Interview mit Bürgerstiftung

Naturschutz in Schleswig: Was passiert mit der Möweninsel?

Naturschutz in Schleswig: Was passiert mit der Möweninsel?

Naturschutz in Schleswig: Was passiert mit der Möweninsel?

SHZ
Schleswig
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Rechtsanwalt Björn-Sven Bergemann (li.) und Arne Hansen von der Bürgerstiftung Stadt Schleswig wünschen sich eine neue Perspektive für die Möweninsel. Foto: Linda Krüger / SHZ

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Björn-Sven Bergemann und Arne Hansen von der Bürgerstiftung sorgen sich um die Zukunft der Möweninsel. Die Schlei-Insel soll zerfallen. Ein Gespräch darüber, was jetzt passieren muss.

Nach wie vor ist nicht klar, was in Zukunft mit der Möweninsel in Schleswig passieren wird. Ihr Zustand ist besorgniserregend. Schon seit Jahren kämpft die Bürgerstiftung Stadt Schleswig deshalb darum, die Möweninsel mit ihrem bedeutsamen Anteil an der Schleswiger Stadtgeschichte vor dem Untergang zu retten. Durch die Corona-Pandemie konnten die Initiatoren, die die kleine Insel vom Land zurückkaufen wollen, sich nicht mit dem Verein Jordsand treffen. Im Interview mit SN-Redaktionsmitglied Linda Krüger erzählen Björn-Sven Bergemann und Arne Hansen von der Bürgerstiftung, wie die aktuelle Situation ist.

Möweninsel: Land sieht keinen Handlungsbedarf

Wie sieht Ihre Arbeit im Bereich der Möweninsel aktuell aus?

Björn-Sven Bergemann: Wir werden noch mal mit dem Ministerium in Kontakt treten. Letztlich kann man es nicht so stehen lassen, dass der Naturschutz in vollem Umfang Vorrang haben soll. Die Burg, die sich auf der Insel befand, ist ein erfasstes Bodendenkmal. Es muss dem Naturschutz in irgendeiner Weise genüge getan werden, aber er kann nicht alles dominieren. Insofern denken wir immer noch, dass es das Wichtigste ist, eine gemeinsame Lösung zu finden. Es besteht eine Vereinbarung mit dem Land und dem Verein Jordsand, dass diese sich um die Insel kümmern. Oder zumindest darüber wachen, dass die Grundsätze für die Flora- und Fauna-Habitate eingehalten werden. Wir brauchen ein neutrales Gutachten, das die unterschiedlichen Belange berücksichtigt.


Arne Hansen: Das ganze Prozedere ist ja leider durch Corona unterbrochen worden. Was ja schon hoffnungsvoll zustande gekommen ist, sind persönliche Gespräche. Diesen Faden müssen wir jetzt wieder aufnehmen, um erneut zusammen zu kommen.

Wie würden Sie den Zustand der Möweninsel beschreiben?

Arne Hansen: Es ist ein gefährliches Terrain geworden. Also arbeiten darf da drüben keiner. Der pH-Wert der Insel ist so schlecht, dass Sie nicht mal den Finger in den Boden stecken können, ohne verätzt zu werden. Im nächsten Frühjahr wollen wir wieder Proben ziehen, um den aktuellen Zustand festzustellen.

Gab es in den vergangenen Jahren Veränderungen?

Björn-Sven Bergemann: Man war sich einig, dass ein Stufenplan aufgestellt werden müsste, was zu tun ist. Wir hatten sehr große Unterstützung von der Unteren Naturschutzbehörde. Dessen Leiter betonte ebenfalls, dass man nicht übersehen dürfe, dass nicht nur der Naturschutz eine Rolle spielt, sondern dass die Insel eine wesentliche kulturelle Bedeutung für die Stadt hat. Letztlich auch Identifikationspunkt sei, dadurch, dass die Jürgensburg auch im Stadtwappen zu finden ist. Wir hatten uns dann noch mal an die Untere Naturschutzbehörde gewandt, mit einem in unserem Auftrag angefertigten Gutachten, das dramatisch schlechte Werte aufwies. Auch wenn man die Ergebnisse anerkannte, sagten man uns: „Tut uns leid. Wir können da nichts machen. Eigentümer ist das Land, wir sind nicht wirklich zuständig.“

Arne Hansen: Weil die Insel ein Naturhabitat ist, sieht die Naturschutzbehörde keinen Handlungsbedarf. Es ist auch nicht bewiesen, dass die Störungen auf den Kormoran zurückzuführen sind, was allerdings etliche Leute, die davon etwas verstehen, nicht zuletzt die Fischer, durchaus anders sehen. Coronabedingt kam das letzte Schreiben im September letzten Jahres.

