Umstrittene Plattform in Flensburg

Nicht nur Trinker- und Drogentreff: Drei Leute vom Südermarkt berichten

Nicht nur Trinker- und Drogentreff: Drei Leute vom Südermarkt berichten

Nicht nur Trinker- und Drogentreff am Südermarkt

SHZ
Flensburg
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Hans Reimer, Nicole Paura und Mario Schulz sind gern am Südermarkt – und kritisieren den Abbau der Bänke. Foto: Michael Staudt / SHZ

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Anfang Dezember wurden die Bänke auf der Südermarkt-Plattform abgebaut – als Reaktion auf eine Eskalation am Weihnachtsmarkt. Drei Südermarkt-Freunde erklären, warum das der falsche Ansatz zur Konfliktlösung ist.

Alkohol, Lärm, Razzien: Die Plattform am Südermarkt sorgt immer wieder für Diskussionen. Wie umgehen mit der Trinker- und Drogen-Szene, die sich dort trifft? Anfang Dezember zog die Stadt die Reißleine und ließ die Bänke auf der Plattform abbauen. „Die Rote Linie der Toleranz ist überschritten“ – hieß es in einer Mitteilung der Stadt Flensburg.

Die Bänke sind nun fast drei Monate weg, die Szene ist geblieben. Denn hier ist nun mal ihr Treffpunkt, auch wenn man auf den Stufen sitzt oder steht. Wir haben mit drei Südermarkt-Freunden, die nicht zur „harten Szene“ gehören, gesprochen. Sie erzählen, warum sie so gern dort sind – und warum es gar nicht die Südermarkt-Szene gibt.

Weiterlesen: Stadt Flensburg baut Bänke am Südermarkt ab – „Rote Linie der Toleranz überschritten“

Nicole Paura: „Man kennt sich, alle haben dasselbe Problem“

Ich bin so ein-zwei Mal die Woche mindestens am Südermarkt. Ich will mich einfach nur unterhalten mit den Leuten. Man kennt sich, alle haben dasselbe Problem. Ich selbst bin im Substitutionsprogramm und habe lange Drogen genommen. Ich hole das Substitut einmal die Woche. Danach komme ich hier vorbei, mal gucken, wer da ist, einkaufen und dann wieder nach Hause.


Ich weiß auch nicht wirklich, warum die Bänke so radikal weggemacht worden sind. Es wurde zwar gesagt, es gab Polizeieinsätze. Aber so richtig verstehe ich das nicht. Einmal habe ich einen Einsatz mitbekommen, da war eine fette Razzia. Ich stand etwas außerhalb, Gott sei dank. Ich hätte zwar kein Problem damit gehabt, ich hatte ja nichts dabei, aber das muss trotzdem nicht sein.


Jetzt sind die Bänke zwar weg, aber die Leute halten sich trotzdem hier auf. Setzen sich auf die Treppen oder stehen einfach nur. Die Frage ist ja: wenn die Leute woanders hingehen, wird das Problem ja bleiben. Dann nerven sie da wieder.

Ich meine, es sind ja meistens nur einzelne Stressmacher. Da sollte man einfach gegen die vorgehen mit Platzverweis, wie auch immer. Aber das kann ja nicht auf alle übertragen werden. Viele kommen hierher statt zu Hilfseinrichtungen, weil sie hier Alkohol trinken können. Es ist öffentlich, zentral. Es hängt auch ein bisschen mit dem Substitutionsarzt zusammen, der ist hier gleich in der Nähe.


Was helfen könnte? Das mit Helferherz ist schon eine gute Sache. Wo die Bänke hier waren, wurden zum Beispiel auch Spielbretter aufgebaut. Ein bisschen mehr Beschäftigung, denke ich, nicht dieses Trostlose, Tägliche, Gleiche.

Weiterlesen: Bänke auf Plattform abgebaut: So macht die Flensburger Gruppe Helferherz weiter

Es ist schwer, von Drogen wegzukommen, allein auch der körperliche Entzug. Ich werde auf jeden Fall probieren, es ganz abzusetzen. Aber das wird hart, auf jeden Fall.

Hans Reimer: „Egal wo, man wird ja überall verscheucht“

Ich bin dreimal die Woche hier. Ich kenn die Leute hier. Gespräche, ein, zwei Bierchen und mittags geht es wieder nach Hause. Das hat sich einfach so entwickelt. Ich wohne auf dem Land, wir haben nicht mal einen Kiosk. Der nächste Kippenautomat ist in Weiche (lacht).



