Universität zu Lübeck

Neue Forschungsergebnisse: Herzinfarkte künftig besser behandelbar

Neue Forschungsergebnisse: Herzinfarkte künftig besser behandelbar

Neue Forschungsergebnisse: Herzinfarkte künftig besser behandelbar

SHZ
Lübeck
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Wenn Kalk und Fett in den Gefäßen abgelagert werden (Atherosklerose), kann das Blut nicht mehr ausreichend den lebenswichtigen Sauerstoff transportieren. Es kann dann zu einem Gefäßverschluss kommen, der beispielsweise auch einem Herzinfarkt zugrunde liegt. Foto: imago stock&people/shz.de

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Forscherteam der Universität zu Lübeck und des UKSH Lübeck entdeckt neue Funktion von Blutplättchen.

Fast 50.000 Menschen sterben jährlich allein in Deutschland an einem Herzinfarkt. Jetzt besteht Hoffnung, dass Mediziner möglicherweise künftig Herzinfarkte besser behandeln können: Denn Lübecker Forscher haben herausgefunden, dass Blutplättchen dabei eine besondere Rolle spielen. Diese reagieren auf Faktoren der angeborenen Immunität und beeinflussen das Nachwachsen von Gefäßen nach Gefäßverschlüssen.

Denn Blutplättchen sorgen dafür, Verletzungen der Gefäßwände schnell zu verschließen und Wunden wie ein Pflaster zu verkleben. „In den letzten Jahren setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Blutplättchen auch als Immunzellen arbeiten“, sagt der Lübecker Professor für Kardiologie Harald Langer. Mit ihren neuen Erkenntnissen haben die Forscher der Arbeitsgruppe Kardioimmunologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck diese Erkenntnis nun stützen können. Ihre Studie konnten sie kürzlich im renommierten Fachblatt Nature Communications veröffentlichen.

Die Lübecker Forscher haben erstmals nachgewiesen, dass Blutplättchen-Zellen, die eigentlich für die Blutgerinnung zuständig sind – auch das Wachstum von Blutgefäßen beeinflussen und zwar indem sie mit einem Teil des Immunsystems (dem sogenannten Komplementsystem) wechselwirken. Durch Arbeiten von Prof. Harald Langer aus seiner Zeit als Postdoc in den USA (2007-2010) war schon bekannt, dass ein bestimmter Botenstoff des Komplementsystems das Wachstum von Blutgefäßen hemmt.

Gefäßverschlüssen auf den Grund gegangen

Der Erstautor der vor kurzem veröffentlichten Arbeit, Dr. Henry Nording, hatte bereits in Tübingen als Medizinstudent angefangen, zu dieser Frage zu forschen. „Ich fand die Idee immer spannend, dass Thrombozyten (Blutplättchen), die sich ja bei allen Störungen im Gefäßsystem ansammeln, auch aktiv an der Erhaltung eines intakten Gefäßsystems beteiligt sind.“

Die Forschungsgruppe um Langer und Nording ist auf diese neue Funktion von Blutplättchen gestoßen, als sie die Mechanismen der Gefäßbildung nach Gefäßverschlüssen untersucht hat. Wenn Kalk und Fett in den Gefäßen abgelagert werden (Atherosklerose), kann das Blut nicht mehr ausreichend den lebenswichtigen Sauerstoff transportieren. Es kann dann zu einem Gefäßverschluss kommen, der beispielsweise auch einem Herzinfarkt zugrunde liegt.

Erkenntnisse aus Mausmodell

Einen solchen Prozess haben die Forscher im Mausmodell bei der Beinarterie simuliert. „Wir haben uns das Gewebe angeschaut, welches zeitweise schlecht mit Blut versorgt wurde und in das neue Gefäße eingewachsen sind“, berichtet Nording. Hierbei zeigte sich eine deutliche Aktivierung eines Teils des Immunsystems (Komplementsystem), aber auch Anreicherung von Blutplättchen mit aktivem C5a Rezeptor 1.

Im Zellkulturmodell haben die Wissenschaftler dann zunächst untersucht, wie der neue Botenstoff über die Blutplättchen die Gefäßzellen beeinflusst. Dabei stellten sie fest, dass der Botenstoff in den Blutplättchen diejenigen Funktionen von Gefäßzellen hemmt, welche für die Bildung von neuen Blutgefäßen entscheidend sind. Interessant war für die Forscher dabei, dass dieser Rezeptor die Funktionen der Blutgerinnung kaum beeinflusst, die für diese klassische Rolle von Blutplättchen wichtig sind.

Henry Nording: „Im Mausmodell konnten wir dann zeigen, dass die Gefäße, welche den neuen Botenstoff bei Blutplättchen nicht haben, nach einem Gefäßverschluss schneller nachwachsen.“ Eine bildliche Darstellung dieser Gefäße ist den Forschern in Zusammenarbeit mit Kollegen aus der Schweiz mittels hochauslösender Mikro-CT-Bildgebung gelungen.

„Neben diesen Befunden haben wir auch einen neuen Mechanismus vorgeschlagen, auf welche Weise der neue Botenstoff in Blutplättchen die Bildung von Gefäßen beeinflusst und warum dieser Mechanismus sich kaum auf die Funktion von Blutplättchen für die Blutstillung auswirkt“, erklärt Langer. Bei dieser Art der Freisetzung von Botenstoffen aus Blutplättchen werden diese nicht vollständig aktiviert, setzen also nur sehr spezifisch wenige Faktoren frei. „Wir haben hieran erstmals beispielhaft zeigen können, wie solch ein spezifischer Sekretionsmechanismus bei Thrombozyten tatsächlich funktioniert“, berichtet Langer.

„Diese Ergebnisse machen Hoffnung“

Diese neuen Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten, wie sich die Blutgefäßbildung mittels Medikamenten therapeutisch beeinflussen ließe. Es gebe für das Komplementsystem eine Vielzahl an Substanzen, die sich potenziell als Medikamente eignen. Eculizumab, das erfolgreich im Rahmen der Ehec-Epidemie eingesetzt wurde, sei nur ein bekannter Vertreter dieser Gruppe. „Wir konnten da auf die Expertise von John Lambris zurückgreifen, den Harald Langer noch aus seiner Zeit in den USA her kennt“, berichtet Nording. In der Tat hat PMX-53, ein C5aR1-Antagonist, die Wiederherstellung der Durchblutung nach Gefäßverschluss bei der Maus signifikant verbessert. „Diese Ergebnisse machen Hoffnung. Daran werden wir weiterarbeiten“, verspricht Prof. Langer, „Lübeck ist hierfür als Standort ideal, da durch das ISEF (Leitung Prof. Köhl) bereits eine große Expertise in der Forschung zum Komplementsystem besteht.“

In weiteren transnationalen Projekten untersucht die Arbeitsgruppe Kardioimmunologie auch bei menschlichen Patienten genetische, aber auch immunologische Faktoren, die das Gefäßwachstum nach Gefäßverschlüssen positiv beeinflussen. Weitere Informationen dazu finden sich auf dieser Website.

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