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Neu in Flensburg: Avishay Shalom verrät, warum Chor-Musik glücklich macht

Neu in Flensburg: Avishay Shalom verrät, warum Chor-Musik glücklich macht

Neuer Chorleiter verrät, warum Chor-Musik glücklich macht

Mira Nagar
Flensburg
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Der 35-Jährige Avishay Shalom ist neuer Chorleiter am Landestheater in Flensburg. Foto: Sebastian Iwersen

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Avishay Shalom ist der neue Chorleiter am Landestheater in Flensburg. Er verrät, wie er zur Musik fand – und warum Singen glücklich macht.

Der Probenraum am Ende des verwinkelten Treppenhauses ist zweckmäßig eingerichtet. Grauer Teppich, Neonröhren an der Decke und faltige Vorhänge in einem eigenwilligen Farbton zwischen Lachs und Terracotta vor den Wänden. Eine Wanduhr zeigt zwar die aktuelle Zeit, wirkt mit ihren bunten Ziffern aber wie in den 1990ern stehengeblieben. Ein Zweckraum, möchte man meinen, wenn man hineinschaut. Doch ums Optische geht es hier gar nicht.

Denn der Raum ist voll von Klang. Die Stimmen des Opernchors füllen ihn – „Lux aeterna“ singt er, „ewiges Licht“. Dazu erklingt ein Flügel und der kurze Hinweis von Avishay Shalom: „Jetzt tutti. And one – “, sagt der 35-Jährige und dirigiert die nächsten Takte des Mozart-Requiems. Das letzte Werk des berühmten Komponisten wird kurz lebendig in diesem schnöden Raum irgendwo hinten im Stadttheater. Die Totenmesse, um die sich geheimnisvolle Mythen über den frühen Tod Mozarts gebildet haben, erklingt vierstimmig unter Neonröhren.

Zusammenspiel aus Ballett, Sinfonieorchester und Chor

Avishay Shalom und sein Chor haben nicht mehr lange bis zur Premiere – dabei hat der neue Chorleiter des Landestheaters die verschiedenen Stücke der Spielzeit gerade erst übernommen. „Tosca“ wurde bereits vom Publikum gefeiert. Ende Oktober wird sich zeigen, wie das Mozart-Requiem ankommt mit seinem Zusammenspiel aus Ballett, Sinfonieorchester und Chor. „Das Stück war schon einstudiert, jetzt kommen noch Feinheiten und Intonation“, sagt er.

Der 35-Jährige ist erst Ende August zum Landestheater gekommen – nach Stationen wie Jerusalem und Cincinnati, wo er den Master in Orchesterdirigieren absolvierte, wohnt er nun in einem „sehr sehr schrägen Haus im historischen Viertel“ in Flensburg. Mit den großen Städten will Shalom Flensburg aber gar nicht vergleichen. „Meine letzte Station war Mönchengladbach“, sagt er. „Also vergleiche ich es eher damit.“ Und mit seiner Heimatstadt Haifa in Israel. „Auch da war ich es gewohnt, ein Meer vor der Haustür zu haben.“ Nur dass die Ostsee kühler ist als das Mittelmeer. Die Strände und auch die Halbinsel Holnis hat er schon erkundet. „Natur schaltet alles aus bei mir“, sagt er. Auch als Ausgleich zur Musik.

Glück mit gemeinsamem Singen

Dabei hat Avishay Shalom mit Musik angefangen wie viele andere auch – auf der Blockflöte. „Mit neun habe ich mir dann eine Klarinette geholt, später ein Saxophon und erst nach der Armee habe ich mit dem Klavier angefangen“, berichtet er.

Er weiß, dass es bei vielen nach der obligatorischen Blockflöte hingegen nicht mehr weitergeht. „Wir haben immer das Problem, dass junge Leute von der Kultur weggehen“, sagt er. Viele hätten schlicht nicht die Zeit für Nebentätigkeiten. „Dabei bringt das so viel, auch in unseren beschäftigten Leben.“ So habe er in Berlin einen Laienchor geleitet und gemerkt: „Zu Beginn sind die Leute erschöpft und am Ende der Probe sind sie am Lächeln.“ Doch wie kommt das?

Für einen weiteren Chor bleibt in Flensburg aber erstmal keine Zeit. Neben den Proben für das Mozart-Requiem muss Avishay Shalom sich auch bald um das nächste Stück, Hänsel und Gretel, kümmern, das im Dezember Premiere feiert.

Konzerte in Sofia und Jerusalem

Hinzu kommen weitere Projekte, ein Auftritt mit dem Philharmonischen Orchester Sofia, nachdem Shalom einen Dirigenten-Wettbewerb in Bulgarien gewonnen hat. Ganz allein probt er, denkt die Klänge des Orchesters dabei mit, erklärt er. „Wie bei Flugbahnen“ stelle er sich vor, aus welcher Richtung des Raumes welcher Klang kommen wird. Hinzu kommen ein Klavierkonzert in Jerusalem sowie eine Produktion in Avignon. Für diese übt er auf dem E-Piano in seinem „sehr sehr schrägen Haus“ – oder am Flügel, abends spät noch in dem Probenraum am Stadttheater. „Wenn da noch Licht ist um Mitternacht“, sagt er, „dann bin ich das“.

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