Flensburg

Neuer Oberbürgermeister: Wie aus Rathaus jetzt „Tathaus“ werden soll

Neuer Oberbürgermeister: Wie aus Rathaus jetzt „Tathaus“ werden soll

Neuer Oberbürgermeister: Wie aus Rathaus jetzt „Tathaus“ wer

Annika Kühl und Julian Heldt/shz.de
Flensburg
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Fabian Geyer am Tag nach der Oberbürgermeisterwahl in Flensburg im Interview. Foto: Michael Staudt/shz.de

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Flensburg hat Fabian Geyer zum neuen Oberbürgermeister gewählt. Nach einigen turbulenten Wochen ist der Wahlkampf damit nun vorbei. Wie geht es jetzt weiter? Die Reporterchefs des Flensburger Tageblattes Annika Kühl und Julian Heldt haben den designierten Oberbürgermeister am Tag nach der Wahl in seinem Haus in Engelsby besucht.

Herr Geyer, für den Tag nach der Wahl erleben wir Sie relativ aufgeräumt. Wie wurde gestern Abend noch gefeiert?
Sehr gesittet. Wir waren noch im Kanalschuppen. Das war für mich vorbereitet, sodass wir uns alle nochmal mit der Truppe treffen konnten. Es war eine sehr ausgelassene, freudige, erleichterte Stimmung. Mich hat es unheimlich gefreut für alle, die dabei waren. Danach gab es noch einen kleinen Absacker hier in Engelsby mit dem allerengsten Kreis. Dann waren wir auch relativ zeitig im Bett, es ist ja auch einfach eine Erschöpfung da. Aber wir haben schon unglaublich viele Gespräche in Richtung Zukunft geführt...

...über die Zukunft wollen wir gleich noch sprechen. Noch einmal ganz kurz der Blick zurück: Warum glauben Sie, hat sich am Ende die Mehrheit der Wähler für Sie entschieden?
Ich bin die letzten Wochen genau dabei geblieben, was ich davor schon getan habe. Ich habe wirklich versucht, ehrlich, authentisch ein klares Angebot zu formulieren. Wir haben gerade die letzten zwei Wochen nochmal genutzt, um sehr viel zu informieren und haben dadurch bewirkt, dass das Interesse an der OB-Wahl erhalten bleibt. Deswegen glaube ich, dass mich die Menschen nicht verändert gesehen haben und auch diesmal wieder zur Wahl gegangen sind.

Setzt der Vertrauensvorschuss Sie unter Druck?
Ich würde lügen, wenn nicht. Die größte Erwartung habe ich an mich selbst. Dieser Spruch „Rathaus wird Tathaus“ ist ja an mich gerichtet. Es betrifft meine Aufgabenstellung. Ich möchte ab dem ersten Tag hochkonzentriert an diese Aufgabe rangehen. Das ist ein Handlungsauftrag für mich selbst, diese Aufgabe so auszufüllen, dass ich selbst zu mir sagen kann: „Du hast etwas bewirkt.“ Das, wofür ich angetreten bin, möchte ich auch umsetzen.

Sie haben knapp 14.000 Stimmen geholt. So viele, wie noch kein OB-Kandidat in Flensburg seit Beginn der Direktwahl. Wie viele Stimmen glauben Sie waren dabei, mit denen Fabian Geyer nur gewählt wurde, um Simone Lange abzuwählen?
Die Frage habe ich mir auch gestellt. Es ist natürlich eine Wechselstimmung da. Ich habe immer gesagt, ich trete nicht an, wenn allseitige Zufriedenheit gewesen wäre. Ich war aber persönlich nicht zufrieden mit der Leistung, die Simone Lange in der Zeit gezeigt hat. Das konnte jeder für sich abrufen. Es gab eine gewisse Unzufriedenheit und die habe ich nicht geschürt, sondern die scheint in großen Teilen der Bevölkerung gewesen zu sein. Das Andere ist: Ich habe offensichtlich bei denjenigen werben können, die mich kennengelernt haben und die sich nicht haben anstecken lassen von allgemeinen Vorbehalten.

In den letzten Wochen sind ja nochmal ordentlich die Fetzen geflogen. Dabei sind auch einige Gräben deutlich geworden und es wird einiges an Arbeit auf Sie zukommen. Was haben Sie sich da vorgenommen?
Zunächst möchte ich betonen, dass dieses Persönliche nicht von mir ausgegangen ist. Ich habe das nicht gut geheißen, wie sich das entwickelt hat und ich hoffe, das macht keine Schule. Wir haben gesehen, dass das, was die letzten zwei Wochen passiert ist, sich nicht durchgesetzt hat – diese persönliche Diffamierungskampagne gegen mich, unter Verdrehung sämtlicher Tatsachen. Das hat nicht gefruchtet und das ist glaube ich ein ganz wichtiges Signal. Ich habe direkt gestern schon mit der SPD und den Grünen gesprochen. Dort ist eine hohe Bereitschaft, in den Dialog zu kommen. Ich sehe keine ernsthaften Schwierigkeiten, zu einem vernünftigen, sachgerechten Dialog zurückzukommen.