Meine Freundin ist immer froh, wenn ich mich mittags immer verziehe. Es gibt eben ein, zwei Leute, die regelmäßig auffallen. Zum Beispiel die ganze Geschichte mit G., wo sie die ganzen Bänke hier abgebaut haben. Das ist alles komplett verkehrt gelaufen. Ich hab das hier mitgekriegt. Es war schon später Abend. Ich stand hier mit ein paar Bekannten und habe ein paar Bierchen getrunken. Da war hier noch der Weihnachtsmarkt.

Ein paar Leute aus dem Dorf waren hier, die Landjugend. Vier Personen haben sich mit G. immer wieder angelegt. Da kamen üble Sprüche. G. ist ein Farbiger. Da kam „Dachpappe, verpiss dich hier“ und „Was suchst du hier?“ Da sind böse Dinge gefallen. Dann wollten sie zu Viert auf ihn los, weil er sich dann grade gemacht hat. Da bin ich dann dazwischen gegangen. Dann sollten die Aggressoren das alleine regeln und so ist das dann alles eskaliert.

Schlimmer wurde es eigentlich erst, wie die Polizei kam. Die ganze Sache war eigentlich geregelt, als die Polizei kam, aber da hat er dann eben die ganze Schuld bekommen. Weil er ja auch bekannt ist. Ich sagte dann noch: Er ist nicht der Aggressor, die haben den ganzen Streit angefangen. Und nachher haben wir ja gesehen, was daraus geworden ist.

Ich weiß nicht, ob die Stadt es schafft, einen Platz zu schaffen, wo man Ruhe hat. Egal wo, man wird ja überall verscheucht, also die Leute hier zumindest. Ich glaube aber, hier wird man die Leute nie ganz weg kriegen. Bloß die harte Szene muss hier weg, das verstehe ich schon irgendwie.


Mental hilft einem das Treffen mit Leuten so wie hier, die die gleichen Probleme haben. Man kann ehrliche Gespräche führen, man muss niemandem was vorlügen, denn die wissen, wer man ist.

Mario Schulz: „Da wird sehr viel verallgemeinert“

Ich bin seit einem Jahr regelmäßig auf der Südermarkt-Plattform. Das kam auch so ein bisschen durch die Einschränkungen durch Corona. Dass die Kneipen und das alles zu hatten und das mit den Impfungen noch nicht so war. Hier ist so ein Treffpunkt, wo man grade, wenn es ein bisschen schöner ist, sein Bierchen getrunken hat. Wegen der Kommunikation und so.


Oftmals ist der Stress hier nur beschränkt auf eine große Lautstärke, dass also ein Riesen-Trara gemacht wird. Und das legt sich in neun von zehn Fällen wieder. Wirklich handgreifliche Auseinandersetzungen könnte ich an einer Hand abzählen. Aber das war nicht massiv, eher Schulhofprügelei-Niveau.

In einer Sache war ich direkt involviert. Ich bin hier auch einmal tätlich angegriffen worden, da hatte ich selbst auch mal einen auf die Mütze gekriegt. Da hatte jemand ein Gerücht über meine Person in den falschen Hals bekommen. Ich habe den dann zur Rede gestellt und es konnte problemlos geklärt werden. Klar, wo dann etwas mehr Alkohol im Spiel ist, wird es gerne mal lauter. Auch wenn es friedlich bleibt.


Es wird immer gern beobachtend auf die Szenerie geschaut. Natürlich, wenn laut geschrien wird, dann drehen sich die Menschen um. Aber das sind so ein bisschen zwei Welten für sich. Da kommt es zu wenig Bezugspunkten. Weder, dass da Stress ist noch zu Gesprächen.

Statt die Bänke hier abzubauen hätte ich eher auf eine Kommunikation gesetzt, die meines Erachtens von der Stadt Flensburg nicht vonstatten gegangen ist. Ich bin der Meinung, dass durch eine gute Kommunikation sich ganz viel selber reguliert. Wenn die Polizei hier auftaucht, dann sind es Akuteinsätze. Aber es wird keine Kommunikation gepflegt.

Ich finde es nicht gut, dass den Menschen keine Alternative gegeben wird. Es wird dadurch ja kein Problem gelöst.


Ein Punkt, der mir sehr wichtig ist: Es wird immer von der Südermarkt-Szene gesprochen. Ich frag mich: Wer ist das? Gehöre ich jetzt dazu? Da wird sehr viel verallgemeinert. Natürlich passiert hier mehr als an anderen Punkten, aber es ist auch immer so ein bisschen stigmatisierend, wenn es heißt: Die Südermarktszene macht wieder Stress. Ich finde, es ist wichtig, dass man Vorkommnisse und jeden Menschen auch einzeln betrachtet.

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