ich habe gemerkt, ich schaffe das nicht, das Gewusel war zu viel“, so Stahl. Dabei hatte er gedacht, er könne auch das wieder erlernen. Als Stationsleiter hatte er vorher immerhin viel mehr Aufgaben gehabt, erzählt er, nachdem er kurz inne halten und die Augen schließen muss, um den Schwindel aufzuhalten. In der kommenden Woche wird er in einer Berufsgenossenschaftlichen Klinik in Hamburg durchgcheckt, es soll entschieden werden, ob und in welchem Maße er seinen Beruf noch ausüben darf. „Rente wäre etwas, das hätte ich gerne selbst entschieden.“

Keine Angst, aber Respekt vor dem Coronavirus hatte er immer. Seit Beginn der Pandemie schreibt er sogar ein Corona-Tagebuch, hält Gedanken, Geschehnisse und Gefühle fest.

Heute nimmt er viele Dinge nicht mehr als selbstverständlich hin. „Ich bin dankbar, für eine ganz tolle Ehefrau, die an meiner Seite steht, für meine Familie, eine Gemeinde und Freunde, die für uns gebetet haben, ein Team und Arbeitgeber, die keinen Druck machen sondern verständnisvoll sind“, sagt er. Nicht zuletzt ist er auch dem Team der Intensivstation in Flensburg dankbar. „Die haben mir mein Leben gerettet", sagt er. Doch trotz der schweren Zeit ist Stahl nicht depressiv gestimmt, sein Glaube an Gott habe ihm Halt gegeben. „Wir wachen jeden Tag auf und freuen uns, dass wir uns haben“, ergänzt seine Frau Andrea.

Ehepaar hofft auf ein Umdenken

Wütend oder aggressiv auf Menschen zu reagieren, die sich nicht impfen lassen wollen, sei nicht sinnvoll, sagt Stahl. Dennoch wünscht sich das Ehepaar von Impfgegnern, wie etwa Angelika Laurent, dass diese ihre Entscheidung nochmals überdenken, „aber das erreichen wir ja auch nicht, wenn wir über die schimpfen“, sagt seine Frau Andrea.

„Ich sage auch nicht, dass Frau Laurent dumm ist, auf keinen Fall. Aber wir haben auch, so wie sie es beschreibt, alles getan, um uns zu schützen und es hat trotzdem nicht gereicht“, ergänzt Stahl. Eine 100-prozentigen Schutz biete auch die Impfung nicht, sagt er. Doch „man sollte alles zur Verfügung stehende nutzen, um sich zu schützen“. Auch in der aktuell angespannten Situation, hofft er auf eine steigende Impfquote und Testungen.

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