Ausbildung

Nordfriesland startet neues Modell gegen Erziehermangel: Fachschülerinnen sind skeptisch

Nordfriesland startet neues Modell gegen Erziehermangel

Nordfriesland startet neues Modell gegen Erziehermangel

Birger Bahlo/shz.de
Niebüll
Zuletzt aktualisiert um:
Janine Schierholz (l.) und Rieke Feddersen schließen an der Fachschule für Sozialpädagogik in Niebüll bald ihre Weiterbildung zu Erzieherinnen ab. Sie stehen dem neuen Ausbildungskonzept PiA skeptisch gegenüber. Foto: Birger Bahlo/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

An der Beruflichen Schule in Niebüll soll es künftig eine Klasse für die Praxisintegrierte Ausbildung (PiA) zum Erzieher geben. Damit das klappt, werden jetzt die ersten Teilnehmer gesucht.

Ganz neu bietet der Kreis Nordfriesland im nächsten Jahr eine Praxisintegrierte Ausbildung (PiA) an der Fachschule für Sozialpädagogik an der Beruflichen Schule in Niebüll. Das verkündete jetzt Landrat Florian Lorenzen in einem Gespräch mit shz.de.

Konzept gegen Personal-Not in Kitas

Seit Jahren haben Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Um dem gerecht zu werden, hat der Kreistag im September beschlossen, Träger von Kindertageseinrichtungen, die den neuen Ausbildungsgang anbieten, finanziell zu unterstützen. Für das Schuljahr 2023/2024 stellt der Kreis Mittel in Höhe von bis zu 100.000 Euro zur Verfügung. In den Folgejahren steige die Summe noch an. Bis Ende Februar müssen sich mindestens 25 qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber eingefunden haben.

Gehalt in der Weiterbildung

PiA-Teilnehmer seien beim Kita-Träger sozialversicherungspflichtig angestellt. Das Bruttogehalt liege zurzeit bei knapp 1200 Euro im ersten, 1250 Euro im zweiten und 1350 Euro im dritten Jahr.

Üblicherweise lernen Erzieher ihren Beruf an einer Fachschule. Sie dauert drei Jahre. Praxiserfahrung erlangen sie in Praktika. Danach können sie etwa in Kitas, Häusern der Jugend, Jugendzentren oder anderen Einrichtungen arbeiten.

Klassische Erzieherausbildung verläuft anders

Jenen etablierten Weg haben Janine Schierholz (42) und Rieke Feddersen gewählt, beide sind in Niebüll an der Fachschule für Sozialpädagogik im dritten Jahr ihrer Weiterbildung. Auf Bitten von shz.de erzählen sie von ihren Berufswegen und erläutern, welche Unterschiede sie zu PiA sehen.

Janine Schierholz aus Drelsdorf hat zuerst eine Ausbildung zur Tischlerin abgeschlossen, spürte aber mit der Zeit, dass sie eher im sozialen Bereich arbeiten möchte. Die alleinerziehende Frau hebt die breite Spanne der Einsatzfelder hervor, wie die Arbeit in Kitas oder Jugendeinrichtungen sowie mit Menschen mit Beeinträchtigungen.

Rieke Feddersen absolvierte nach ihrem Fachabitur eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau und arbeitete eine Weile in dem Beruf. Durch frühe Praktika liebäugelte sie schon länger mit der Arbeit in sozialen Berufen.

Beide kritisieren an PiA, dass es ausschließlich in Kitas angeboten werde. Dadurch fehlten Erfahrungen in Jugendeinrichtungen. Sie hingegen hätten in den drei Jahren 50 Wochen vielerorts praktische Erfahrungen sammeln können, auch in Einrichtungen für junge Menschen mit Beeinträchtigungen. Sie hören aus Gesprächen heraus, dass rund die Hälfte als Erzieherin in Jugendeinrichtungen arbeiten wolle.

Meister-Bafög statt Gehalt

Auch die Bezahlung sei ähnlich. Sie bekämen für die Weiterbildung Meister-Bafög, rundgerechnet 900 Euro ausgezahlt. Wer will, könne das auf Darlehensbasis sogar noch erhöhen.

Seitens des Kreises hält man dagegen:

Den PiA-Teilnehmenden werde, anders als bei der klassischen Ausbildung, ein Gehalt gezahlt, erklärt Birte Überleer.

Als diese Praxisintegrierte Ausbildung beim Landrat vorgestellt wurde, hatte Birte Überleer die Bedeutung des Projektes unterstrichen. Es gebe in den Kitas einen „dramatischen Fachkräftemangel“ und fast täglich Ausnahmegenehmigungen von Personalschlüsseln. Kitas hätten schon länger den Wunsch geäußert, über PiA neue Mitarbeiter gewinnen zu können. Das Projekt, ergänzte sie, sei im Kreis Herzogtum Lauenburg bereits begonnen worden. Für Nordfriesland lägen 15 Anmeldungen der 25 benötigten bereits vor.

Die Träger würden im ersten Jahr vom Land mit monatlich 400 Euro bezuschusst. Hinzukomme eine Pauschale für die fachliche Anleitung des Nachwuchses. Ab dem zweiten Jahr hätten Teilnehmer bereits ein Niveau erreicht, das es den Trägern erlaube, sie auf den Fachkräfteschlüssel anzurechnen. Das eröffnet den Trägern entsprechende Refinanzierungsmöglichkeiten.

Abschluss „Staatlich anerkannter Erzieher“ gleichwertig mit Bachelor

Rechtlich gelte PiA als Weiterbildung. Der Abschluss „Staatlich anerkannter Erzieher“ sei gleichwertig mit dem Bachelor an einer Universität. So könne jeder beispielsweise ein Master-Studium im Fach Sozialpädagogik dranhängen, heißt es vom Kreis.

Das sind die Voraussetzungen

Notwendig sei der Mittlere oder ein gleichwertiger Schulabschluss. Wer dazu noch eine anerkannte Ausbildung in einem anderen Beruf abgeschlossen hat oder drei Jahre in einem Beruf gearbeitet habe, könne für PiA zugelassen werden. Gleiches gelte für Interessenten mit Fachhochschulreife oder Abitur, die ein Jahr lang ein einschlägiges Praktikum absolviert haben. „Wir suchen nicht nur junge Leute, sondern Bewerber aus allen Altersklassen“, unterstreicht Landrat Florian Lorenzen.

Interessierte sollten sich bei den Kindertageseinrichtungen beziehungsweise deren Trägern melden, die dann die Anstellungsverträge erstellen und weitere Beratungen durchführen.

Mehr lesen