Es dauert jetzt noch ungefähr 100 Tage, bis Sie am 15. Januar 2023 in das Amt eingeführt werden. Wie werden Sie die Zeit bis dahin verbringen?
Jedenfalls ganz bestimmt nicht im Urlaub. Erstmal muss ich einen Übergang in meinem jetzigen beruflichen Umfeld organisieren. Das wird schon nicht so ganz einfach, weil die Zeit jetzt ein bisschen knapp ist. Ich werde mich aber natürlich jetzt auch vorbereiten auf die zukünftige Aufgabe. Ich habe das Gesprächsangebot bekommen und ausgesprochen gegenüber den Fraktionen. Dann werde ich schauen, was mit Blick auf die Verwaltung erforderlich ist und was ich dort an Vorbereitungshandlungen unternehmen muss. Was ich nicht tun werde, ist, Simone Lange in den nächsten drei Monaten in ihre Arbeit reinzureden.

Wie lange möchten Sie Ihre Arbeit im Arbeitgeberverband noch fortführen?
Naja, bis mindestens Anfang Januar. Sicherlich werde ich Dinge im operativen Bereich jetzt schon abgeben, das ist ja ganz klar. Alles, was jetzt Öffentlichkeitsarbeit angeht oder die Interessenvertretung nach außen, da muss ich gucken, ob es die Möglichkeit oder den Verdacht gibt, dass es nicht zu meiner zukünftigen Tätigkeit passen könnte. Das ist ja logisch. 

Gibt es denn schon einen Fahrplan für die ersten 100 Tage im Amt?
Eine wesentliche Aufgabe ist es, die Verwaltung kennenzulernen und mir Wissen aneignen. Ich will signalisieren, dass ich zunächst einmal der Lernende bin und nicht der derjenige, der etwas ändert, von dem ich keine Ahnung habe. Die ersten 100 Tage werden dadurch geprägt sein, Vertrauen zu gewinnen. Ich werde in dieser sehr großen Verwaltung und den Tochterunternehmen mitteilen, für was ich stehe. Meinen 10-Punkte-Plan möchte ich sehr schnell mit der Politik und innerhalb der Verwaltung angehen. Es gibt auch Beschlüsse der Ratsversammlung, die ich mir genau ansehen werde, warum sie noch nicht umgesetzt sind.

Glauben Sie, dass Sie im Rathaus mit offenen Armen empfangen werden? Der Wahlslogan „Rathaus wird Tathaus“ könnte auch als Drohung verstanden werden, dass hier bald ein anderer Wind weht.
Natürlich wird man als neuer Vorgesetzter beäugt. Diese Situation habe ich oft genug erlebt. Ich glaube, dass Vorbehalte zum Teil gezielt geschürt worden sind – auch durch die sehr emotionale Vorgehensweise, wie ich dargestellt wurde. Es gibt aber eher Verunsicherung als Vorbehalte. Da kann ich sehr gut mit umgehen. Ich glaube, dass die allermeisten mich sehr offen empfangen werden und neugierig sind. Alles bleibt erstmal, wie es ist. Ich trete nicht an, um Konflikte zu schüren. Dann hätte ja nach zwei Wochen keiner mehr Spaß.

Aber der Slogan „Rathaus wird Tathaus“?
Der ist an mich gerichtet. Ich bin mir sicher, dass die Beschäftigten des Rathauses einen sehr seriösen und guten Job machen. Wo ich helfen und unterstützen kann, tue ich das.

Welche Entscheidung von Simone Lange werden Sie zuerst rückgängig machen?
Och Mensch, Herr Heldt. Jetzt kommt das mit der Rathausstraße wieder.

Das sagen Sie jetzt.
Ich habe ja gesagt, dass dies nicht von Montag auf Dienstag geht. Wir werden die Verantwortung an die Kommunalpolitik übergeben und das in Ruhe besprechen. Wenn die Kommunalpolitik entscheidet, dass die Rathausstraße dicht bleibt, dann bleibt sie dicht. Ende aus. Wenn die Kommunalpolitik der Meinung ist, dass man die Rathausstraße bis zur Erstellung eines Gesamtkonzeptes wieder aufmachen sollte, dann machen wir sie wieder auf. Auch muss man sich anschauen, ob die Gefahrenlage auch objektiv besteht. Die Sperrung hat dafür gesorgt, dass der Verkehr links und rechts von der Rathausstraße nicht weniger geworden ist, sondern zugenommen hat. Es ist aber nichts, was ich gleich am ersten Tag ändern werde.

Aber wenn Sie sagen, dass die Rathausstraße Sache der Politik werden soll, dann zeichnet sich ja schon ab, dass sich da noch was tun könnte.
Natürlich. Es gab ja auch das Signal der Politik, dass sie übergangen wurde. Den Befürwortern der Sperrung habe ich gesagt, dass sie es nicht tun sollten, wenn sie kein einheitliches Konzept haben. Die Bevölkerung ist auch nicht zufrieden mit der Entscheidung. Deshalb ist die Kritik ernst zu nehmen und wir werden uns dem annehmen.

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