Frühgeburt in Flensburg

Nach tragischem Todesfall ist Kooperation von Diako und Süddänemark ungewiss

Nach tragischem Todesfall ist Kooperation von Diako und Süddänemark ungewiss

Kooperation von Diako und Süddänemark ungewiss

SHZ
Flensburg
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Jamila (rechts) und Esmer Gvozden haben dänischen Medien Interviews gegeben. Foto: Screenshot DR.dk/shz.de

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Ein dänisches Paar wird über die Grenze in die Diako geschickt, weil in Dänemark kein Platz für die bevorstehende Geburt frei ist. Das Kind stirbt, und eine bürokratische Katastrophe nimmt ihren Lauf.

Jamila und Esmer Gvozden aus Taulov, einem Ort zwischen Kolding und Fredericia, sind in froher Erwartung auf ihr zweites Kind. Doch viel zu früh Ende Juli setzen bei der jungen Frau die Wehen ein. Das Odense Universitetshospital ist als eine von insgesamt vier Kliniken in Dänemark auch auf Frühgeburten spezialisiert, doch wie alle im Land in diesem Sommer voll belegt – und die werdende Mutter wird über die Grenze in die Diako nach Flensburg gebracht. Dem deutschen Krankenhaus machen die Eltern keinen Vorwurf.

PD Dr. Michael Dördelmann erinnert sich an den Fall, der ein tragisches Ende nimmt. Der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Diakonissenkrankenhaus hatte Kontakt zu den Kollegen in Odense. Seine dänischen Kollegen waren wegen mangelnder Kapazitäten um Hilfe bemüht, schildert der Arzt. Weil der Transport und die Kostenübernahme durch Dänemark geregelt worden waren, stimmte er der Aufnahme der Patientin zu.

Die Region Syddanmark trägt das Universitätskrankenhaus Odense, das Sygehus Lillebælt, das Sydvestjysk Sygehus und das Sygehus Sønderjylland.

In diesem Fall der Familie Gvozden suchte Odense Hilfe in Flensburg. Diako-Chefarzt Dördelmann verneint, dass es eine schriftliche Kooperationsvereinbarung seiner Geschäftsführung mit der Region Syddanmark gebe. „Das war eine mündliche Vereinbarung zwischen den behandelnden Ärzten“, die vor den Ferien abgestimmt worden sei, sagt er, kein Vertrag.

Diako: Perinatalzentrum der maximalen Versorgungsstufe

„Wir sind ein Perinatalzentrum des Level I“, erklärt Michael Dördelmann, eines von fünf und das zweitgrößte in Schleswig-Holstein. Level I heißt, es bietet die höchste Versorgungsstufe der Geburtshilfe für Risikoschwangere und Risikogeburten. Um das aufzubauen, sei er seinerzeit aus Hannover nach Flensburg gekommen, sagt der Facharzt für Neonatologie, der seit 2009 Diako-Chefarzt ist.

Kinder- und Frauenklinik gehören hier zusammen und befinden sich auch örtlich unter einem Dach. Mit 1842 Geburten galt die Diako im Jahr 2020 als die größte Geburtsklinik in Schleswig-Holstein. Seit einigen Jahren verfügt sie zudem über ein professionelles Angebot der sozialmedizinischen Nachsorge.

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Jamila Gvozden war in der 26. Woche – eine Schwangerschaft dauert normalerweise 40 Wochen. Chefarzt Dördelmann erinnert sich an ein sehr kleines Kind, das am Tag nach der Ankunft der Schwangeren zur Welt kam. Dänische Medien berichten von 890 Gramm, die die kleine Kenya gewogen habe.

Neonatologe Dördelmann berichtet, dass die Komplikationen, die sich aufgrund der Früh- und Höchstrisikogeburt ergaben, in der Diako früh erkannt worden seien. Aussagen der Familie Gvozden bestätigen, dass diese dem Krankenhaus keine Vorwürfe macht. Lediglich die Kommunikation sei schwierig gewesen.

Den Eltern habe das Team die gesamte Zeit über zur Seite gestanden. „Wir involvieren die Eltern in alle Entscheidungen. Das ist wichtig für den Prozess der Verarbeitung“, weiß der Arzt. „Wir haben alle Register gezogen, die medizinisch möglich sind“, betont er. „Mehr kann man nicht machen.“ Dennoch verschlechterte sich der Zustand des Mädchens. Es verstarb.

„Der Tag, an dem Kenya starb, ist der schlimmste Tag meines Lebens, aber auch die folgenden Wochen waren die Hölle“, beschreibt Esmer Gvozden gegenüber DR.dk. Jamila Gvozden musste nicht nur Vieles in dieser schweren Zeit ohne ihren Mann Esmer durchstehen wegen der Corona-Einschränkungen.

Zudem waren für sie schwer verständliche Formulare auf Deutsch auszufüllen und bürokratische Hürden zu nehmen. Dänische Medien berichten unter anderem von der CPR-Nummer, der nationalen Identifikationsnummer, die dem in Flensburg geborenen und verstorbenen Mädchen fehlte.

Leichenpass und Sterbeurkunde für Überführung ins Ausland

Der Exekutiv-Vizepräsident der Region Syddanmark, Kurt Espersen, erläutert, dass es laut dänischem Recht eines sogenannten „Leichenpasses“ bedarf, wenn ein Verstorbener von Deutschland nach Dänemark transportiert werden müsse.

Dieses Dokument gebe das Standesamt, die deutsche Behörde heraus, betont Espersen. Laut Auskunft eines in Harrislee ansässigen Bestattungsunternehmens sind in einem solchen Fall sowohl ein internationaler Leichenpass als auch eine Sterbeurkunde (und damit die Sterberegisternummer) notwendig, die beide auf einmal ausgestellt und für die grenzüberschreitende Überführung durch den Bestatter gebraucht werden.

Lücken in der Vereinbarung

Jamila Gvozden musste vier Tage nach der Ankunft in Flensburg ohne ihr totes Kind abreisen und berichtet DR.dk, dass anderthalb Wochen vergingen, bis Kenya bei ihr sein konnte. Jamila habe ihr Haus als leer empfunden. Den Prozess des Trauerns mussten die Eltern verschieben, sagen sie in Interviews.

Kurt Espersen erklärt, dass nicht sämtliche mögliche Szenarien in der Vereinbarung berücksichtigt worden seien. Diese sei zum ersten Mal genutzt worden. Nun wolle die Region Süddänemark andere Wege finden, um ausreichende Kapazitäten innerhalb Dänemarks voranzubringen, sagt Espersen und blickt insbesondere auf Odense.

Bürokratische „Riesenkatastrophe“

Chefarzt Michael Dördelmann nennt den bürokratischen Akt nach dem Tod des Kindes eine „Riesenkatastrophe“. Die Unzulänglichkeiten des medizinischen Systems habe man versucht, auszugleichen, sagt er und plädiert im Sinne der Patienten für eine Kooperation.

„Natürlich würden wir das immer wieder machen. Denn es geht um den Patienten“, formuliert der Arzt und vierfache Vater und wünscht sich, dass der Ärger nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen würde.

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