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Was ist das Besondere an der Möweninsel?

Arne Hansen: Für Schleswig ist die Insel stadtgeschichtlich wichtig. Die Stadt Schleswig war durch die Möweninseln abgesichert. Da war die Burg drauf, die dann irgendwann verfallen ist. Man könnte also – auch mit Blick auf das Stadtwappen – sagen: Die Möweninsel ist stadttragend.

Wie ist die Reaktion des Vereins Jordsand, der für die Möweninsel zuständig ist?

Björn-Sven Bergemann: Wir hatten auch an den Verein ein Gutachten mit Bodenproben geschickt. Dort sagte man uns, dass man keine Veranlassung sieht, wenn kein richtiges Gutachten vorliegt.

Arne Hansen: Sie haben es nicht anerkannt. Nach dem Motto: So lange wir es nicht anerkannt haben, müssen wir auch nicht irgendwelche Schlüsse daraus ziehen. Insofern wissen die schon ganz genau, dass die darin beschriebenen Ergebnisse hochproblematisch sind. Der Stickstoff im oberen Bodenhorizont von 30 Zentimetern reicht, um den Jahresbedarf eines 500 Hektar großen Ackerbaubetriebs zu decken. Bei Phosphor ist es ähnlich und der pH-Wert ist so gering, dass man den Boden ohne Verätzungen nicht anfassen kann. So kann sich die Wasserqualität im inneren Schleibecken nicht verbessern! Es ist wichtig, einen objektiven Weg zu finden. Deshalb ist dieses persönliche Zusammenkommen so wichtig. Das kann man nicht in virtuellen Sitzungen machen.

Was war die Reaktion vom zuständigen Ministerium der Landesregierung?

Björn-Sven Bergemann: Die Reaktion, die wir vom Umweltministerium bekommen haben, ist: Wir können da nichts machen. Es ist ein Naturschutzgebiet. Ein EU-Habitat. Wenn die Archäologen meinen, da etwas tun zu müssen, dann müssen sie sich mit dem Naturschutz abstimmen. Dann könnten sie gerne was machen, soweit es die Belange des Naturschutzes nicht beeinträchtigt. Das ist letztlich der Stand der Dinge.

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Wieso kümmern Sie sich um die Möweninsel?

Arne Hansen: Ganz einfach, ich bin Schleswiger.

Björn-Sven Bergemann: Wir haben zusammen auch die Bürgerstiftung ins Leben gerufen. Anliegen der Bürgerstiftung ist es unter anderem, Themen wie Umweltschutz, Umwelterhaltung, aber auch Kultur und eben alles, was stadtnah ist, zu fördern und zu unterstützen. Was fällt da besser hinein als die Möweninsel?

Was würden Sie sich für die Möweninsel wünschen?

Björn-Sven Bergemann: Sie soll nicht sich selbst überlassen werden. Sie ist keine klassische Naturinsel. Es muss endlich was passieren. Nicht in Richtung Zerstörung der Insel. Sie ist schon immer ein Kulturgut in Schleswig gewesen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass auf der Insel bestimmte Vogelarten geschützt werden sollten, standen auf der Liste der gefährdeten Vogelarten weder der Kormoran noch die Gänse. Es waren einst die Lachmöwe, die Seeschwalbe und es waren drei oder vier Arten, die es dort zu schützen gab – die es heute dort aber nicht mehr gibt. Insofern kann man von der Vogelschutzseite sagen, ist dies Ziel nicht erreicht.

Arne Hansen: Ich wünsche mir, dass man gemeinsam und unter Berücksichtigung aller objektiven Argumente zu einem Schluss kommt, der es ermöglicht, dass Denkmalschutz und Naturschutz hier zusammenlaufen können. Über einen absehbaren Zeitraum, ich sage mal 100 Jahre, wird es die Möweninsel nicht mehr geben. Jetzt ist das schon sichtbar, im Uferbereich gibt es immer neue Abbrüche. Wir suchen einfach einen Kompromiss: Damit Umweltschutz und Denkmalschutz miteinander einhergehen und dieses für die Stadt wichtige Kulturdenkmal erhalten bleibt.

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